Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden der AEB Johan Vanderplaetse über die Bedeutung Russlands für europäische Unternehmen, Prognosen für die zukünftige Entwicklung der russischen Wirtschaft und die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen EU und EAWU.
Herr Vanderplaetse, wie sehen Sie als Vorstandsvorsitzender der AEB das Vertrauen der europäischen Wirtschaft in den russischen Markt? Werden die aktuellen Entwicklungen in der Welt einen großen Einfluss auf das Investitionsklima in Russland und der EAWU haben?
Insgesamt ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU in den letzten Jahren trotz der schwierigen außenpolitischen Lage intensiv geblieben. Einerseits bedeuten die politischen Spannungen einen anhaltenden Druck auf ausländische Direktinvestitionen. Andererseits zeigte der letzte Besuch der AEB-Delegation in Brüssel vor einigen Wochen eine hohe Bereitschaft zur Entwicklung einer operativen Zusammenarbeit – gerade auf den Gebieten der technischen Vorschriften und der Beseitigung von Handelshemmnissen. Was die Stimmung der in Russland tätigen europäischen Unternehmen betrifft, so sind die AEB-Mitgliedsunternehmen recht zuversichtlich: 45 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen erwarten ein Wachstum der russischen Wirtschaft.
Auch wird Zentralasien als Region immer wichtiger und vielversprechender für die Beziehungen zwischen Russland und der EU. Und ich glaube, eine engere Zusammenarbeit von EU und EAWU ist nicht nur für die eurasische Wirtschaft sinnvoll, sondern auch im europäischen Interesse. In naher Zukunft läuft Europa Gefahr, zwischen zwei großen Handelsblöcken USA und China „eingeklemmt“ zu werden, sodass es seine wirtschaftlichen Interessen allein schützen muss. Eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland und Eurasien könnte ein Weg sein, dieses Ziel zu erreichen.
Glauben Sie, dass die neue russische Regierung das Vertrauen der Unternehmen positiv beeinflussen kann? Und wenn ja, in welche Richtung? Welche konkreten Maßnahmen erwarten Sie von der russischen Seite, um das ausländische Engagement zu fördern?
Der Regierungswechsel ist ein positiver Schritt, der aber in einem breiteren wirtschaftlichen und politischen Kontext gesehen werden sollte. Aus makroökonomischer Sicht ist die russische Wirtschaft heute in guter Verfassung. Es gibt jedoch Probleme auf der mikroökonomischen Ebene. Die Kaufkraft der Bevölkerung hat in den letzten fünf Jahren abgenommen und scheint erst jetzt ein wenig zu wachsen. Und natürlich hat die Wirtschaft immer noch traditionelle Fragen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit, der unabhängigen Justiz, dem Schutz von Investorenrechten und dem Kampf gegen die Korruption.
Jetzt geht die Regierung dazu über, die mikroökonomische Situation zu verbessern: Gewährleistung des Wachstums der Realeinkommen der Bevölkerung, der Wirtschaft, Verbesserung des Gesundheits- und Bildungssystems und ähnliches mehr. Solche Veränderungen werden sicherlich neue Investitionsmöglichkeiten für europäische Unternehmen bieten. Und die europäische Wirtschaft wartet seit Langem auf konkrete Regierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas. In diesem Zusammenhang ist ein stabiler Rechtsbereich der Schlüsselfaktor.
Russland wird oft als ein „interessanter“ Markt bezeichnet. Wie schätzen Sie das Potenzial für europäische Unternehmen ein? Und welche Branchen werden aus Ihrer Sicht im Jahr 2020 am meisten profitieren?
In den vergangenen Jahren wurde die Nachfrage und Produktion in einer Reihe von Branchen durch das Wachstum von Verbraucher-, Hypotheken- und Autokrediten unterstützt. Diese Situation ist jedoch äußerst instabil und hängt weitgehend von der Zinspolitik der russischen Zentralbank, der Unterstützung durch die Regierung und den Wachstumsaussichten der russischen Wirtschaft ab. Die Risiken durch sinkende Ölpreise und neue Sanktionen, eine höhere Mehrwertsteuer und das Versäumnis, administrative Hindernisse zu beseitigen, dämpfen die Hoffnungen auf ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum, sodass ausländische Investoren bei der Umsetzung ihrer neuen Investitionsprojekte in den kommenden Jahren vorsichtig bleiben.
Wenn es Russland gelingt, ernsthafte innen- und außenpolitische Schocks zu vermeiden, gibt es gute Chancen insbesondere im Bau-, Verkehrs-, und Landwirtschaftssektor, aber auch für den Energiesektor. Zudem scheinen die Bereiche Finanzen, Einzelhandel und Medizin vielversprechend zu sein. In jedem Fall hängt das Wirtschafts- und Investitionspotenzial Russlands direkt von der Unterstützung durch die Regierung und der Offenheit ihres Dialogs mit der Wirtschaft ab. Wenn beide Seiten bereit sind, die Interessen des anderen zu hören und zu respektieren und die festgelegten Regeln einzuhalten, werden europäische Investoren dem russischen Markt noch viele Jahre lang die Treue halten.
Interview: Johan Vanderplaetse
Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden der AEB Johan Vanderplaetse über die Bedeutung Russlands für europäische Unternehmen, Prognosen für die zukünftige Entwicklung der russischen Wirtschaft und die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen EU und EAWU.
Herr Vanderplaetse, wie sehen Sie als Vorstandsvorsitzender der AEB das Vertrauen der europäischen Wirtschaft in den russischen Markt? Werden die aktuellen Entwicklungen in der Welt einen großen Einfluss auf das Investitionsklima in Russland und der EAWU haben?
Insgesamt ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU in den letzten Jahren trotz der schwierigen außenpolitischen Lage intensiv geblieben. Einerseits bedeuten die politischen Spannungen einen anhaltenden Druck auf ausländische Direktinvestitionen. Andererseits zeigte der letzte Besuch der AEB-Delegation in Brüssel vor einigen Wochen eine hohe Bereitschaft zur Entwicklung einer operativen Zusammenarbeit – gerade auf den Gebieten der technischen Vorschriften und der Beseitigung von Handelshemmnissen. Was die Stimmung der in Russland tätigen europäischen Unternehmen betrifft, so sind die AEB-Mitgliedsunternehmen recht zuversichtlich: 45 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen erwarten ein Wachstum der russischen Wirtschaft.
Auch wird Zentralasien als Region immer wichtiger und vielversprechender für die Beziehungen zwischen Russland und der EU. Und ich glaube, eine engere Zusammenarbeit von EU und EAWU ist nicht nur für die eurasische Wirtschaft sinnvoll, sondern auch im europäischen Interesse. In naher Zukunft läuft Europa Gefahr, zwischen zwei großen Handelsblöcken USA und China „eingeklemmt“ zu werden, sodass es seine wirtschaftlichen Interessen allein schützen muss. Eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland und Eurasien könnte ein Weg sein, dieses Ziel zu erreichen.
Glauben Sie, dass die neue russische Regierung das Vertrauen der Unternehmen positiv beeinflussen kann? Und wenn ja, in welche Richtung? Welche konkreten Maßnahmen erwarten Sie von der russischen Seite, um das ausländische Engagement zu fördern?
Der Regierungswechsel ist ein positiver Schritt, der aber in einem breiteren wirtschaftlichen und politischen Kontext gesehen werden sollte. Aus makroökonomischer Sicht ist die russische Wirtschaft heute in guter Verfassung. Es gibt jedoch Probleme auf der mikroökonomischen Ebene. Die Kaufkraft der Bevölkerung hat in den letzten fünf Jahren abgenommen und scheint erst jetzt ein wenig zu wachsen. Und natürlich hat die Wirtschaft immer noch traditionelle Fragen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit, der unabhängigen Justiz, dem Schutz von Investorenrechten und dem Kampf gegen die Korruption.
Jetzt geht die Regierung dazu über, die mikroökonomische Situation zu verbessern: Gewährleistung des Wachstums der Realeinkommen der Bevölkerung, der Wirtschaft, Verbesserung des Gesundheits- und Bildungssystems und ähnliches mehr. Solche Veränderungen werden sicherlich neue Investitionsmöglichkeiten für europäische Unternehmen bieten. Und die europäische Wirtschaft wartet seit Langem auf konkrete Regierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas. In diesem Zusammenhang ist ein stabiler Rechtsbereich der Schlüsselfaktor.
Russland wird oft als ein „interessanter“ Markt bezeichnet. Wie schätzen Sie das Potenzial für europäische Unternehmen ein? Und welche Branchen werden aus Ihrer Sicht im Jahr 2020 am meisten profitieren?
In den vergangenen Jahren wurde die Nachfrage und Produktion in einer Reihe von Branchen durch das Wachstum von Verbraucher-, Hypotheken- und Autokrediten unterstützt. Diese Situation ist jedoch äußerst instabil und hängt weitgehend von der Zinspolitik der russischen Zentralbank, der Unterstützung durch die Regierung und den Wachstumsaussichten der russischen Wirtschaft ab. Die Risiken durch sinkende Ölpreise und neue Sanktionen, eine höhere Mehrwertsteuer und das Versäumnis, administrative Hindernisse zu beseitigen, dämpfen die Hoffnungen auf ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum, sodass ausländische Investoren bei der Umsetzung ihrer neuen Investitionsprojekte in den kommenden Jahren vorsichtig bleiben.
Wenn es Russland gelingt, ernsthafte innen- und außenpolitische Schocks zu vermeiden, gibt es gute Chancen insbesondere im Bau-, Verkehrs-, und Landwirtschaftssektor, aber auch für den Energiesektor. Zudem scheinen die Bereiche Finanzen, Einzelhandel und Medizin vielversprechend zu sein. In jedem Fall hängt das Wirtschafts- und Investitionspotenzial Russlands direkt von der Unterstützung durch die Regierung und der Offenheit ihres Dialogs mit der Wirtschaft ab. Wenn beide Seiten bereit sind, die Interessen des anderen zu hören und zu respektieren und die festgelegten Regeln einzuhalten, werden europäische Investoren dem russischen Markt noch viele Jahre lang die Treue halten.