Belarus profitiert wirtschaftlich von der Eurasischen Wirtschaftsunion. Im politischen Minsk gibt es aber immer wieder Bedenken, ob Russland sich als stärkeres Land fair genug gegenüber dem kleineren Nachbarn verhält.
Im Mai 2014 gehörte Belarus neben Russland und Kasachstan zu drei Staaten, die zuerst das Gründungsabkommen der Eurasischen Wirtschafsunion unterschrieben haben. „Die Union hat ihre Eigenständigkeit bewiesen und dient unseren Ländern als Quelle des zusätzlichen Wirtschafswachstums“, lobte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko die Union auf der feierlichen Sitzung des Hohen Wirtschaftsrates der Vereinigung im Mai 2019, als das Fünf-Jahres-Jubiläum im kasachischen Nur-Sultan gefeiert wurde. Im Januar 2020 feiern Belarus, Kasachstan, Russland sowie die etwas später dazu gekommenen Länder Armenien und Kirgisistan nun fünf Jahre seit dem eigentlichen Inkrafttreten des Abkommens. Es läuft allerdings nicht alles rund.
Angst vor Souveränitätsverlust
Besonders für die belarussisch-russischen Beziehungen ist es keine leichte Zeit. Denn ursprünglich wollten beide Länder pünktlich zum Jahresende 2019 und zum 20-jährigen Jubiläum der russisch-belarussischen Union, eines bisher stark begrenzten Staatenbundes zwischen Minsk und Moskau, den Vertrag zur verstärkten Integration unterschreiben, um dem ursprünglich geplanten vereinigten Staat neue Impulse zu geben. Doch mehrfach fanden in Minsk Protestaktionen der Opposition gegen die Integration mit Russland statt. Diese befürchtet die Reduzierung der staatlichen Souveränität von Belarus im Gegenzug für wirtschaftliche Vorteile.
Die belarussischen Sicherheitsbehörden gingen gegen die Demonstrationen der Opposition nicht vor, was für Minsker Verhältnisse unüblich ist. Das spricht womöglich dafür, dass die Proteste den Rücken von Präsident Lukaschenko bei den schweren Verhandlungen stärken. Dieser ist wirtschaftlich an Öllieferungen, einem vergleichbar geringen Gaspreis und dem Zugang zum russischen Markt interessiert und muss gleichzeitig aufpassen, dass Russland nicht zu viel politische Kontrolle über Belarus übernimmt.
Ein ganz besonderes Verhältnis
Auf jeden Fall sind aber die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Minsk und Moskau schon jetzt einmalig. 2018 hat Belarus von Russland etwa Subventionen im Gas- und Ölbereich in der Größe von zwölf Prozent des BIP erhalten. Außerdem ist Russland der größte Kreditgeber von Belarus und besitzt rund 38 Prozent der belarussischen Staatsschulden. Darüber hinaus sind 38 Prozent der belarussischen Ausfuhren nach Russland gerichtet – und die Ölausfuhr in andere Länder, etwa ein Drittel der belarussischen Ausfuhr, ist direkt von den Lieferungen Moskaus abhängig. Eine Alternative existiert für Minsk also nicht. Es geht nicht um die neuen Wege, vielmehr gilt es für Belarus, die bereits existierenden besser zu nutzen.
Wenn man den belarussischen Normalverbraucher fragt, ob er positive Veränderungen durch die Eurasische Wirtschaftsunion bemerkt hat, wird die Antwort nicht immer eindeutig ausfallen. „Für den einfachen belarussischen Staatsbürger ist die Union vor allem ein Arbeitsmarkt, die Möglichkeit, sich in einem anderen Land der Union zu beschäftigen“, sagt Alexej Mazewilo vom belarussischen Wirtschaftsministerium. „Und durch den Unionsstaat zwischen Belarus und Russland hat er diese Möglichkeit schon längst, da hat sich für Armenien und Kirgisistan mehr verändert.“
Doch im Wirtschaftsbereich sieht die Ausgangslage entscheidend anders aus. Denn Belarus ist das einzige EAWU-Land, das mit anderen Ländern der Union mehr handelt als mit Drittstaaten. Von daher profitiert die belarussische Wirtschaft doch enorm von der Union, auch wenn der größte Warenverkehr natürlich mit Russland stattfindet. „Einige stellen die Frage, warum wir die Union brauchen, wenn es internationale Handelsregeln und die Welthandelsorganisation WTO gibt? Wenn wir Probleme mit den Lieferungen in die Unionsländer haben, klären wir diese innerhalb von wenigen Monaten. In der WTO dauern die gleichen Prozesse mindestens Jahre. Und sogar wenn man dann erfolgreich ist, bedeutet das selten, dass alle Handelsbarrieren behoben werden“, meint Mazewilo.
Protektionismus ist kein Fremdwort
Insgesamt hat Russland 2018 nach Angaben der belarussischen Statistikbehörde Belstat umgerechnet 3,5 Milliarden US-Dollar mehr Waren als im Vorjahr geliefert, Belarus konnte seine Lieferungen ins Nachbarland jedoch nur um etwas mehr als 50 Milliarden US-Dollar steigern. „Diese Entwicklung ist den protektionistischen Maßnahmen geschuldet, die russische Behörden im eigenen Interesse bewilligen, ohne auf die Wirtschaftskommission der Union Rücksicht zu nehmen“, heißt es in Minsk. Etwa für die Milchproduktion aus Belarus wurden zuletzt unangenehme Begrenzungen eingeführt.
Und so ist es auch mit Blick auf die erweiterte Integration zwischen Russland und Belarus verständlich, wenn Alexander Lukaschenko zwar die Eurasische Union ausdrücklich lobt, aber dennoch einige Bedenken äußert. „Wichtig ist, dass die Union sich bewährt hat. Das haben viele Länder der Welt bemerkt, die mit uns kooperieren wollen“, sagte der belarussische Präsident. „Aber es gibt viele Probleme, die nicht existieren sollten, vor allem die ganzen Barrieren.“ Lukaschenko meint dabei vor allem, dass die Unternehmen aller Mitgliedsländer die gleiche Ausgangsposition haben sollten: „Ein stärkeres Land sollte nicht die besseren Bedingungen nur für seine eigenen Unternehmen schaffen. Wenn wir schon eine Union gründen, sollten wir uns schon gemeinsam nach vorne bewegen.“ Dass Lukaschenko unter dem „stärkeren Land“ Russland meint, muss wohl nicht extra erklärt werden.
EAWU Insights: Belarus – Trotz Zufriedenheit sieht Minsk noch Luft nach oben
Belarus profitiert wirtschaftlich von der Eurasischen Wirtschaftsunion. Im politischen Minsk gibt es aber immer wieder Bedenken, ob Russland sich als stärkeres Land fair genug gegenüber dem kleineren Nachbarn verhält.
Im Mai 2014 gehörte Belarus neben Russland und Kasachstan zu drei Staaten, die zuerst das Gründungsabkommen der Eurasischen Wirtschafsunion unterschrieben haben. „Die Union hat ihre Eigenständigkeit bewiesen und dient unseren Ländern als Quelle des zusätzlichen Wirtschafswachstums“, lobte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko die Union auf der feierlichen Sitzung des Hohen Wirtschaftsrates der Vereinigung im Mai 2019, als das Fünf-Jahres-Jubiläum im kasachischen Nur-Sultan gefeiert wurde. Im Januar 2020 feiern Belarus, Kasachstan, Russland sowie die etwas später dazu gekommenen Länder Armenien und Kirgisistan nun fünf Jahre seit dem eigentlichen Inkrafttreten des Abkommens. Es läuft allerdings nicht alles rund.
Angst vor Souveränitätsverlust
Besonders für die belarussisch-russischen Beziehungen ist es keine leichte Zeit. Denn ursprünglich wollten beide Länder pünktlich zum Jahresende 2019 und zum 20-jährigen Jubiläum der russisch-belarussischen Union, eines bisher stark begrenzten Staatenbundes zwischen Minsk und Moskau, den Vertrag zur verstärkten Integration unterschreiben, um dem ursprünglich geplanten vereinigten Staat neue Impulse zu geben. Doch mehrfach fanden in Minsk Protestaktionen der Opposition gegen die Integration mit Russland statt. Diese befürchtet die Reduzierung der staatlichen Souveränität von Belarus im Gegenzug für wirtschaftliche Vorteile.
Die belarussischen Sicherheitsbehörden gingen gegen die Demonstrationen der Opposition nicht vor, was für Minsker Verhältnisse unüblich ist. Das spricht womöglich dafür, dass die Proteste den Rücken von Präsident Lukaschenko bei den schweren Verhandlungen stärken. Dieser ist wirtschaftlich an Öllieferungen, einem vergleichbar geringen Gaspreis und dem Zugang zum russischen Markt interessiert und muss gleichzeitig aufpassen, dass Russland nicht zu viel politische Kontrolle über Belarus übernimmt.
Ein ganz besonderes Verhältnis
Auf jeden Fall sind aber die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Minsk und Moskau schon jetzt einmalig. 2018 hat Belarus von Russland etwa Subventionen im Gas- und Ölbereich in der Größe von zwölf Prozent des BIP erhalten. Außerdem ist Russland der größte Kreditgeber von Belarus und besitzt rund 38 Prozent der belarussischen Staatsschulden. Darüber hinaus sind 38 Prozent der belarussischen Ausfuhren nach Russland gerichtet – und die Ölausfuhr in andere Länder, etwa ein Drittel der belarussischen Ausfuhr, ist direkt von den Lieferungen Moskaus abhängig. Eine Alternative existiert für Minsk also nicht. Es geht nicht um die neuen Wege, vielmehr gilt es für Belarus, die bereits existierenden besser zu nutzen.
Wenn man den belarussischen Normalverbraucher fragt, ob er positive Veränderungen durch die Eurasische Wirtschaftsunion bemerkt hat, wird die Antwort nicht immer eindeutig ausfallen. „Für den einfachen belarussischen Staatsbürger ist die Union vor allem ein Arbeitsmarkt, die Möglichkeit, sich in einem anderen Land der Union zu beschäftigen“, sagt Alexej Mazewilo vom belarussischen Wirtschaftsministerium. „Und durch den Unionsstaat zwischen Belarus und Russland hat er diese Möglichkeit schon längst, da hat sich für Armenien und Kirgisistan mehr verändert.“
Doch im Wirtschaftsbereich sieht die Ausgangslage entscheidend anders aus. Denn Belarus ist das einzige EAWU-Land, das mit anderen Ländern der Union mehr handelt als mit Drittstaaten. Von daher profitiert die belarussische Wirtschaft doch enorm von der Union, auch wenn der größte Warenverkehr natürlich mit Russland stattfindet. „Einige stellen die Frage, warum wir die Union brauchen, wenn es internationale Handelsregeln und die Welthandelsorganisation WTO gibt? Wenn wir Probleme mit den Lieferungen in die Unionsländer haben, klären wir diese innerhalb von wenigen Monaten. In der WTO dauern die gleichen Prozesse mindestens Jahre. Und sogar wenn man dann erfolgreich ist, bedeutet das selten, dass alle Handelsbarrieren behoben werden“, meint Mazewilo.
Protektionismus ist kein Fremdwort
Insgesamt hat Russland 2018 nach Angaben der belarussischen Statistikbehörde Belstat umgerechnet 3,5 Milliarden US-Dollar mehr Waren als im Vorjahr geliefert, Belarus konnte seine Lieferungen ins Nachbarland jedoch nur um etwas mehr als 50 Milliarden US-Dollar steigern. „Diese Entwicklung ist den protektionistischen Maßnahmen geschuldet, die russische Behörden im eigenen Interesse bewilligen, ohne auf die Wirtschaftskommission der Union Rücksicht zu nehmen“, heißt es in Minsk. Etwa für die Milchproduktion aus Belarus wurden zuletzt unangenehme Begrenzungen eingeführt.
Und so ist es auch mit Blick auf die erweiterte Integration zwischen Russland und Belarus verständlich, wenn Alexander Lukaschenko zwar die Eurasische Union ausdrücklich lobt, aber dennoch einige Bedenken äußert. „Wichtig ist, dass die Union sich bewährt hat. Das haben viele Länder der Welt bemerkt, die mit uns kooperieren wollen“, sagte der belarussische Präsident. „Aber es gibt viele Probleme, die nicht existieren sollten, vor allem die ganzen Barrieren.“ Lukaschenko meint dabei vor allem, dass die Unternehmen aller Mitgliedsländer die gleiche Ausgangsposition haben sollten: „Ein stärkeres Land sollte nicht die besseren Bedingungen nur für seine eigenen Unternehmen schaffen. Wenn wir schon eine Union gründen, sollten wir uns schon gemeinsam nach vorne bewegen.“ Dass Lukaschenko unter dem „stärkeren Land“ Russland meint, muss wohl nicht extra erklärt werden.