Durch unzureichende Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft könnte die russische Regierung die Folgen der Corona-Pandemie unnötig verlängern.
Noch ist es zu früh, um das wirtschaftliche Ausmaß des Corona-Lockdowns abschließend zu beurteilen, da immer noch nicht klar ist, wie lange die Quarantäne und die damit verbundenen restriktiven Maßnahmen andauern werden. Präsident Putin hat diese Entscheidung den Regionalregierungen überlassen und von der medizinischen Situation vor Ort abhängig gemacht.
Trotz der Ankündigung von Anfang dieser Woche die sogenannte arbeitsfreie Zeit ab dem 12. Mai offiziell zu beenden, sieht es aktuell nicht nach einer schnellen Aufhebung der Quarantäne aus. Doch was bedeutet dies für die russische Wirtschaft und wie wirksam sind die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen?
Staatliche Unterstützung unzureichend
Um der schwächelnden Wirtschaft unter die Arme zu greifen, hat die russische Regierung in den letzten Tagen und Wochen ihre Anti-Krisen-Maßnahmen verstärkt. Zuletzt schlug der Präsident zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung von Familien mit Kindern vor, darunter Einmalzahlungen für jedes Kind von drei bis einschließlich 15 Jahren. Dies sind Schritte in die richtige Richtung. Dennoch sind diese nach Ansicht der meisten Experten immer noch unzureichend. So hat Moskau nur rund 2,5 Prozent des BIP für die Unterstützung von Unternehmen und Bürgern in die Hand genommen, während in Westeuropa und den USA 15 bis 30 Prozent des BIP für Hilfsmaßnahmen freigegeben werden. Die Unterstützung der russischen Regierung für die Unternehmen beschränkt sich zudem fast ausschließlich auf Steuer- und Krediterleichterungen sowie Zahlungsstundungen, obwohl die Unternehmen auch auf direkte finanzielle Hilfen angewiesen sind – um Gehälter auszahlen und Arbeitsplätze erhalten zu können.
Gleichzeitig scheitern viele in der Theorie sinnvolle Maßnahmen in der Praxis an einer übermäßigen Bürokratie. Zum Beispiel kann die von Präsident Putin vorgeschlagene und durchaus sinnvolle Maßnahme, ein spezielles Kreditprogramm zur Auszahlungen von Gehaltszahlungen aufzusetzen, nur unter Einschränkungen umgesetzt werden. Der Erhalt von Darlehen ist an viele Bedingungen geknüpft wie etwa den Erhalt von mindestens 80 Prozent aller Arbeitsplätze. Auch werden die Darlehen auf der Grundlage des russischen Mindestlohns (gut 12.000 Rubel oder 150 Euro) und nicht auf der Grundlage der tatsächlichen Gehälter in den Unternehmen berechnet. Infolgedessen kann in der Praxis nur ein Bruchteil der Unternehmen von den versprochenen Krediten profitieren. Viele beantragen diesen auch gar nicht erst, weil sie die komplizierten Rückzahlungsmodalitäten nicht verstehen.
Rezession ja, aber wie stark?
Eines ist klar: Russlands Wirtschaftsleistung wird 2020 definitiv schrumpfen. Sowohl regierungsnahe als auch unabhängige Experten unterscheiden sich allein in der Einschätzung von Tiefe und Dauer des Einschnittes. So prognostiziert die russische Zentralbank einen Rückgang des BIP um 4,6 Prozent. Der IWF dagegen einen Rückgang um 5,5 Prozent. Viele weitere Experten, inklusive des Vorsitzenden der russischen Rechnungshof Alexej Kudrin, gehen sogar von einem Rückgang des BIP in Höhe von zehn Prozent oder mehr aus. Auch ich teile diese Einschätzung, weil auch die Arbeitslosigkeit auf mehr als zehn Prozent ansteigen könnte. Gegenwärtig sind in Russland nach Regierungsangaben über 1,4 Millionen Arbeitslose registriert, doppel so viele wie im Vormonat. So wird der Rückgang der persönlichen Einkommen unweigerlich zu einem Rückgang der Verbrauchernachfrage führen, dessen Folge eine verlangsamte Erholung nach Aufhebung der Quarantänebeschränkungen ist.
Aufgrund der fehlenden Intensität der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen ist zu befürchten, dass insbesondere viele kleine und mittlere Unternehmen komplett vom Markt verschwinden könnten. Die Kleinunternehmer werden ihr Geschäft schlicht und einfach aufgeben und wieder in Angestelltenverhältnisse wechseln, weil sie sehen, dass zum Beispiel diejenigen, die im öffentlichen Sektor tätig sind, aktuell in einer viel besseren Position sind als Selbstständige. Dieser Trend wird sich unweigerlich auf die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung nach der Krise auswirken. Wenn ein Unternehmen die Krise überlebt hat, dann wird es nach der Normalisierung der Situation und der Erholung der Nachfrage seinen Umsatz wieder steigern. Wenn viele Unternehmen jedoch vom Markt verschwinden, wird auch die Phase der Erholung viel länger dauern.
Meiner Einschätzung nach wird die Kombination aus einer zyklischen Rezession der Weltwirtschaft, einem dramatischen Rückgang der für die russische Wirtschaft lebenswichtigen Preise und der Nachfrage nach fossilen Rohstoffen sowie den Folgen der Quarantänebeschränkungen dazu führen, dass die derzeitige Krise tiefer und länger andauern wird als die letzte Krise in den Jahren 2008 bis 2009. Wenn die restriktiven Maßnahmen verlängert werden und die staatliche Unterstützung nicht um ein Vielfaches erhöht wird, könnte die Krise noch mehrere Jahre andauern.
Nechaev analysiert: Russische Wirtschaft nach der Pandemie
Durch unzureichende Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft könnte die russische Regierung die Folgen der Corona-Pandemie unnötig verlängern.
Noch ist es zu früh, um das wirtschaftliche Ausmaß des Corona-Lockdowns abschließend zu beurteilen, da immer noch nicht klar ist, wie lange die Quarantäne und die damit verbundenen restriktiven Maßnahmen andauern werden. Präsident Putin hat diese Entscheidung den Regionalregierungen überlassen und von der medizinischen Situation vor Ort abhängig gemacht.
Trotz der Ankündigung von Anfang dieser Woche die sogenannte arbeitsfreie Zeit ab dem 12. Mai offiziell zu beenden, sieht es aktuell nicht nach einer schnellen Aufhebung der Quarantäne aus. Doch was bedeutet dies für die russische Wirtschaft und wie wirksam sind die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen?
Staatliche Unterstützung unzureichend
Um der schwächelnden Wirtschaft unter die Arme zu greifen, hat die russische Regierung in den letzten Tagen und Wochen ihre Anti-Krisen-Maßnahmen verstärkt. Zuletzt schlug der Präsident zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung von Familien mit Kindern vor, darunter Einmalzahlungen für jedes Kind von drei bis einschließlich 15 Jahren. Dies sind Schritte in die richtige Richtung. Dennoch sind diese nach Ansicht der meisten Experten immer noch unzureichend. So hat Moskau nur rund 2,5 Prozent des BIP für die Unterstützung von Unternehmen und Bürgern in die Hand genommen, während in Westeuropa und den USA 15 bis 30 Prozent des BIP für Hilfsmaßnahmen freigegeben werden. Die Unterstützung der russischen Regierung für die Unternehmen beschränkt sich zudem fast ausschließlich auf Steuer- und Krediterleichterungen sowie Zahlungsstundungen, obwohl die Unternehmen auch auf direkte finanzielle Hilfen angewiesen sind – um Gehälter auszahlen und Arbeitsplätze erhalten zu können.
Gleichzeitig scheitern viele in der Theorie sinnvolle Maßnahmen in der Praxis an einer übermäßigen Bürokratie. Zum Beispiel kann die von Präsident Putin vorgeschlagene und durchaus sinnvolle Maßnahme, ein spezielles Kreditprogramm zur Auszahlungen von Gehaltszahlungen aufzusetzen, nur unter Einschränkungen umgesetzt werden. Der Erhalt von Darlehen ist an viele Bedingungen geknüpft wie etwa den Erhalt von mindestens 80 Prozent aller Arbeitsplätze. Auch werden die Darlehen auf der Grundlage des russischen Mindestlohns (gut 12.000 Rubel oder 150 Euro) und nicht auf der Grundlage der tatsächlichen Gehälter in den Unternehmen berechnet. Infolgedessen kann in der Praxis nur ein Bruchteil der Unternehmen von den versprochenen Krediten profitieren. Viele beantragen diesen auch gar nicht erst, weil sie die komplizierten Rückzahlungsmodalitäten nicht verstehen.
Rezession ja, aber wie stark?
Eines ist klar: Russlands Wirtschaftsleistung wird 2020 definitiv schrumpfen. Sowohl regierungsnahe als auch unabhängige Experten unterscheiden sich allein in der Einschätzung von Tiefe und Dauer des Einschnittes. So prognostiziert die russische Zentralbank einen Rückgang des BIP um 4,6 Prozent. Der IWF dagegen einen Rückgang um 5,5 Prozent. Viele weitere Experten, inklusive des Vorsitzenden der russischen Rechnungshof Alexej Kudrin, gehen sogar von einem Rückgang des BIP in Höhe von zehn Prozent oder mehr aus. Auch ich teile diese Einschätzung, weil auch die Arbeitslosigkeit auf mehr als zehn Prozent ansteigen könnte. Gegenwärtig sind in Russland nach Regierungsangaben über 1,4 Millionen Arbeitslose registriert, doppel so viele wie im Vormonat. So wird der Rückgang der persönlichen Einkommen unweigerlich zu einem Rückgang der Verbrauchernachfrage führen, dessen Folge eine verlangsamte Erholung nach Aufhebung der Quarantänebeschränkungen ist.
Aufgrund der fehlenden Intensität der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen ist zu befürchten, dass insbesondere viele kleine und mittlere Unternehmen komplett vom Markt verschwinden könnten. Die Kleinunternehmer werden ihr Geschäft schlicht und einfach aufgeben und wieder in Angestelltenverhältnisse wechseln, weil sie sehen, dass zum Beispiel diejenigen, die im öffentlichen Sektor tätig sind, aktuell in einer viel besseren Position sind als Selbstständige. Dieser Trend wird sich unweigerlich auf die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung nach der Krise auswirken. Wenn ein Unternehmen die Krise überlebt hat, dann wird es nach der Normalisierung der Situation und der Erholung der Nachfrage seinen Umsatz wieder steigern. Wenn viele Unternehmen jedoch vom Markt verschwinden, wird auch die Phase der Erholung viel länger dauern.
Meiner Einschätzung nach wird die Kombination aus einer zyklischen Rezession der Weltwirtschaft, einem dramatischen Rückgang der für die russische Wirtschaft lebenswichtigen Preise und der Nachfrage nach fossilen Rohstoffen sowie den Folgen der Quarantänebeschränkungen dazu führen, dass die derzeitige Krise tiefer und länger andauern wird als die letzte Krise in den Jahren 2008 bis 2009. Wenn die restriktiven Maßnahmen verlängert werden und die staatliche Unterstützung nicht um ein Vielfaches erhöht wird, könnte die Krise noch mehrere Jahre andauern.
Andrey Nechaev, Ex-Wirtschaftsminister