Seit bald sechs Jahren ist das Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz in Kraft. Wie haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern bisher entwickelt, und was bringt die Zukunft?
Die Schweiz war eines der ersten westlichen Länder, die die Volksrepublik China 1950 anerkannten. Und auch beim Freihandel mit China nahm die Schweiz eine Vorreiterrolle ein: 2013 wurde das entsprechende Abkommen feierlich durch den chinesischen Handelsminister Gao Hucheng und Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Peking unterzeichnet. Damit war die Schweiz das zweite europäische Land nach Island, das ein solches Abkommen mit China verhandelte, und das erste europäische Land, das ein Freihandelsabkommen mit China unterzeichnete. Am 1. Juli 2014 trat es in Kraft. Seit mittlerweile knapp sechs Jahren besteht dieser Vertrag zwischen den beiden Ländern, der den Waren- und Dienstleistungsverkehr, nichttarifäre Handelshemmnisse, den Schutz des geistigen Eigentums sowie Handel und nachhaltige Entwicklung regelt. Ein guter Grund, um einen Blick zurückzuwerfen.
Freihandelsabkommen hat Früchte getragen China ist nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und war schon vor dem Freihandelsabkommen ein wichtiger Handelspartner der Schweiz. Seit 2010 ist China der drittwichtigste Handelspartner unseres Landes, nach der EU und den USA. Seit der Einführung des Abkommens hat sich der wirtschaftliche Austausch mit China sehr positiv und besser entwickelt als mit vergleichbaren Handelspartnern. Die Importe sind von 11.431 Millionen Franken im Jahr 2013 um 26 Prozent auf 14.437 Millionen Franken im Jahr 2018 gestiegen. Im gleichen Zeitraum schwankte die Höhe der Importe aus der EU relativ stark und erreichte 2018 einen um rund 20 Prozent niedrigeren Wert als 2013. Die Importmenge aus der EU war 2013 allerdings außergewöhnlich hoch, die Höhe der Importe 2018 ist vergleichbar mit derjenigen 2012 und 2014.
Bei den Exporten nahm der Handel mit China ebenfalls stärker zu als derjenige mit der EU. Mit China wuchs er zwischen 2013 und 2018 um 52 Prozent, mit der EU im gleichen Zeitraum um fünf Prozent. Auch in absoluten Zahlen verzeichneten die Exporte nach China einen größeren Zuwachs als diejenigen in die EU. Die EU ist weiterhin mit sehr großem Abstand der wichtigste Handelspartner der Schweiz, was nicht verwunderlich ist für ein kleines, exportorientiertes Land mitten in Europa. Allerdings nehmen die Beziehungen mit China auch in absoluten Zahlen stärker zu als diejenigen mit der EU. Bei den Exporten stieg nur der Handel mit den USA stärker an. Bei der Entwicklung des Gesamthandels hat China aber die Nase vorn. Das neue Freihandelsabkommen hat also Früchte getragen. Natürlich stiegen die Handelsmengen mit China auch davor schon an. Der kontinuierliche weitere Anstieg fiel jedoch in eine Zeit, in der die Gesamtimport- und -exportmengen schwankten und beide 2018 niedriger waren als 2013. Daher können wir mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich die Handelsbeziehungen mit China ohne das Freihandelsabkommen weniger positiv entwickelt hätten.
Blick in die Zukunft Dieses Abkommen brachte also deutliche Vorteile für beide Seiten. Seither wurden zudem weitere Kooperationsmaßnahmen vereinbart. So unterzeichneten beide Länder im April 2019 ein Memorandum of Understanding, in dem sie den Wunsch nach einer Stärkung der Zusammenarbeit bei Projekten in Drittstaaten ausdrücken. Parallel dazu wird geprüft, wie das Freihandelsabkommen in Zukunft ausgebaut und verbessert werden kann.
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern soll in Zukunft verstärkt werden. Schweizerische Unternehmen sollen künftig mehr Möglichkeiten erhalten, sich bei Projekten einzubringen. So soll beispielsweise der Zugang von schweizerischen Unternehmen zu Großprojekten im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) erleichtert und verschiedene Kooperationsplattformen geschaffen werden. Insbesondere ist eine „BRI Competence Building Platform“ in der Schweiz geplant, die es ermöglichen soll, dass Unternehmen und andere Akteure aus der Schweiz, aus China und den involvierten Drittstaaten einfacher Informationen zu konkreten Projekten erhalten und sich entsprechend einbringen können. Das ist eine große Chance für schweizerische Firmen, auch in Zukunft weitere derartige Aufträge zu erhalten.
Die Neue Seidenstraße, wie die „Belt and Road“ auch genannt wird, ist eines der spannendsten und vor allem umfangreichsten aktuellen Projekte. Damit verbunden sind umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur, um den Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen China und dem Rest der Welt zu vereinfachen. Dabei werden digitale und physische Wege auf- und ausgebaut, um Kommunikation und Transport zu erleichtern. Die Belt and Road Initiative wird die Beziehung zwischen der Schweiz und China vertiefen. Dabei ist wichtig, dass die Schweiz weiterhin auf Augenhöhe mit China verhandelt und so internationale Standards auch in Projekten in anderen Ländern angewandt werden.
Eine schweizerische Beteiligung an Großprojekten ist in mehrfacher Hinsicht von Vorteil für die Schweiz. Zum einen werden Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen. Des Weiteren kann sich die Schweiz bei konkreten Projekten in Schwellenländern einsetzen, die die dortige Wirtschaft unterstützen. Ein Ausbau der Infrastruktur in Schwellenländern ist ein nachhaltiger und längerfristiger Weg, um den Lebensstandard vor Ort zu erhöhen. Deshalb ist es für die Schweiz besonders sinnvoll, sich aktiv zu engagieren. Zudem können beteiligte Schweizer Unternehmen wertvolle Beziehungen knüpfen, was ein späteres Engagement in China erleichtern kann.
Das Freihandelsabkommen hat uns bisher gute Dienste erwiesen und die schweizerisch-chinesischen Beziehungen gestärkt. Damit es auch in Zukunft seinen Zweck erfüllt, sollte es regelmäßig auf seine Wirksamkeit und Aktualität überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Deshalb sind die aktuellen Untersuchungen für ein allfälliges Upgrade äußerst sinnvoll. Sie sollten aufzeigen, wie das Abkommen noch verbessert und fit für die Zukunft gemacht werden kann.
Die Coronakrise unterstreicht, wie wichtig langfristige und gute Wirtschaftsbeziehungen sind. Nachdem die chinesische Produktion Anfang 2020 stark ins Stocken geraten war, zeigten sich bei gewissen Produkten in der Schweiz rasch Lieferengpässe. Dank der guten Beziehungen konnten in dieser schwierigen Situation meist Lösungen gefunden werden. Es ist gut möglich, dass sich international operierende Unternehmen künftig breiter aufstellen, zum Beispiel indem sie Redundanzen in ihre Lieferketten einbauen – sich also nicht nur auf einen Lieferanten verlassen, sondern in mehreren Ländern oder auf verschiedenen Kontinenten produktionswichtige Vorprodukte beziehen.
Wenn Vorprodukte nur in China vorhanden sind und die Produktion dort stillsteht, macht sich dies unmittelbar in der Schweiz bemerkbar. Die Coronakrise hat aber auch großes Schadenspotenzial für den Welthandel. Länder könnten versucht sein, die Versorgung der eigenen Wirtschaft und Bevölkerung durch eine stärkere Abschottung sicherzustellen. Wenn das viele Länder tun, hätte das fatale Folgen für den weltweiten Wohlstand.
China ist wie auch die Schweiz ein stark exportorientierter Wirtschaftsstandort. Beide Länder haben somit ein großes Interesse an einem möglichst guten Zugang zu den internationalen Märkten. Aus Sicht der Schweiz sind daher die Liberalisierungsschritte Chinas in den vergangenen Jahren von großer Bedeutung. So hat China etwa seinen Markt jüngst etwas stärker für ausländische Finanzdienstleister geöffnet. Die Schweizer Wirtschaft ist überzeugt, dass diese Öffnung weitergeht. Und gerade deshalb sollten sich beide Länder auch dafür einsetzen, dass die WTO künftig wieder handlungsfähig ist.
Rudolf Minsch ist Chefökonom bei economiesuisse. | rudolf.minsch@economiesuisse.ch | www.economiesuisse.ch
Florence Mauli ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei economiesuisse. | florence.mauli@economiesuisse.ch
Sechs Jahre Freihandel – Rückblick und Ausblick
Seit bald sechs Jahren ist das Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz in Kraft. Wie haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern bisher entwickelt, und was bringt die Zukunft?
Die Schweiz war eines der ersten westlichen Länder, die die Volksrepublik China 1950 anerkannten. Und auch beim Freihandel mit China nahm die Schweiz eine Vorreiterrolle ein: 2013 wurde das entsprechende Abkommen feierlich durch den chinesischen Handelsminister Gao Hucheng und Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Peking unterzeichnet. Damit war die Schweiz das zweite europäische Land nach Island, das ein solches Abkommen mit China verhandelte, und das erste europäische Land, das ein Freihandelsabkommen mit China unterzeichnete. Am 1. Juli 2014 trat es in Kraft. Seit mittlerweile knapp sechs Jahren besteht dieser Vertrag zwischen den beiden Ländern, der den Waren- und Dienstleistungsverkehr, nichttarifäre Handelshemmnisse, den Schutz des geistigen Eigentums sowie Handel und nachhaltige Entwicklung regelt. Ein guter Grund, um einen Blick zurückzuwerfen.
Freihandelsabkommen hat Früchte getragen
China ist nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und war schon vor dem Freihandelsabkommen ein wichtiger Handelspartner der Schweiz. Seit 2010 ist China der drittwichtigste Handelspartner unseres Landes, nach der EU und den USA. Seit der Einführung des Abkommens hat sich der wirtschaftliche Austausch mit China sehr positiv und besser entwickelt als mit vergleichbaren Handelspartnern. Die Importe sind von 11.431 Millionen Franken im Jahr 2013 um 26 Prozent auf 14.437 Millionen Franken im Jahr 2018 gestiegen. Im gleichen Zeitraum schwankte die Höhe der Importe aus der EU relativ stark und erreichte 2018 einen um rund 20 Prozent niedrigeren Wert als 2013. Die Importmenge aus der EU war 2013 allerdings außergewöhnlich hoch, die Höhe der Importe 2018 ist vergleichbar mit derjenigen 2012 und 2014.
Bei den Exporten nahm der Handel mit China ebenfalls stärker zu als derjenige mit der EU. Mit China wuchs er zwischen 2013 und 2018 um 52 Prozent, mit der EU im gleichen Zeitraum um fünf Prozent. Auch in absoluten Zahlen verzeichneten die Exporte nach China einen größeren Zuwachs als diejenigen in die EU. Die EU ist weiterhin mit sehr großem Abstand der wichtigste Handelspartner der Schweiz, was nicht verwunderlich ist für ein kleines, exportorientiertes Land mitten in Europa. Allerdings nehmen die Beziehungen mit China auch in absoluten Zahlen stärker zu als diejenigen mit der EU. Bei den Exporten stieg nur der Handel mit den USA stärker an. Bei der Entwicklung des Gesamthandels hat China aber die Nase vorn. Das neue Freihandelsabkommen hat also Früchte getragen. Natürlich stiegen die Handelsmengen mit China auch davor schon an. Der kontinuierliche weitere Anstieg fiel jedoch in eine Zeit, in der die Gesamtimport- und -exportmengen schwankten und beide 2018 niedriger waren als 2013. Daher können wir mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich die Handelsbeziehungen mit China ohne das Freihandelsabkommen weniger positiv entwickelt hätten.
Blick in die Zukunft
Dieses Abkommen brachte also deutliche Vorteile für beide Seiten. Seither wurden zudem weitere Kooperationsmaßnahmen vereinbart. So unterzeichneten beide Länder im April 2019 ein Memorandum of Understanding, in dem sie den Wunsch nach einer Stärkung der Zusammenarbeit bei Projekten in Drittstaaten ausdrücken. Parallel dazu wird geprüft, wie das Freihandelsabkommen in Zukunft ausgebaut und verbessert werden kann.
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern soll in Zukunft verstärkt werden. Schweizerische Unternehmen sollen künftig mehr Möglichkeiten erhalten, sich bei Projekten einzubringen. So soll beispielsweise der Zugang von schweizerischen Unternehmen zu Großprojekten im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) erleichtert und verschiedene Kooperationsplattformen geschaffen werden. Insbesondere ist eine „BRI Competence Building Platform“ in der Schweiz geplant, die es ermöglichen soll, dass Unternehmen und andere Akteure aus der Schweiz, aus China und den involvierten Drittstaaten einfacher Informationen zu konkreten Projekten erhalten und sich entsprechend einbringen können. Das ist eine große Chance für schweizerische Firmen, auch in Zukunft weitere derartige Aufträge zu erhalten.
Die Neue Seidenstraße, wie die „Belt and Road“ auch genannt wird, ist eines der spannendsten und vor allem umfangreichsten aktuellen Projekte. Damit verbunden sind umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur, um den Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen China und dem Rest der Welt zu vereinfachen. Dabei werden digitale und physische Wege auf- und ausgebaut, um Kommunikation und Transport zu erleichtern. Die Belt and Road Initiative wird die Beziehung zwischen der Schweiz und China vertiefen. Dabei ist wichtig, dass die Schweiz weiterhin auf Augenhöhe mit China verhandelt und so internationale Standards auch in Projekten in anderen Ländern angewandt werden.
Eine schweizerische Beteiligung an Großprojekten ist in mehrfacher Hinsicht von Vorteil für die Schweiz. Zum einen werden Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen. Des Weiteren kann sich die Schweiz bei konkreten Projekten in Schwellenländern einsetzen, die die dortige Wirtschaft unterstützen. Ein Ausbau der Infrastruktur in Schwellenländern ist ein nachhaltiger und längerfristiger Weg, um den Lebensstandard vor Ort zu erhöhen. Deshalb ist es für die Schweiz besonders sinnvoll, sich aktiv zu engagieren. Zudem können beteiligte Schweizer Unternehmen wertvolle Beziehungen knüpfen, was ein späteres Engagement in China erleichtern kann.
Das Freihandelsabkommen hat uns bisher gute Dienste erwiesen und die schweizerisch-chinesischen Beziehungen gestärkt. Damit es auch in Zukunft seinen Zweck erfüllt, sollte es regelmäßig auf seine Wirksamkeit und Aktualität überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Deshalb sind die aktuellen Untersuchungen für ein allfälliges Upgrade äußerst sinnvoll. Sie sollten aufzeigen, wie das Abkommen noch verbessert und fit für die Zukunft gemacht werden kann.
Die Coronakrise unterstreicht, wie wichtig langfristige und gute Wirtschaftsbeziehungen sind. Nachdem die chinesische Produktion Anfang 2020 stark ins Stocken geraten war, zeigten sich bei gewissen Produkten in der Schweiz rasch Lieferengpässe. Dank der guten Beziehungen konnten in dieser schwierigen Situation meist Lösungen gefunden werden. Es ist gut möglich, dass sich international operierende Unternehmen künftig breiter aufstellen, zum Beispiel indem sie Redundanzen in ihre Lieferketten einbauen – sich also nicht nur auf einen Lieferanten verlassen, sondern in mehreren Ländern oder auf verschiedenen Kontinenten produktionswichtige Vorprodukte beziehen.
Wenn Vorprodukte nur in China vorhanden sind und die Produktion dort stillsteht, macht sich dies unmittelbar in der Schweiz bemerkbar. Die Coronakrise hat aber auch großes Schadenspotenzial für den Welthandel. Länder könnten versucht sein, die Versorgung der eigenen Wirtschaft und Bevölkerung durch eine stärkere Abschottung sicherzustellen. Wenn das viele Länder tun, hätte das fatale Folgen für den weltweiten Wohlstand.
China ist wie auch die Schweiz ein stark exportorientierter Wirtschaftsstandort. Beide Länder haben somit ein großes Interesse an einem möglichst guten Zugang zu den internationalen Märkten. Aus Sicht der Schweiz sind daher die Liberalisierungsschritte Chinas in den vergangenen Jahren von großer Bedeutung. So hat China etwa seinen Markt jüngst etwas stärker für ausländische Finanzdienstleister geöffnet. Die Schweizer Wirtschaft ist überzeugt, dass diese Öffnung weitergeht. Und gerade deshalb sollten sich beide Länder auch dafür einsetzen, dass die WTO künftig wieder handlungsfähig ist.
Rudolf Minsch ist Chefökonom bei economiesuisse. | rudolf.minsch@economiesuisse.ch | www.economiesuisse.ch
Florence Mauli ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei economiesuisse. | florence.mauli@economiesuisse.ch
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 2-2020 erschienen.