Die interkulturelle Zusammenarbeit zwischen Partnern in Deutschland und China war noch nie leicht. Doch in dieser schwierigen Zeit mit Reisebeschränkungen und der Verlagerung der Kommunikation auf Onlinetools wird sie zu einer echten Herausforderung.
Zum Vertriebsmeeting nach Shanghai fliegen, im
Anschluss daran mit den chinesischen Geschäftspartnern essen gehen – das war
leider gestern. Heute kann man sich höchstens lächelnd vor dem Display
gegenübersitzen. Wie aber funktioniert die Vertrauensbildung mit chinesischen
Geschäftspartnern und Kollegen, wenn nur virtuelle Kanäle zur Verfügung stehen?
Das Gefühl des Vertrauens kann sowohl vom Kopf als auch vom Herzen kommen. Während Vertrauen für die meisten deutschen Manager Kompetenz und Zuverlässigkeit bedeutet – also ein Vertrauen vom Kopf her – empfinden Chinesen Vertrauen eher vom Herzen. Hier kommt das große Schlagwort Guanxi ins Spiel. Guanxi (关系) ist das chinesische Wort für „Beziehung“, und eine solche Beziehung soll aufgebaut und später auch aufrechterhalten werden. Der erste Schritt dabei besteht vor allem darin, sein persönliches Interesse am Gegenüber zu zeigen. Der chinesische Counterpart möchte nicht nur als GESCHÄFTS-Partner, sondern auch als Geschäfts-PARTNER gesehen werden.
Emotionale Nähe schaffen
Warum sollte man
sich bei virtuellen Meetings also anders verhalten als bei einem realen
Treffen? Wie in der Präsenz besteht auch virtuell die Möglichkeit, seinem
Gegenüber diese Fürsorge zu vermitteln, zum Beispiel durch einen digitalen
Plausch (Digital Tea / Coffee Talk) zu Beginn des Onlinemeetings.
Auch das Thematisieren von Gemeinsamkeiten und
Verbundenheit kommt beim chinesischen Gegenüber gut an. Schließlich waren wir
weltweit fast noch nie so verbunden miteinander wie jetzt in dieser von den
Folgen der Coronapandemie geprägten Zeit. Indem Sie trotz der geografischen
Distanz eine emotionale Nähe zu Ihrem chinesischen Geschäftspartner oder
Kollegen herstellen, schaffen Sie gleich zu Beginn die Schlüsselvoraussetzung
für ein erfolgreiches Gespräch.
Sprachbarrieren umschiffen
In virtuellen Kommunikationssituationen ist es
allerdings nicht einfach, die Stimmung des Gegenübers einzufangen. Während
Körpersprache im Präsenzmeeting ohne Frage eine wichtige Facette der
nonverbalen Kommunikation darstellt, lässt sie sich mittels Laptopkamera kaum
nutzen beziehungsweise adäquat beobachten. Daher verlagert sich das
Schwergewicht der Kommunikation in Onlinemeetings fast voll und ganz auf die
sprachlichen Fertigkeiten der Teilnehmer. Die Sprachbarriere wird nun zu einer
noch größeren Hürde.
Aufgrund der Ausbildungssysteme verfügen zahlreiche
Chinesen über viel bessere Fremdsprachenkenntnisse in den Bereichen Schreiben
und Lesen. Ihre Fertigkeiten im verstehenden Hören und Sprechen sind weniger
gut ausgeprägt. In dieser Situation kann eine etwas ausführlichere Agenda, die
wichtige Stichwörter beziehungsweise Kerninhalte umfasst, als schriftliche Vorbereitung
auf das Onlinemeeting enorm helfen. So haben Ihre Gesprächspartner die
Möglichkeit, unbekannte Wörter oder Inhalte vorab nachzuschlagen oder zu
besprechen. Während eines Meetings zuzugeben, dass man etwas inhaltlich nicht
verstanden hat, kommt eher selten vor. Chinesischen Gesprächspartnern steht
dabei oft eine große Scham im Wege. Das Schamgefühl wird in China kulturell
zudem anders empfunden als hier, und es ist daher auch in virtuellen Meetings
der Grund für viele Missverständnisse.
Soll mithilfe eines Dolmetschers kommuniziert
werden, ist die schriftliche Vorbereitung umso wichtiger. Der Dolmetscher oder
der Kollege, der als Dolmetscher fungiert, möchte sich vorab in der Regel mit
der Terminologie vertraut machen. Und er ist mit Sicherheit auch daran
interessiert, vor seinen Kollegen oder sogar seinem Chef gut (vorbereitet)
auszusehen.
Unterschiede im Kommunikationsstil
Deutsche und
Chinesen pflegen bekanntlich unterschiedliche Kommunikationsstile. Während die
Deutschen „richtiges Kommunizieren“ meist damit gleichsetzen, dass Sachverhalte
richtig – also klar und deutlich – ausgedrückt und die entsprechenden
Fachtermini verwandt werden, geht es bei den Chinesen darüber hinaus auch um
das richtige (Zu)-Hören. Dem „Hören zwischen den Zeilen“ kommt virtuell eine
noch größere Rolle zu als in Präsenzmeetings. Diesen Stil hat Zhuangzi (庄子), einer der
herausragenden Philosophen der chinesischen Geschichte, bereits vor mehr als
zweitausend Jahren so beschrieben: 只可意会,不可言传
– „Mit dem Herzen zuhören und so herausfinden,
wofür der andere keine Worte hat.“
Achten Sie im Onlinemeeting also verstärkt darauf,
WIE die Botschaft kommuniziert wird, und nicht nur darauf, WAS gesagt wird.
Checklisten und Meetingkultur
Eine Checkliste im Vorfeld des Onlinemeetings abzuarbeiten ist unabdingbar, denn: Eine sorgfältige Vorbereitung und die Rahmenbedingungen des virtuellen Meetings entscheiden oft über dessen Erfolg. Zudem ist es bei virtuellen Meetings empfehlenswert, den Teilnehmerkreis zu beschränken. Zunächst sollte abgecheckt werden, ob beide Seiten die gleiche Erwartungshaltung verfolgen, denn: Austausch und Transparenz werden nicht überall automatisch als ein Ziel definiert. Dann gilt es herauszufinden, wie sich das hierarchische Verhältnis der Gesprächspartner gestaltet, da es großen Einfluss auf die Meinungsäußerung der chinesischen Seite hat. Drittens sollte dem Teilnehmerkreis Aufmerksamkeit geschenkt werden. Manchmal ist es besser, anstelle von Gruppenmeetings mehrere Vier-Augen-Meetings abzuhalten.
Nicht zuletzt ist es überlegenswert, ob bestimmte, insbesondere kritische Inhalte nicht besser in einer etwas lockereren Atmosphäre vermittelt werden sollten. Zu formale Vorgänge und die damit einhergehende Stimmung führen eher zu einem „Poker Face“-Effekt auf der chinesischen Seite. Versuchen Sie doch einfach einmal mit Ihren chinesischen Kollegen zu chatten, statt eine offizielle Videokonferenz einzuberufen. In China ist diese Form der Kommunikation weit verbreitet, und zwar nicht nur privat, sondern auch bei beruflichen Belangen.
Bei Begegnungen zwischen Deutschen und Chinesen hat
die Meetingkultur schon immer eine zentrale Stellung eingenommen, und stets
waren die Zusammentreffen auch durch interkulturelle Herausforderungen geprägt.
Sich auf Meetings und Verhandlungsrunden gut vorzubereiten und sich vorab zu
verdeutlichen, welcher kulturelle Hintergrund einzelne Handlungsweisen
beeinflusst, ist ohne Zweifel wichtig. Sich diesen Situationen dann bewusst zu
stellen bereichert die Zusammenarbeit enorm – das gilt auch für den Austausch
auf der virtuellen Ebene. Viel Erfolg!
Nan Li ist Inhaberin von China Agent und Mitglied im Vorstand des Chinaforums Bayern e. V. Als interkulturelle Trainerin und Coach berät sie seit mehr als 15 Jahren Fach- und Führungskräfte deutschsprachiger Firmen zu interkulturellen Fragestellungen zu China. info@chinaagent.de | www.chinaagent.de
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 3-2020 erschienen. In der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins erfahren Sie zudem, was sicherheitstechnisch bei Videokonferenzen mit Kollegen und Partnern in China beachtet werden sollte.
Auch virtuelle Meetings lassen sich meistern
Die interkulturelle Zusammenarbeit zwischen Partnern in Deutschland und China war noch nie leicht. Doch in dieser schwierigen Zeit mit Reisebeschränkungen und der Verlagerung der Kommunikation auf Onlinetools wird sie zu einer echten Herausforderung.
Zum Vertriebsmeeting nach Shanghai fliegen, im Anschluss daran mit den chinesischen Geschäftspartnern essen gehen – das war leider gestern. Heute kann man sich höchstens lächelnd vor dem Display gegenübersitzen. Wie aber funktioniert die Vertrauensbildung mit chinesischen Geschäftspartnern und Kollegen, wenn nur virtuelle Kanäle zur Verfügung stehen?
Das Gefühl des Vertrauens kann sowohl vom Kopf als auch vom Herzen kommen. Während Vertrauen für die meisten deutschen Manager Kompetenz und Zuverlässigkeit bedeutet – also ein Vertrauen vom Kopf her – empfinden Chinesen Vertrauen eher vom Herzen. Hier kommt das große Schlagwort Guanxi ins Spiel. Guanxi (关系) ist das chinesische Wort für „Beziehung“, und eine solche Beziehung soll aufgebaut und später auch aufrechterhalten werden. Der erste Schritt dabei besteht vor allem darin, sein persönliches Interesse am Gegenüber zu zeigen. Der chinesische Counterpart möchte nicht nur als GESCHÄFTS-Partner, sondern auch als Geschäfts-PARTNER gesehen werden.
Emotionale Nähe schaffen
Warum sollte man sich bei virtuellen Meetings also anders verhalten als bei einem realen Treffen? Wie in der Präsenz besteht auch virtuell die Möglichkeit, seinem Gegenüber diese Fürsorge zu vermitteln, zum Beispiel durch einen digitalen Plausch (Digital Tea / Coffee Talk) zu Beginn des Onlinemeetings.
Auch das Thematisieren von Gemeinsamkeiten und Verbundenheit kommt beim chinesischen Gegenüber gut an. Schließlich waren wir weltweit fast noch nie so verbunden miteinander wie jetzt in dieser von den Folgen der Coronapandemie geprägten Zeit. Indem Sie trotz der geografischen Distanz eine emotionale Nähe zu Ihrem chinesischen Geschäftspartner oder Kollegen herstellen, schaffen Sie gleich zu Beginn die Schlüsselvoraussetzung für ein erfolgreiches Gespräch.
Sprachbarrieren umschiffen
In virtuellen Kommunikationssituationen ist es allerdings nicht einfach, die Stimmung des Gegenübers einzufangen. Während Körpersprache im Präsenzmeeting ohne Frage eine wichtige Facette der nonverbalen Kommunikation darstellt, lässt sie sich mittels Laptopkamera kaum nutzen beziehungsweise adäquat beobachten. Daher verlagert sich das Schwergewicht der Kommunikation in Onlinemeetings fast voll und ganz auf die sprachlichen Fertigkeiten der Teilnehmer. Die Sprachbarriere wird nun zu einer noch größeren Hürde.
Aufgrund der Ausbildungssysteme verfügen zahlreiche Chinesen über viel bessere Fremdsprachenkenntnisse in den Bereichen Schreiben und Lesen. Ihre Fertigkeiten im verstehenden Hören und Sprechen sind weniger gut ausgeprägt. In dieser Situation kann eine etwas ausführlichere Agenda, die wichtige Stichwörter beziehungsweise Kerninhalte umfasst, als schriftliche Vorbereitung auf das Onlinemeeting enorm helfen. So haben Ihre Gesprächspartner die Möglichkeit, unbekannte Wörter oder Inhalte vorab nachzuschlagen oder zu besprechen. Während eines Meetings zuzugeben, dass man etwas inhaltlich nicht verstanden hat, kommt eher selten vor. Chinesischen Gesprächspartnern steht dabei oft eine große Scham im Wege. Das Schamgefühl wird in China kulturell zudem anders empfunden als hier, und es ist daher auch in virtuellen Meetings der Grund für viele Missverständnisse.
Soll mithilfe eines Dolmetschers kommuniziert werden, ist die schriftliche Vorbereitung umso wichtiger. Der Dolmetscher oder der Kollege, der als Dolmetscher fungiert, möchte sich vorab in der Regel mit der Terminologie vertraut machen. Und er ist mit Sicherheit auch daran interessiert, vor seinen Kollegen oder sogar seinem Chef gut (vorbereitet) auszusehen.
Unterschiede im Kommunikationsstil
Deutsche und Chinesen pflegen bekanntlich unterschiedliche Kommunikationsstile. Während die Deutschen „richtiges Kommunizieren“ meist damit gleichsetzen, dass Sachverhalte richtig – also klar und deutlich – ausgedrückt und die entsprechenden Fachtermini verwandt werden, geht es bei den Chinesen darüber hinaus auch um das richtige (Zu)-Hören. Dem „Hören zwischen den Zeilen“ kommt virtuell eine noch größere Rolle zu als in Präsenzmeetings. Diesen Stil hat Zhuangzi (庄子), einer der herausragenden Philosophen der chinesischen Geschichte, bereits vor mehr als zweitausend Jahren so beschrieben: 只可意会,不可言传 – „Mit dem Herzen zuhören und so herausfinden, wofür der andere keine Worte hat.“
Achten Sie im Onlinemeeting also verstärkt darauf, WIE die Botschaft kommuniziert wird, und nicht nur darauf, WAS gesagt wird.
Checklisten und Meetingkultur
Eine Checkliste im Vorfeld des Onlinemeetings abzuarbeiten ist unabdingbar, denn: Eine sorgfältige Vorbereitung und die Rahmenbedingungen des virtuellen Meetings entscheiden oft über dessen Erfolg. Zudem ist es bei virtuellen Meetings empfehlenswert, den Teilnehmerkreis zu beschränken.
Zunächst sollte abgecheckt werden, ob beide Seiten die gleiche Erwartungshaltung verfolgen, denn: Austausch und Transparenz werden nicht überall automatisch als ein Ziel definiert.
Dann gilt es herauszufinden, wie sich das hierarchische Verhältnis der Gesprächspartner gestaltet, da es großen Einfluss auf die Meinungsäußerung der chinesischen Seite hat. Drittens sollte dem Teilnehmerkreis Aufmerksamkeit geschenkt werden. Manchmal ist es besser, anstelle von Gruppenmeetings mehrere Vier-Augen-Meetings abzuhalten.
Nicht zuletzt ist es überlegenswert, ob bestimmte, insbesondere kritische Inhalte nicht besser in einer etwas lockereren Atmosphäre vermittelt werden sollten. Zu formale Vorgänge und die damit einhergehende Stimmung führen eher zu einem „Poker Face“-Effekt auf der chinesischen Seite. Versuchen Sie doch einfach einmal mit Ihren chinesischen Kollegen zu chatten, statt eine offizielle Videokonferenz einzuberufen. In China ist diese Form der Kommunikation weit verbreitet, und zwar nicht nur privat, sondern auch bei beruflichen Belangen.
Bei Begegnungen zwischen Deutschen und Chinesen hat die Meetingkultur schon immer eine zentrale Stellung eingenommen, und stets waren die Zusammentreffen auch durch interkulturelle Herausforderungen geprägt. Sich auf Meetings und Verhandlungsrunden gut vorzubereiten und sich vorab zu verdeutlichen, welcher kulturelle Hintergrund einzelne Handlungsweisen beeinflusst, ist ohne Zweifel wichtig. Sich diesen Situationen dann bewusst zu stellen bereichert die Zusammenarbeit enorm – das gilt auch für den Austausch auf der virtuellen Ebene. Viel Erfolg!
Nan Li ist Inhaberin von China Agent und Mitglied im Vorstand des Chinaforums Bayern e. V. Als interkulturelle Trainerin und Coach berät sie seit mehr als 15 Jahren Fach- und Führungskräfte deutschsprachiger Firmen zu interkulturellen Fragestellungen zu China. info@chinaagent.de | www.chinaagent.de
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 3-2020 erschienen. In der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins erfahren Sie zudem, was sicherheitstechnisch bei Videokonferenzen mit Kollegen und Partnern in China beachtet werden sollte.