Die ManpowerGroup ist einer der drei größten
Personaldienstleister weltweit. Wir sprachen mit Sergio Basto, zuständig für
Sales & Operations und das strategisches Kundenmanagement des Unternehmens
in Russland – über Covid-19, Arbeitszeitmodelle der Zukunft und die wachsende
Bedeutung von CSR.
Wie ist die derzeitige Situation auf dem
russischen Arbeitsmarkt? Gibt es bestimmte Branchen, die auch in der Krise
wachsen?
Hier gibt es ein interessantes Paradox. Tatsächlich konnten wir beobachten,
dass einige Industrien sich auch in der Krise gut entwickeln konnten und
teilweise sogar gewachsen sind. Das waren zumeist Unternehmen aus der
Pharmabranche und dem Gesundheitswesen, aber auch aus der Lebensmittelindustrie.
Gleichzeitig lagen der gesamte Retail-Bereich, die Gastronomie und
Dienstleister am Boden. Tatsächlich war diese Konstellation natürlich auch so
zu erwarten. Wesentlich interessanter ist aber, dass es durchaus Ausnahmen von
der Regel gibt. Unser Unternehmen ist zum Beispiel gegen den Trend gewachsen,
im Gegensatz zu vielen unserer Konkurrenten.
Erfordert die gegenwärtig schwierige
Situation langfristige, alternative Arbeitszeitkonzepte wie
Kurzarbeit/Teilzeitbeschäftigung?
Momentan befinden sich viele Unternehmen im reinen
Überlebensmodus. Die zentrale Frage ist oft: wie kann ich diese Krise
überstehen und was kann ich tun, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.
Hier setzen viele Dienstleistungsunternehmen oder Firmen, die im B2B-Brereich
zuhause sind, auf Teilzeitlösungen. Ob dies auch ein Trend für die Zukunft sein
wird, wage ich zu bezweifeln. Das werden erst die Auswirkungen der
Wirtschaftskrise zeugen, die auf die derzeitige Gesundheitskrise folgen wird.
Für den Moment ist der russische Arbeitsmarkt stabil.
Natürlich kommt es in einigen Industrien zu größeren Problemen, aber insgesamt
generiert der Markt noch keine allzu große Nachfrage nach neuen, flexiblen
Arbeitszeitmodellen, was sich in Zukunft aber definitiv ändern wird. Momentan
gibt es ganz im Gegenteil einige Unternehmen, die Personal aufstocken und
Arbeitszeiten verlängern müssen, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden.
Dazu zählen zum Beispiel einige Logistikunternehmen. Hier wird uns sogar von
Personalengpässen berichtet, weil viele Mitarbeiter, u.a. aus Zentralasien,
schlicht und einfach nicht nach Russland einreisen dürfen.
Hat die Digitalisierung, die aufgrund der Covid-19-Krise
noch schneller voranschreitet, genug Fahrt aufgenommen, um viele Berufe früher
als erwartet verschwinden zu lassen?
Digitalisierung war schon immer ein wichtiges Thema für
alle Unternehmen. Nicht erst seit der Krise. Mit diesem Begriff sind ein
Steigerung der Produktivität und Flexibilität sowie die Chancen auf neue Kunden
und bessere Ergebnisse verbunden. Aber in der Realität, und wir haben dazu mit
vielen Unternehmen gesprochen, stellen wir fest, dass viele Unternehmen und
ihre IT-Abteilungen darauf fokussiert sind, das bestehende Geschäft und die
‚Support Functions‘ aufrechtzuerhalten, geschweige denn einen digitalen
Transformationsprozess einzuleiten.
Nach dem Ende der Krise erwarten wir allerdings größere
Investitionen in die Digitalisierung. Dies wird sich auch auf die Anzahl der
Arbeitsplätze auswirken, insbesondere in der Produktion oder der Lagerhaltung,
wo die Automatisierung besonders schnell voranschreitet; aber auch auf das
klassische Retail-Business oder die Gastronomie, wo zunehmend auf digitale
Verkaufs- und Lieferkonzepte gesetzt wird. Allerdings denke ich nicht, dass
dadurch insgesamt Arbeitsplätze verlorengehen, sie werden sich eher
verschieben. Hierbei könnte die Bedeutung von ‚Remote Working‘ ebenfalls an
Bedeutung gewinnen.
Werden sich die Bedingungen und Möglichkeiten
für qualifizierte Expats auf dem russischen Markt in Zukunft ändern?
Es wird auch in Zukunft viele Möglichkeiten für
qualifizierte Expats in Russland geben. Natürlich werden sich die Konditionen
ändern. Schon jetzt sind die Bedingungen für viele Expats ganz andere als noch
vor 15 oder 20 Jahren. Zukünftig wird der russische Markt auch weniger Manager
auf Top-Level benötigen, aber der Bedarf an technischem Fachpersonal wird nach
wie vor hoch sein. Ich spreche hier insbesondere von CTOs, aber auch von COOs
und CFOs. Letztere sind Funktionen, die als ein Bindeglied zwischen der
Zentrale und der russischen Vertretung mit all seinen kulturellen
Besonderheiten fungieren und deshalb sehr wichtig sind.
Erfordern veränderte Umweltbedingungen neue Ausbildungsrichtlinien?
Was wird von Arbeitgebern verlangt? Auf welche neuen
Qualifikationsanforderungen müssen sich die Kandidaten einstellen?
Wir können in der ganzen Welt beobachten, dass die
Menschen nicht darauf vorbereitet waren, über einen längeren Zeitraum aus der
Distanz zu arbeiten und auf einen direkten Kontakt zu Kollegen und Kunden zu
verzichten. Das hat zu diversen technischen Problemen geführt und der Prozess
ist immer noch nicht zu 100 Prozent organisiert. Natürlich haben wir uns
angepasst, aber es bleibt weiterhin eine Herausforderung für die Unternehmen,
die Kommunikation zu den Mitarbeitern so aufzubauen, dass man auch aus der
Ferne effizient zusammenarbeiten kann. Hier müssen die Arbeitgeber noch viel in
technische Lösungen investieren, aber auch die Mitarbeiter durch Schulungen auf
die neuen Realitäten vorbereiten. Denn eines ist sicher: unsere Arbeitsweise
wird nach der Krise nie wieder so sein sie einmal war.
Für viele Unternehmen ist die Covid-19-Krise zudem ein
willkommener Anlass, um die internen Prozesse effizienter zu gestalten und
dadurch Kosten zu sparen. Auf der anderen Seite müssen die Arbeitnehmer
zukünftig in der Lage sein, sich aus der Distanz perfekt so zu organisieren,
dass sie flexibel und belastbar sind. Es ist nicht einfach, in der Woche
isoliert von zuhause aus zu arbeiten, ohne direkten Kontakt zu seinen Kollegen.
Die Verantwortung
gegenüber der Gesellschaft spielt eine immer wichtigere Rolle. Wie wichtig ist
CSR für die Attraktivität eines Arbeitgebers?
In Russland entwickelt sich das Bewusstsein für
‚CSR‘ (‚Corporate Social Responsibilty‘) erst und spielt deshalb für die
Mehrheit der Arbeitnehmer bei der Jobsuche noch keine allzu große Rolle. Etwas
anders ist das bei den sogenannten ‚Millennials‘ oder ‚Post-Millennials‘, die
zunehmend darauf achten, wie sich der Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitern
verhält und wie er seine gesellschaftlichen Aufgaben wahrnimmt. Eine Reihe von
Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten investiert sehr viel in diesen
Bereich und bauen dafür eigene Abteilungen auf. Ihnen ist klar, dass dieses
Thema in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, u.a im Sinne einer positiven
Außendarstellung. Natürlich werden finanzielle Aspekte auch weiterhin eine
entscheidende Rolle bei der Wahl eines Arbeitsplatzes spielen, aber die
Bedeutung von CSR sollte sicher nicht unterschätzt werden, denn in den größten
Städten Russlands sagen bis zu 50 Prozent der jungen Generation und der
zukünftigen Führungskräfte, dass sie lieber arbeitslos bleiben würden, als in
einem Unternehmen zu arbeiten, das nicht ihren Werten und Zielen folgt.
Die Fragen stellten
Frank Ebbecke und Dimitri Kling
Interview: „Der Markt generiert keine allzu große Nachfrage nach neuen Arbeitszeitmodellen“
Die ManpowerGroup ist einer der drei größten Personaldienstleister weltweit. Wir sprachen mit Sergio Basto, zuständig für Sales & Operations und das strategisches Kundenmanagement des Unternehmens in Russland – über Covid-19, Arbeitszeitmodelle der Zukunft und die wachsende Bedeutung von CSR.
Wie ist die derzeitige Situation auf dem russischen Arbeitsmarkt? Gibt es bestimmte Branchen, die auch in der Krise wachsen?
Hier gibt es ein interessantes Paradox. Tatsächlich konnten wir beobachten, dass einige Industrien sich auch in der Krise gut entwickeln konnten und teilweise sogar gewachsen sind. Das waren zumeist Unternehmen aus der Pharmabranche und dem Gesundheitswesen, aber auch aus der Lebensmittelindustrie. Gleichzeitig lagen der gesamte Retail-Bereich, die Gastronomie und Dienstleister am Boden. Tatsächlich war diese Konstellation natürlich auch so zu erwarten. Wesentlich interessanter ist aber, dass es durchaus Ausnahmen von der Regel gibt. Unser Unternehmen ist zum Beispiel gegen den Trend gewachsen, im Gegensatz zu vielen unserer Konkurrenten.
Erfordert die gegenwärtig schwierige Situation langfristige, alternative Arbeitszeitkonzepte wie Kurzarbeit/Teilzeitbeschäftigung?
Momentan befinden sich viele Unternehmen im reinen Überlebensmodus. Die zentrale Frage ist oft: wie kann ich diese Krise überstehen und was kann ich tun, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Hier setzen viele Dienstleistungsunternehmen oder Firmen, die im B2B-Brereich zuhause sind, auf Teilzeitlösungen. Ob dies auch ein Trend für die Zukunft sein wird, wage ich zu bezweifeln. Das werden erst die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zeugen, die auf die derzeitige Gesundheitskrise folgen wird.
Für den Moment ist der russische Arbeitsmarkt stabil. Natürlich kommt es in einigen Industrien zu größeren Problemen, aber insgesamt generiert der Markt noch keine allzu große Nachfrage nach neuen, flexiblen Arbeitszeitmodellen, was sich in Zukunft aber definitiv ändern wird. Momentan gibt es ganz im Gegenteil einige Unternehmen, die Personal aufstocken und Arbeitszeiten verlängern müssen, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Dazu zählen zum Beispiel einige Logistikunternehmen. Hier wird uns sogar von Personalengpässen berichtet, weil viele Mitarbeiter, u.a. aus Zentralasien, schlicht und einfach nicht nach Russland einreisen dürfen.
Hat die Digitalisierung, die aufgrund der Covid-19-Krise noch schneller voranschreitet, genug Fahrt aufgenommen, um viele Berufe früher als erwartet verschwinden zu lassen?
Digitalisierung war schon immer ein wichtiges Thema für alle Unternehmen. Nicht erst seit der Krise. Mit diesem Begriff sind ein Steigerung der Produktivität und Flexibilität sowie die Chancen auf neue Kunden und bessere Ergebnisse verbunden. Aber in der Realität, und wir haben dazu mit vielen Unternehmen gesprochen, stellen wir fest, dass viele Unternehmen und ihre IT-Abteilungen darauf fokussiert sind, das bestehende Geschäft und die ‚Support Functions‘ aufrechtzuerhalten, geschweige denn einen digitalen Transformationsprozess einzuleiten.
Nach dem Ende der Krise erwarten wir allerdings größere Investitionen in die Digitalisierung. Dies wird sich auch auf die Anzahl der Arbeitsplätze auswirken, insbesondere in der Produktion oder der Lagerhaltung, wo die Automatisierung besonders schnell voranschreitet; aber auch auf das klassische Retail-Business oder die Gastronomie, wo zunehmend auf digitale Verkaufs- und Lieferkonzepte gesetzt wird. Allerdings denke ich nicht, dass dadurch insgesamt Arbeitsplätze verlorengehen, sie werden sich eher verschieben. Hierbei könnte die Bedeutung von ‚Remote Working‘ ebenfalls an Bedeutung gewinnen.
Werden sich die Bedingungen und Möglichkeiten für qualifizierte Expats auf dem russischen Markt in Zukunft ändern?
Es wird auch in Zukunft viele Möglichkeiten für qualifizierte Expats in Russland geben. Natürlich werden sich die Konditionen ändern. Schon jetzt sind die Bedingungen für viele Expats ganz andere als noch vor 15 oder 20 Jahren. Zukünftig wird der russische Markt auch weniger Manager auf Top-Level benötigen, aber der Bedarf an technischem Fachpersonal wird nach wie vor hoch sein. Ich spreche hier insbesondere von CTOs, aber auch von COOs und CFOs. Letztere sind Funktionen, die als ein Bindeglied zwischen der Zentrale und der russischen Vertretung mit all seinen kulturellen Besonderheiten fungieren und deshalb sehr wichtig sind.
Erfordern veränderte Umweltbedingungen neue Ausbildungsrichtlinien? Was wird von Arbeitgebern verlangt? Auf welche neuen Qualifikationsanforderungen müssen sich die Kandidaten einstellen?
Wir können in der ganzen Welt beobachten, dass die Menschen nicht darauf vorbereitet waren, über einen längeren Zeitraum aus der Distanz zu arbeiten und auf einen direkten Kontakt zu Kollegen und Kunden zu verzichten. Das hat zu diversen technischen Problemen geführt und der Prozess ist immer noch nicht zu 100 Prozent organisiert. Natürlich haben wir uns angepasst, aber es bleibt weiterhin eine Herausforderung für die Unternehmen, die Kommunikation zu den Mitarbeitern so aufzubauen, dass man auch aus der Ferne effizient zusammenarbeiten kann. Hier müssen die Arbeitgeber noch viel in technische Lösungen investieren, aber auch die Mitarbeiter durch Schulungen auf die neuen Realitäten vorbereiten. Denn eines ist sicher: unsere Arbeitsweise wird nach der Krise nie wieder so sein sie einmal war.
Für viele Unternehmen ist die Covid-19-Krise zudem ein willkommener Anlass, um die internen Prozesse effizienter zu gestalten und dadurch Kosten zu sparen. Auf der anderen Seite müssen die Arbeitnehmer zukünftig in der Lage sein, sich aus der Distanz perfekt so zu organisieren, dass sie flexibel und belastbar sind. Es ist nicht einfach, in der Woche isoliert von zuhause aus zu arbeiten, ohne direkten Kontakt zu seinen Kollegen.
Die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft spielt eine immer wichtigere Rolle. Wie wichtig ist CSR für die Attraktivität eines Arbeitgebers?
In Russland entwickelt sich das Bewusstsein für ‚CSR‘ (‚Corporate Social Responsibilty‘) erst und spielt deshalb für die Mehrheit der Arbeitnehmer bei der Jobsuche noch keine allzu große Rolle. Etwas anders ist das bei den sogenannten ‚Millennials‘ oder ‚Post-Millennials‘, die zunehmend darauf achten, wie sich der Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitern verhält und wie er seine gesellschaftlichen Aufgaben wahrnimmt. Eine Reihe von Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten investiert sehr viel in diesen Bereich und bauen dafür eigene Abteilungen auf. Ihnen ist klar, dass dieses Thema in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, u.a im Sinne einer positiven Außendarstellung. Natürlich werden finanzielle Aspekte auch weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Wahl eines Arbeitsplatzes spielen, aber die Bedeutung von CSR sollte sicher nicht unterschätzt werden, denn in den größten Städten Russlands sagen bis zu 50 Prozent der jungen Generation und der zukünftigen Führungskräfte, dass sie lieber arbeitslos bleiben würden, als in einem Unternehmen zu arbeiten, das nicht ihren Werten und Zielen folgt.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling