Bahnverkehre auf der Neuen Seidenstraße sind sprunghaft gestiegen. Die höchsten Wachstumsraten gibt es ostwärts Richtung China. Noch nie lief das Geschäft so gut.
Bahnverkehre auf der Neuen Seidenstraße zwischen China und Europa verzeichnen Rekordzahlen. Beispiel A. Hartrodt: Die Hamburger Spedition wickelte zwischen Januar und April im Im- und Export auf der Schiene zwischen Duisburg, Neuss, Köln und China 745 Prozent mehr Sendungen ab als im Vorjahreszeitraum. Hans-Joachim Koske, der den Bereich Landverkehre bei dem Familienunternehmen leitet, ist zufrieden: „Unser Jahresziel 2019 konnten wir in den ersten vier Monaten 2020 übertreffen.“ Als in der Hochphase der COVID-19-Pandemie kaum Luftfracht- und weniger Seefrachtkapazitäten zu bekommen waren, wechselten viele Speditionskunden aus Industrie und Handel auf die Bahn.
Verbindungen aus und nach NRW gefragt Angebot und Nachfrage sind vor allem bei Verbindungen aus und nach Nordrhein-Westfalen enorm gestiegen. Und der Bedarf bleibt hoch, weil Schienentransporte deutlich günstiger sind als Luftfracht und sehr viel schneller als Seefracht. Xi’an fungiert als wichtiges Drehkreuz in China. „Darüber wickelt unser operatives Team vor Ort über 50 Prozent unserer Container ab“, sagt Tao Jiang, Vertriebschef bei Tiedada Rail in Düsseldorf. Die Transitzeit für Vollcontainer bis Duisburg oder Hamburg gibt er mit circa 14 bis 16 Tagen an.
Tiedada Rail beschäftigt in NRW vier Personen. „Durch Corona sind wir in den ersten Monaten dieses Jahres schnell gewachsen“, sagt Jiang. Wickelte die Spedition im Januar zwischen China und Europa hin und zurück 650 Container auf der Schiene ab, sank das Volumen zunächst im Februar auf 200 Container, weil Corona in China den Höhepunkt erreichte und wegen des chinesischen Neujahrsfestes. Im März ging es dann aber sprunghaft hoch auf 1.000 Container, im April und Mai pendelte es sich auf 1.400 Container je Richtung ein.
Die chinesische Muttergesellschaft wurde 2014 in der ostchinesischen Hafenstadt Ningbo gegründet und firmiert seit 2015 als Ningbo Tiedada SCM Co., Ltd. Nach Jiangs Angaben gibt es auf dem Heimatmarkt fast 80 Mitarbeitende und verschiedene regionale Tochtergesellschaften. Den Umsatz beziffert er 2019 für Tiedada insgesamt mit 140 Millionen Yuan (umgerechnet 17,5 Millionen Euro). In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sei die 100-Millionen-Yuan-Marke (12,5 Millionen Euro) überschritten worden. „In diesem Jahr werden wir mindestens um 30 bis 40 Prozent wachsen“, sagt er voraus.
Tiedada bietet Bahnverkehre zwischen mehr als 50 chinesischen Städten und fast ebenso vielen Orten in Europa auf unterschiedlichen Routen der Neuen Seidenstraße an. „Wir buchen auch viel via Chongqing, Changsha, Wuhan oder Hefei“, sagt Jiang. In Europa werden außer Duisburg weitere Drehkreuze für die Verteilung von Sammelcontainern genutzt. Das sind Hamburg für Westeuropa (nordische Länder, Deutschland, Island), Berlin als E-Commerce-Hub, Warschau (Baltikum, Mittelosteuropa), Prag (Tschechien, Österreich), Budapest (Südeuropa) und Moskau (Russland). 2019 wickelte Tiedada von China Richtung Europa 8.225 Züge ab – 29 Prozent mehr als im Vorjahr. In umgekehrter Richtung waren es zwar nur 2.690 Züge, aber die Steigerung fiel mit 111 Prozent viel höher aus.
Jiang hat momentan viele Kunden, die medizinisches Schutzmaterial aus China nach Deutschland, Osteuropa, Großbritannien und Frankreich verschicken. Üblicherweise enthalten Bahncontainer aus China Kleidung/Taschen, Elektronikteile/Monitore/Computer, Hausgeräte, Maschinen- und Autoteile, Projektladung (beispielsweise für Solarenergie) oder E-Commerce-Ware.
Überproportionaler Anstieg Richtung China Bei DHL Global Forwarding, dem Speditionsbereich der Deutsche Post DHL Group, haben sich die Transportmengen bei den Chinazügen durch die Coronakrise verdoppelt. Thomas Kowitzki leitet den Bereich Chinarail, Multimodal, Europa, und er spricht von „über 100 Prozent Steigerung“ – sowohl bei Vollcontainern als auch Container-Teilladungen (Less than Container Load, LCL). Auch wenn nach wie vor weitaus mehr Waren aus Fernost ankommen, entwickelten sich die Bahnverkehre von Europa nach China überproportional. Seit Ende Mai bietet DHL Global Forwarding in Kooperation mit dem langjährigen Partner RTSB in Friedrichsdorf zwei „Eastbound-Blockzüge“ von Deutschland nach China an: Eine neue Verbindung führt direkt vom Kombiverkehrsterminal des Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen über Polen, Weißrussland, Russland und Kasachstan bis Xi’an. Hinzu kommt ein Expresszug zwischen Neuss und Xi’an über Kaliningrad mit einer geplanten Laufzeit von zwölf Tagen. Kowitzki will das Bahngeschäft über Ludwigshafen und die Expresszüge neben den Verkehren via Duisburg/Hamburg/Nürnberg/Köln ausbauen. Auch für kleinere Sendungsgrößen hat er weitere „Direkt-LCL-Services beispielsweise nach Italien, Frankreich, Spanien oder Tschechien im Fokus“.
Jiang hat in Dortmund Maschinenbau studiert und sieht es als Standortvorteil von NRW, dass die Benelux-Länder in unmittelbarer Nachbarschaft liegen. Tiedada nutzt Duisburg als Hub, auch wegen der guten Verbindungen nach Großbritannien, Frankreich und Italien. Dabei arbeitet die Spedition nicht direkt mit den Bahnoperateuren zusammen, sondern mit dem Plattformbetreiber: „Wir organisieren den Vorlauf von China nach Duisburg, und Duisport bietet dann Schienenlösungen beispielsweise weiter nach Lyon oder Mailand an“, erklärt Jiang.
Auch im größten Binnenhafen Europas ist der Warenverkehr mit China auf der Schiene auf ein Rekordniveau angestiegen: Nach den rund 50 Zügen pro Woche im April registrierte der Duisburger Hafen im Mai sogar durchschnittlich 56 Züge wöchentlich. Als Grund nennt der Vorstandsvorsitzende der Duisburger Hafen AG, Erich Staake, „unter anderem die neuen Destinationen in China, um die wir unser Duisport-Netzwerk erweitert haben“. Zu Xi’an, Chongqing oder Wuhan kamen beispielsweise Jinan und Changsha hinzu.
Die Riesenmengen, die über das Drehkreuz Duisburg abgewickelt werden, führten zeitweise zu Überforderungen, ist von Bahnspediteuren zu hören. Alternativen wie Neuss oder Köln sind deshalb willkommen, auch wenn es dort nur mit Xi’an direkte Zugverbindungen gibt. Auf Nachfrage von ChinaContact sagt Duisport-Chef Staake: „Überlastung bei der Abfertigung ist mir nicht bekannt.“ Der Manager betont: „Wir haben schon zu Beginn der Krise systematisch unsere Lagerflächen erweitert und individuelle Lösungen für den Weitertransport bereitgestellt.“
Strategische Kooperation mit Reederei Die Nachholeffekte bei den Bahnverkehren auf der Neuen Seidenstraße könnten im weiteren Jahresverlauf allerdings abflachen. Auch Staake wartet ab, wie die in zahlreichen Ländern aufgelegten Konjunkturprogramme wirken: „Es wird entscheidend sein, dass die Konsumenten rasch wieder Vertrauen fassen und die Wirtschaft in Europa – und vor allen Dingen in den USA – wieder auf Wachstumskurs einschwenkt.“ Jiang jedenfalls hat für den Sommer schon viele Buchungen. „Und ab September/Oktober beginnt dann die Hochsaison für Weihnachten“, sagt er. Für das Gesamtjahr 2020 schätzt er, dass die deutsche Tiedada-Gesellschaft beim Transportvolumen im Vergleich zu 2019 um 40 Prozent zulegen kann.
Unterdessen rollen die Chinazüge immer weiter Richtung Osten. Tiedada hat laut Jiang eine strategische Kooperation mit dem Reedereikonzern Cosco, um unter anderem den Schienentransport innerhalb Chinas und die intermodale See-Schienen-Anbindung in Nachbarländer wie Japan oder Südkorea zu entwickeln. DHL und A. Hartrodt bieten das ebenfalls an. „China-Züge gehören zu den Coronagewinnern“, hält Koske fest.
Neue Seidenstraße: Corona-Schub für die Schiene
Bahnverkehre auf der Neuen Seidenstraße sind sprunghaft gestiegen. Die höchsten Wachstumsraten gibt es ostwärts Richtung China. Noch nie lief das Geschäft so gut.
Bahnverkehre auf der Neuen Seidenstraße zwischen China und Europa verzeichnen Rekordzahlen. Beispiel A. Hartrodt: Die Hamburger Spedition wickelte zwischen Januar und April im Im- und Export auf der Schiene zwischen Duisburg, Neuss, Köln und China 745 Prozent mehr Sendungen ab als im Vorjahreszeitraum. Hans-Joachim Koske, der den Bereich Landverkehre bei dem Familienunternehmen leitet, ist zufrieden: „Unser Jahresziel 2019 konnten wir in den ersten vier Monaten 2020 übertreffen.“ Als in der Hochphase der COVID-19-Pandemie kaum Luftfracht- und weniger Seefrachtkapazitäten zu bekommen waren, wechselten viele Speditionskunden aus Industrie und Handel auf die Bahn.
Verbindungen aus und nach NRW gefragt
Angebot und Nachfrage sind vor allem bei Verbindungen aus und nach Nordrhein-Westfalen enorm gestiegen. Und der Bedarf bleibt hoch, weil Schienentransporte deutlich günstiger sind als Luftfracht und sehr viel schneller als Seefracht. Xi’an fungiert als wichtiges Drehkreuz in China. „Darüber wickelt unser operatives Team vor Ort über 50 Prozent unserer Container ab“, sagt Tao Jiang, Vertriebschef bei Tiedada Rail in Düsseldorf. Die Transitzeit für Vollcontainer bis Duisburg oder Hamburg gibt er mit circa 14 bis 16 Tagen an.
Tiedada Rail beschäftigt in NRW vier Personen. „Durch Corona sind wir in den ersten Monaten dieses Jahres schnell gewachsen“, sagt Jiang. Wickelte die Spedition im Januar zwischen China und Europa hin und zurück 650 Container auf der Schiene ab, sank das Volumen zunächst im Februar auf 200 Container, weil Corona in China den Höhepunkt erreichte und wegen des chinesischen Neujahrsfestes. Im März ging es dann aber sprunghaft hoch auf 1.000 Container, im April und Mai pendelte es sich auf 1.400 Container je Richtung ein.
Die chinesische Muttergesellschaft wurde 2014 in der ostchinesischen Hafenstadt Ningbo gegründet und firmiert seit 2015 als Ningbo Tiedada SCM Co., Ltd. Nach Jiangs Angaben gibt es auf dem Heimatmarkt fast 80 Mitarbeitende und verschiedene regionale Tochtergesellschaften. Den Umsatz beziffert er 2019 für Tiedada insgesamt mit 140 Millionen Yuan (umgerechnet 17,5 Millionen Euro). In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sei die 100-Millionen-Yuan-Marke (12,5 Millionen Euro) überschritten worden. „In diesem Jahr werden wir mindestens um 30 bis 40 Prozent wachsen“, sagt er voraus.
Tiedada bietet Bahnverkehre zwischen mehr als 50 chinesischen Städten und fast ebenso vielen Orten in Europa auf unterschiedlichen Routen der Neuen Seidenstraße an. „Wir buchen auch viel via Chongqing, Changsha, Wuhan oder Hefei“, sagt Jiang. In Europa werden außer Duisburg weitere Drehkreuze für die Verteilung von Sammelcontainern genutzt. Das sind Hamburg für Westeuropa (nordische Länder, Deutschland, Island), Berlin als E-Commerce-Hub, Warschau (Baltikum, Mittelosteuropa), Prag (Tschechien, Österreich), Budapest (Südeuropa) und Moskau (Russland). 2019 wickelte Tiedada von China Richtung Europa 8.225 Züge ab – 29 Prozent mehr als im Vorjahr. In umgekehrter Richtung waren es zwar nur 2.690 Züge, aber die Steigerung fiel mit 111 Prozent viel höher aus.
Jiang hat momentan viele Kunden, die medizinisches Schutzmaterial aus China nach Deutschland, Osteuropa, Großbritannien und Frankreich verschicken. Üblicherweise enthalten Bahncontainer aus China Kleidung/Taschen, Elektronikteile/Monitore/Computer, Hausgeräte, Maschinen- und Autoteile, Projektladung (beispielsweise für Solarenergie) oder E-Commerce-Ware.
Überproportionaler Anstieg Richtung China
Bei DHL Global Forwarding, dem Speditionsbereich der Deutsche Post DHL Group, haben sich die Transportmengen bei den Chinazügen durch die Coronakrise verdoppelt. Thomas Kowitzki leitet den Bereich Chinarail, Multimodal, Europa, und er spricht von „über 100 Prozent Steigerung“ – sowohl bei Vollcontainern als auch Container-Teilladungen (Less than Container Load, LCL). Auch wenn nach wie vor weitaus mehr Waren aus Fernost ankommen, entwickelten sich die Bahnverkehre von Europa nach China überproportional. Seit Ende Mai bietet DHL Global Forwarding in Kooperation mit dem langjährigen Partner RTSB in Friedrichsdorf zwei „Eastbound-Blockzüge“ von Deutschland nach China an: Eine neue Verbindung führt direkt vom Kombiverkehrsterminal des Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen über Polen, Weißrussland, Russland und Kasachstan bis Xi’an. Hinzu kommt ein Expresszug zwischen Neuss und Xi’an über Kaliningrad mit einer geplanten Laufzeit von zwölf Tagen. Kowitzki will das Bahngeschäft über Ludwigshafen und die Expresszüge neben den Verkehren via Duisburg/Hamburg/Nürnberg/Köln ausbauen. Auch für kleinere Sendungsgrößen hat er weitere „Direkt-LCL-Services beispielsweise nach Italien, Frankreich, Spanien oder Tschechien im Fokus“.
Jiang hat in Dortmund Maschinenbau studiert und sieht es als Standortvorteil von NRW, dass die Benelux-Länder in unmittelbarer Nachbarschaft liegen. Tiedada nutzt Duisburg als Hub, auch wegen der guten Verbindungen nach Großbritannien, Frankreich und Italien. Dabei arbeitet die Spedition nicht direkt mit den Bahnoperateuren zusammen, sondern mit dem Plattformbetreiber: „Wir organisieren den Vorlauf von China nach Duisburg, und Duisport bietet dann Schienenlösungen beispielsweise weiter nach Lyon oder Mailand an“, erklärt Jiang.
Auch im größten Binnenhafen Europas ist der Warenverkehr mit China auf der Schiene auf ein Rekordniveau angestiegen: Nach den rund 50 Zügen pro Woche im April registrierte der Duisburger Hafen im Mai sogar durchschnittlich 56 Züge wöchentlich. Als Grund nennt der Vorstandsvorsitzende der Duisburger Hafen AG, Erich Staake, „unter anderem die neuen Destinationen in China, um die wir unser Duisport-Netzwerk erweitert haben“. Zu Xi’an, Chongqing oder Wuhan kamen beispielsweise Jinan und Changsha hinzu.
Die Riesenmengen, die über das Drehkreuz Duisburg abgewickelt werden, führten zeitweise zu Überforderungen, ist von Bahnspediteuren zu hören. Alternativen wie Neuss oder Köln sind deshalb willkommen, auch wenn es dort nur mit Xi’an direkte Zugverbindungen gibt. Auf Nachfrage von ChinaContact sagt Duisport-Chef Staake: „Überlastung bei der Abfertigung ist mir nicht bekannt.“ Der Manager betont: „Wir haben schon zu Beginn der Krise systematisch unsere Lagerflächen erweitert und individuelle Lösungen für den Weitertransport bereitgestellt.“
Strategische Kooperation mit Reederei
Die Nachholeffekte bei den Bahnverkehren auf der Neuen Seidenstraße könnten im weiteren Jahresverlauf allerdings abflachen. Auch Staake wartet ab, wie die in zahlreichen Ländern aufgelegten Konjunkturprogramme wirken: „Es wird entscheidend sein, dass die Konsumenten rasch wieder Vertrauen fassen und die Wirtschaft in Europa – und vor allen Dingen in den USA – wieder auf Wachstumskurs einschwenkt.“ Jiang jedenfalls hat für den Sommer schon viele Buchungen. „Und ab September/Oktober beginnt dann die Hochsaison für Weihnachten“, sagt er. Für das Gesamtjahr 2020 schätzt er, dass die deutsche Tiedada-Gesellschaft beim Transportvolumen im Vergleich zu 2019 um 40 Prozent zulegen kann.
Unterdessen rollen die Chinazüge immer weiter Richtung Osten. Tiedada hat laut Jiang eine strategische Kooperation mit dem Reedereikonzern Cosco, um unter anderem den Schienentransport innerhalb Chinas und die intermodale See-Schienen-Anbindung in Nachbarländer wie Japan oder Südkorea zu entwickeln. DHL und A. Hartrodt bieten das ebenfalls an. „China-Züge gehören zu den Coronagewinnern“, hält Koske fest.
Kerstin Kloss
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 3-2020 erschienen.