Die aktuell sich wieder verschärfende Corona-Pandemie mit all ihren einschneidenden politischen und wirtschaftlichen Folgen stellt den Rubelkurs auf noch wackeligere Beine.
Währungswerte sind ja allgemein untrügliche Seismografen für die wirtschaftlichen Befindlichkeiten einer Volkswirtschaft – nicht nur für das Finanzgebaren eines Staatswesens. Und da sieht es jetzt zu Beginn der langen andauernden, dunkleren Jahreszeit hierzulande saisonkonform eher düster aus. Dabei resultiert die schwindelerregende Achterbahnfahrt des Rubels mit rasanten Talfahrten in großem Stil aus geopolitischen Spannungen, ist aber in mancher Hinsicht auch hausgemacht. Die aktuell sich wieder verschärfende Corona-Pandemie mit all ihren einschneidenden gesellschaftlichen Folgen stellt das Krisenszenario auf noch wackeligere Beine.
Geopolitische Spannungen schaden dem russischen Markt
Dazu tragen die jüngsten, teilweise gar gewalttätigen Machtausübungstraditionen aus grauer Vorzeit in den einstigen sowjetischen „Bruderstaaten“ bei. Wie im benachbarten Belarus, wo bereits im dritten Monat das Volk gegen seinen autokratischen Langzeitführer aufgestanden ist. Wie in Kirgisistan, wo die berüchtigt korrupte Politklasse entweder gerade inhaftiert ist, kurz darauf gegen den Volkswillen wieder auf der Regierungsbank sitzt oder umgekehrt. Wie im blutigen Konflikt um die Region Bergkarabach zwischen Aserbaidschan und Armenien – mit zusätzlich auch für Europa und die Welt bedrohlichen Nuancen: Das eine genießt die aktive Unterstützung des NATO-Partners Türkei und ist streng islamisch orientiert, das andere, historisch christlich, erfreut sich der gewachsenen Hilfestellung aus Moskau.
Als seien es der geopolitischen Spannungen mit heftigen Auswirkungen auf den russischen Markt noch nicht genug, wird die Liste der von der westlichen Welt angefeindeten, oft tatsächlich eher selbstherrlichen und dubiosen Aktionen Moskaus und des Kreml immer länger. Und die daraus resultierenden, auf Produktions- wie Handelsabläufe, auf Regierung und Elite bezogenen Sanktionen – offenbar den einzigen „Strafaktionen“, die der EU und den USA einfallen und diesen teilweise selbst schaden – immer schärfer. Zur Erinnerung: Die vom Westen als Annexionen gewerteten Übergriffe im Donbass und der Krim, die nicht vollständig aufgeklärten Mordfälle oder -versuche, die an offiziell gebrandmarkten „Staatsfeinden“ und unbequemen Oppositionellen wie Alexander Litwinenko, Boris Nemzow, Sergei Skripal, Selimchan Changoschwili und letztens Alexei Nawalny begangen wurden: die weiteren, bereits angekündigten Sanktionen werden einen noch größeren Negativeinfluss auf den abgewerteten Rubel zeitigen, noch strengere Maßnahmen werden seinen Wert noch tiefer untergraben.
Pandemie und wirtschaftliche Störfaktoren als Risikoeinflüsse
Aber auch wirtschaftliche Störfaktoren wie zum Beispiel der anhaltend niedrige Ölpreis und drastische Produktionskürzungen sowie die Unsicherheit über die künftigen Beziehungen zwischen Russland und den USA – gerade auch eingedenk der dortigen Präsidentschaftswahl in nur drei Wochen – bestehen weiterhin. Und die globalen Umfeldbedingungen machen nicht viel mehr Mut: Allüberall herrscht Katerstimmung, denn die Covid-19-Infektionen gehen gerade durch die Decke und damit die Befürchtung erneuter „Lockdowns“. Restriktionen machen die Virusfolgen und daraus resultierend eine verlangsamte wirtschaftliche Erholung zum Hauptrisiko. Für eine erhöhte Wachstumsdynamik könnte global eine expansivere Geld- und Fiskalpolitik unterstützend wirken.
Vorausgesetzt, der seit geraumer Zeit stetig steigende Kapitalabfluss kann eingedämmt werden, versprechen positive Einflüsse auf die Währungsstützung im Heimatmarkt die durchaus soliden Fundamentaldaten und die Beibehaltung des Leitzinses seit September von unverändert 4,25 Prozent durch die russische Zentralbank. Doch es wäre eher ein vager Blick in die Kristallkugel, wann ein Wiederaufleben real eintreten könnte. Gleichwohl – ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Der Rubel hat sich nach jeder der regelmäßigen Krisen hierzulande immer wieder relativ schnell erholt. Schliesslich ist und bleibt Russland ein riesiger, ausbaufähiger, lukrativer Markt. Oder spielt da etwa gar die russisch-stereotypische Widerstandskraft, das duldsame Durchhaltevermögen mit? Aber auf jeden Fall würde auch ein moderateres, weniger angriffslustiges Verhalten der beteiligten Politspitzen im Weltkonzert hellere Ton anklingen lassen und wieder mehr gegenseitiges Vertrauen schaffen. „Wir dürfen nie aufhören, miteinander zu reden“, so eine Kernforderung des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Und wenn da – wie gegenwärtig – die Politik eine Auszeit nimmt, muss eben die Wirtschaft einspringen.
Frank Ebbecke, Executive Consultant owc Verlag für Außenwirtschaft, Universitätslehrer an der Moskauer Präsidenten-Akademie RANEPA
Ebbecke kommentiert: Wohin rollt der Rubel? Und warum?
Die aktuell sich wieder verschärfende Corona-Pandemie mit all ihren einschneidenden politischen und wirtschaftlichen Folgen stellt den Rubelkurs auf noch wackeligere Beine.
Währungswerte sind ja allgemein untrügliche Seismografen für die wirtschaftlichen Befindlichkeiten einer Volkswirtschaft – nicht nur für das Finanzgebaren eines Staatswesens. Und da sieht es jetzt zu Beginn der langen andauernden, dunkleren Jahreszeit hierzulande saisonkonform eher düster aus. Dabei resultiert die schwindelerregende Achterbahnfahrt des Rubels mit rasanten Talfahrten in großem Stil aus geopolitischen Spannungen, ist aber in mancher Hinsicht auch hausgemacht. Die aktuell sich wieder verschärfende Corona-Pandemie mit all ihren einschneidenden gesellschaftlichen Folgen stellt das Krisenszenario auf noch wackeligere Beine.
Geopolitische Spannungen schaden dem russischen Markt
Dazu tragen die jüngsten, teilweise gar gewalttätigen Machtausübungstraditionen aus grauer Vorzeit in den einstigen sowjetischen „Bruderstaaten“ bei. Wie im benachbarten Belarus, wo bereits im dritten Monat das Volk gegen seinen autokratischen Langzeitführer aufgestanden ist. Wie in Kirgisistan, wo die berüchtigt korrupte Politklasse entweder gerade inhaftiert ist, kurz darauf gegen den Volkswillen wieder auf der Regierungsbank sitzt oder umgekehrt. Wie im blutigen Konflikt um die Region Bergkarabach zwischen Aserbaidschan und Armenien – mit zusätzlich auch für Europa und die Welt bedrohlichen Nuancen: Das eine genießt die aktive Unterstützung des NATO-Partners Türkei und ist streng islamisch orientiert, das andere, historisch christlich, erfreut sich der gewachsenen Hilfestellung aus Moskau.
Als seien es der geopolitischen Spannungen mit heftigen Auswirkungen auf den russischen Markt noch nicht genug, wird die Liste der von der westlichen Welt angefeindeten, oft tatsächlich eher selbstherrlichen und dubiosen Aktionen Moskaus und des Kreml immer länger. Und die daraus resultierenden, auf Produktions- wie Handelsabläufe, auf Regierung und Elite bezogenen Sanktionen – offenbar den einzigen „Strafaktionen“, die der EU und den USA einfallen und diesen teilweise selbst schaden – immer schärfer. Zur Erinnerung: Die vom Westen als Annexionen gewerteten Übergriffe im Donbass und der Krim, die nicht vollständig aufgeklärten Mordfälle oder -versuche, die an offiziell gebrandmarkten „Staatsfeinden“ und unbequemen Oppositionellen wie Alexander Litwinenko, Boris Nemzow, Sergei Skripal, Selimchan Changoschwili und letztens Alexei Nawalny begangen wurden: die weiteren, bereits angekündigten Sanktionen werden einen noch größeren Negativeinfluss auf den abgewerteten Rubel zeitigen, noch strengere Maßnahmen werden seinen Wert noch tiefer untergraben.
Pandemie und wirtschaftliche Störfaktoren als Risikoeinflüsse
Aber auch wirtschaftliche Störfaktoren wie zum Beispiel der anhaltend niedrige Ölpreis und drastische Produktionskürzungen sowie die Unsicherheit über die künftigen Beziehungen zwischen Russland und den USA – gerade auch eingedenk der dortigen Präsidentschaftswahl in nur drei Wochen – bestehen weiterhin. Und die globalen Umfeldbedingungen machen nicht viel mehr Mut: Allüberall herrscht Katerstimmung, denn die Covid-19-Infektionen gehen gerade durch die Decke und damit die Befürchtung erneuter „Lockdowns“. Restriktionen machen die Virusfolgen und daraus resultierend eine verlangsamte wirtschaftliche Erholung zum Hauptrisiko. Für eine erhöhte Wachstumsdynamik könnte global eine expansivere Geld- und Fiskalpolitik unterstützend wirken.
Vorausgesetzt, der seit geraumer Zeit stetig steigende Kapitalabfluss kann eingedämmt werden, versprechen positive Einflüsse auf die Währungsstützung im Heimatmarkt die durchaus soliden Fundamentaldaten und die Beibehaltung des Leitzinses seit September von unverändert 4,25 Prozent durch die russische Zentralbank. Doch es wäre eher ein vager Blick in die Kristallkugel, wann ein Wiederaufleben real eintreten könnte. Gleichwohl – ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Der Rubel hat sich nach jeder der regelmäßigen Krisen hierzulande immer wieder relativ schnell erholt. Schliesslich ist und bleibt Russland ein riesiger, ausbaufähiger, lukrativer Markt. Oder spielt da etwa gar die russisch-stereotypische Widerstandskraft, das duldsame Durchhaltevermögen mit? Aber auf jeden Fall würde auch ein moderateres, weniger angriffslustiges Verhalten der beteiligten Politspitzen im Weltkonzert hellere Ton anklingen lassen und wieder mehr gegenseitiges Vertrauen schaffen. „Wir dürfen nie aufhören, miteinander zu reden“, so eine Kernforderung des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Und wenn da – wie gegenwärtig – die Politik eine Auszeit nimmt, muss eben die Wirtschaft einspringen.
Frank Ebbecke, Executive Consultant owc Verlag für Außenwirtschaft, Universitätslehrer an der Moskauer Präsidenten-Akademie RANEPA