Vor der Coronakrise beschaffte das Hamburger Industrieunternehmen Fehrmann 30 Prozent seiner Vorprodukte in China. Um sich gegen Ausfälle in der Lieferkette abzusichern, setzt der Hersteller von Spezialfenstern und Sicherheitsbauteilen jetzt stärker auf europäische Lieferanten und 3D-Druck. Dabei hat China inzwischen Spezial-Know-how auf hohem Niveau aufgebaut.
Druck, Schlagregen oder Wind können noch so stark sein – die hochspezialisierten Fensterlösungen der Hamburger Fehrmann Tech Group halten dicht. Und als die Coronawelle Anfang des Jahres die Lieferketten für Vorprodukte aus China unterbrach, zeigten die sturmerprobten Hanseaten auch in dieser Extremsituation starke Nerven und schwenkten schnell auf Nearsourcing um. Vor der Covid-19-Pandemie beschaffte das auf Hightechprodukte wie monsterwellensichere Schiffsfenster sowie Sicherheitsbauteile aus eigens entwickeltem Spezialaluminium spezialisierte Industrieunternehmen 30 Prozent der Vorprodukte in China. Heute sind es weniger als zehn Prozent.
Kein Einzelfall Das 125 Jahre alte Familienunternehmen ist kein Einzelfall. „17 Prozent der Industrieunternehmen ändern derzeit ihre Lieferketten und suchen Hersteller für ihre dringend benötigten Vorprodukte in Deutschland oder anderen Ländern“, heißt es in einem Impulspapier zur Globalisierung nach Corona, das der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin im August 2020 veröffentlicht hat. Die internationale Arbeitsteilung wird laut DIHK neu sortiert – und Fehrmann ist das beste Beispiel dafür.
Ursprünglich hatten die Hamburger die Beschaffung von Vorprodukten aus Kostengründen in Länder wie China verlagert. „Vor allem aber weil Europa damals sehr gut ausgelastet war“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Henning Fehrmann. Der Schwenk zurück aus China sei ausschließlich wegen Corona nötig gewesen, denn das ostasiatische Land fertige inzwischen auf hohem Niveau. „Wir legen großen Wert auf Zuverlässigkeit und Qualität, China ist da inzwischen sehr stark“, betont der 45-Jährige. Innerhalb von zehn Jahren habe das Land „Riesensprünge gemacht“. Deshalb ist dem Manager eines wichtig festzuhalten: „Unsere Strategie ist keinesfalls, dass wir chinesische Lieferanten nicht wertschätzen – im Gegenteil.“
Aus China zurückgeholt wurden vor allem metallische Bauteile, sogenannte Zeichnungsteile, die beispielsweise der Unternehmensbereich Fehrmann Windows in Spezialfenster einbaut. „Mit großem Einsatz“ seien ehemalige Lieferanten, „die nicht mehr die Volumina hatten“, reaktiviert worden, berichtet Fehrmann. Auch die Google-Suche sei erfolgreich gewesen. „Der Wechsel funktionierte relativ zügig, weil die Anzahl der Dienstleister, die fräsen, drehen und bohren, auch hierzulande groß ist und von jedem eine Zeichnung gelesen werden kann“, sagt der Diplom-Ingenieur.
„Wir müssen ein einwandfreies Produkt bekommen, und das rechtzeitig“, betont Fehrmann. Eine dauerhaft zuverlässige Wertschöpfungskette bezeichnet er als „das oberste Gut“. Deshalb ist es wichtig, die Spezialisierung des Lieferanten einschätzen zu können. Bei jedem neuen Anbieter testet Fehrmann das Know-how zunächst mit einfacheren Aufträgen, die weniger fehleranfällig als kompliziertere Aufgaben sind.
Denn die Norddeutschen haben schlechte Erfahrungen gemacht und erlebt, was alles schief gehen kann, wenn der Lieferant überfordert ist. Beispiel: Vor Jahren hatte das Unternehmen für seine Metallgießerei mehrere Tonnen Reinaluminium bei einem Anbieter bestellt, der insolvent ging. „Mit einer vermeintlichen Standardspezifikation sind wir zu einem anderen Lieferanten gegangen“, berichtet Fehrmann. Am Ende gab es 50 Prozent Ausschussteile. „Zwar wurde innerhalb der Norm geliefert, aber nicht innerhalb unserer technischen Spezifikation“, erklärt Fehrmann das Problem.
Frästeile kommen weiter aus China Auch im Frühjahr beim Supply-Chain-Wechsel von China nach Europa ließen sich Lieferantenausfälle nicht vermeiden. Trotzdem bleibt Fehrmann „ein großer Freund der Globalisierung“. Strategische Partner des Geschäftsbereichs für Metalllegierungen, Fehrmann Alloys, sind in der Nähe der maritimen Industrie an der chinesischen Ostküste angesiedelt. Denn in China lässt Fehrmann nach wie vor Frästeile fertigen. Bei einem kleinen Produktprogramm, „das auch nur von Zeit zu Zeit kommt“, habe sich das gut eingespielt und funktioniere „exzellent“, erklärt der Unternehmer.
Dabei geht es um Schlepphaken für Hafenschlepper, die zum Beispiel im Hamburger Hafen unverzichtbar sind: An den Schleppern hängen Trossen, mit denen sie die großen Containerschiffe im Hafen begleiten, steuern und abbremsen. Für dieses anspruchsvolle Sicherheitsbauteil kontrolliert das Traditionsunternehmen, das Ende des 19. Jahrhunderts als klassische Gießerei gegründet wurde, in Hamburg alle Sicherheitsanforderungen. „Wir prüfen in unserem Labor genau das Material und wie das Bauteil produziert worden ist“, unterstreicht Fehrmann. Denn nicht immer werde tatsächlich das verarbeitet, was das Materialdatenblatt verlange, so seine Erfahrung.
„Wir legen großen Wert auf Zuverlässigkeit und Qualität, China ist da inzwischen sehr stark.“
„Um ein Gussteil herzustellen, benötigen wir elf Prozessschritte, im 3D-Drucker nur vier.“
3D-Druck zur Absicherung Parallel treibt das Unternehmen die Entwicklung und Herstellung von Metallpulvern für den 3D-Druck voran. Fehrmann hält 3D-Druck für einen „wesentlichen Eckpfeifer“ für jedes Produktionsunternehmen, das sich strategisch gegen Ausfälle in der Lieferkette absichern will. China sei bei diesem Verfahren allerdings noch weit weg von der Qualitätsreife im deutschsprachigen Raum oder in den USA, so Fehrmann. Aufgrund der Coronakrise habe das Verfahren „extrem an Bedeutung gewonnen“. Bestes Beispiel ist Fehrmanns eigene Gießerei: „Um ein Gussteil herzustellen, benötigen wir elf Prozessschritte, im 3D-Drucker nur vier.“ Der Unternehmer geht davon aus, dass durch den 3D-Druck Wertschöpfungsketten künftig flexibler und damit resilienter aufgestellt werden.
Diese Entwicklung könnte der Handelsstreit zwischen den USA und China beschleunigen. „Das wirkt sich jetzt schon auf europäische Unternehmen aus“, meint Fehrmann. Seine Befürchtung: Protektionistische Tendenzen in Europa, China und den USA verstärken sich weiter. Zuverlässige und sichere Lieferketten werden in dieser angespannten weltpolitischen Situation immer wichtiger. Auch die DIHK-Experten vertreten die Position, dass grenzüberschreitende Arbeitsteilung „ein wichtiger Bestandteil wirtschaftlicher Resilienz“ sei.
In diesem Zusammenhang kritisiert Fehrmann das von der Bundesregierung geplante Lieferkettengesetz, das soziale und ökologische Standards garantieren soll. „Jeder ist für gute Arbeitsbedingungen und Klimaschutz, das ist doch klar“, sagt er. Aber dass deutsche Unternehmen dafür haften, dass ihre Lieferanten im Ausland die Bestimmungen einhalten, hält er für „völlig fehl am Platz“. Für die vielen, überwiegend mittelständischen Unternehmen in Deutschland wäre dieses Gesetz „das falsche Signal in einer herausfordernden Zeit“, stellt er klar. Denn Fehrmann engagiert sich beim Interessenverband DIE FAMILIENUNTERNEHMER als Regionalvorsitzender der Metropolregion Hamburg und fordert: „Gerade jetzt, wo Unternehmen durch Digitalisierung und zudem Corona sowieso stark unter Druck stehen, muss die Politik alles tun, um Wirtschaften zu ermöglichen und nicht zu bremsen.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Unternehmen langfristig wieder 30 Prozent der Vorprodukte in China beschafft, hält Fehrmann für gering. Inzwischen seien parallel zu viele andere Lieferanten aufgebaut worden: „Wir vergeben Aufträge strategisch an geschätzte Lieferanten, die wir bewusst auch bei der Stange halten wollen.“
Fehrmann holt Lieferketten zurück
Vor der Coronakrise beschaffte das Hamburger Industrieunternehmen Fehrmann 30 Prozent seiner Vorprodukte in China. Um sich gegen Ausfälle in der Lieferkette abzusichern, setzt der Hersteller von Spezialfenstern und Sicherheitsbauteilen jetzt stärker auf europäische Lieferanten und 3D-Druck. Dabei hat China inzwischen Spezial-Know-how auf hohem Niveau aufgebaut.
Druck, Schlagregen oder Wind können noch so stark sein – die hochspezialisierten Fensterlösungen der Hamburger Fehrmann Tech Group halten dicht. Und als die Coronawelle Anfang des Jahres die Lieferketten für Vorprodukte aus China unterbrach, zeigten die sturmerprobten Hanseaten auch in dieser Extremsituation starke Nerven und schwenkten schnell auf Nearsourcing um. Vor der Covid-19-Pandemie beschaffte das auf Hightechprodukte wie monsterwellensichere Schiffsfenster sowie Sicherheitsbauteile aus eigens entwickeltem Spezialaluminium spezialisierte Industrieunternehmen 30 Prozent der Vorprodukte in China. Heute sind es weniger als zehn Prozent.
Kein Einzelfall
Das 125 Jahre alte Familienunternehmen ist kein Einzelfall. „17 Prozent der Industrieunternehmen ändern derzeit ihre Lieferketten und suchen Hersteller für ihre dringend benötigten Vorprodukte in Deutschland oder anderen Ländern“, heißt es in einem Impulspapier zur Globalisierung nach Corona, das der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin im August 2020 veröffentlicht hat. Die internationale Arbeitsteilung wird laut DIHK neu sortiert – und Fehrmann ist das beste Beispiel dafür.
Ursprünglich hatten die Hamburger die Beschaffung von Vorprodukten aus Kostengründen in Länder wie China verlagert. „Vor allem aber weil Europa damals sehr gut ausgelastet war“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Henning Fehrmann. Der Schwenk zurück aus China sei ausschließlich wegen Corona nötig gewesen, denn das ostasiatische Land fertige inzwischen auf hohem Niveau. „Wir legen großen Wert auf Zuverlässigkeit und Qualität, China ist da inzwischen sehr stark“, betont der 45-Jährige. Innerhalb von zehn Jahren habe das Land „Riesensprünge gemacht“. Deshalb ist dem Manager eines wichtig festzuhalten: „Unsere Strategie ist keinesfalls, dass wir chinesische Lieferanten nicht wertschätzen – im Gegenteil.“
Aus China zurückgeholt wurden vor allem metallische Bauteile, sogenannte Zeichnungsteile, die beispielsweise der Unternehmensbereich Fehrmann Windows in Spezialfenster einbaut. „Mit großem Einsatz“ seien ehemalige Lieferanten, „die nicht mehr die Volumina hatten“, reaktiviert worden, berichtet Fehrmann. Auch die Google-Suche sei erfolgreich gewesen. „Der Wechsel funktionierte relativ zügig, weil die Anzahl der Dienstleister, die fräsen, drehen und bohren, auch hierzulande groß ist und von jedem eine Zeichnung gelesen werden kann“, sagt der Diplom-Ingenieur.
„Wir müssen ein einwandfreies Produkt bekommen, und das rechtzeitig“, betont Fehrmann. Eine dauerhaft zuverlässige Wertschöpfungskette bezeichnet er als „das oberste Gut“. Deshalb ist es wichtig, die Spezialisierung des Lieferanten einschätzen zu können. Bei jedem neuen Anbieter testet Fehrmann das Know-how zunächst mit einfacheren Aufträgen, die weniger fehleranfällig als kompliziertere Aufgaben sind.
Denn die Norddeutschen haben schlechte Erfahrungen gemacht und erlebt, was alles schief gehen kann, wenn der Lieferant überfordert ist. Beispiel: Vor Jahren hatte das Unternehmen für seine Metallgießerei mehrere Tonnen Reinaluminium bei einem Anbieter bestellt, der insolvent ging. „Mit einer vermeintlichen Standardspezifikation sind wir zu einem anderen Lieferanten gegangen“, berichtet Fehrmann. Am Ende gab es 50 Prozent Ausschussteile. „Zwar wurde innerhalb der Norm geliefert, aber nicht innerhalb unserer technischen Spezifikation“, erklärt Fehrmann das Problem.
Frästeile kommen weiter aus China
Auch im Frühjahr beim Supply-Chain-Wechsel von China nach Europa ließen sich Lieferantenausfälle nicht vermeiden. Trotzdem bleibt Fehrmann „ein großer Freund der Globalisierung“. Strategische Partner des Geschäftsbereichs für Metalllegierungen, Fehrmann Alloys, sind in der Nähe der maritimen Industrie an der chinesischen Ostküste angesiedelt. Denn in China lässt Fehrmann nach wie vor Frästeile fertigen. Bei einem kleinen Produktprogramm, „das auch nur von Zeit zu Zeit kommt“, habe sich das gut eingespielt und funktioniere „exzellent“, erklärt der Unternehmer.
Dabei geht es um Schlepphaken für Hafenschlepper, die zum Beispiel im Hamburger Hafen unverzichtbar sind: An den Schleppern hängen Trossen, mit denen sie die großen Containerschiffe im Hafen begleiten, steuern und abbremsen. Für dieses anspruchsvolle Sicherheitsbauteil kontrolliert das Traditionsunternehmen, das Ende des 19. Jahrhunderts als klassische Gießerei gegründet wurde, in Hamburg alle Sicherheitsanforderungen. „Wir prüfen in unserem Labor genau das Material und wie das Bauteil produziert worden ist“, unterstreicht Fehrmann. Denn nicht immer werde tatsächlich das verarbeitet, was das Materialdatenblatt verlange, so seine Erfahrung.
3D-Druck zur Absicherung
Parallel treibt das Unternehmen die Entwicklung und Herstellung von Metallpulvern für den 3D-Druck voran. Fehrmann hält 3D-Druck für einen „wesentlichen Eckpfeifer“ für jedes Produktionsunternehmen, das sich strategisch gegen Ausfälle in der Lieferkette absichern will. China sei bei diesem Verfahren allerdings noch weit weg von der Qualitätsreife im deutschsprachigen Raum oder in den USA, so Fehrmann. Aufgrund der Coronakrise habe das Verfahren „extrem an Bedeutung gewonnen“. Bestes Beispiel ist Fehrmanns eigene Gießerei: „Um ein Gussteil herzustellen, benötigen wir elf Prozessschritte, im 3D-Drucker nur vier.“ Der Unternehmer geht davon aus, dass durch den 3D-Druck Wertschöpfungsketten künftig flexibler und damit resilienter aufgestellt werden.
Diese Entwicklung könnte der Handelsstreit zwischen den USA und China beschleunigen. „Das wirkt sich jetzt schon auf europäische Unternehmen aus“, meint Fehrmann. Seine Befürchtung: Protektionistische Tendenzen in Europa, China und den USA verstärken sich weiter. Zuverlässige und sichere Lieferketten werden in dieser angespannten weltpolitischen Situation immer wichtiger. Auch die DIHK-Experten vertreten die Position, dass grenzüberschreitende Arbeitsteilung „ein wichtiger Bestandteil wirtschaftlicher Resilienz“ sei.
In diesem Zusammenhang kritisiert Fehrmann das von der Bundesregierung geplante Lieferkettengesetz, das soziale und ökologische Standards garantieren soll. „Jeder ist für gute Arbeitsbedingungen und Klimaschutz, das ist doch klar“, sagt er. Aber dass deutsche Unternehmen dafür haften, dass ihre Lieferanten im Ausland die Bestimmungen einhalten, hält er für „völlig fehl am Platz“. Für die vielen, überwiegend mittelständischen Unternehmen in Deutschland wäre dieses Gesetz „das falsche Signal in einer herausfordernden Zeit“, stellt er klar. Denn Fehrmann engagiert sich beim Interessenverband DIE FAMILIENUNTERNEHMER als Regionalvorsitzender der Metropolregion Hamburg und fordert: „Gerade jetzt, wo Unternehmen durch Digitalisierung und zudem Corona sowieso stark unter Druck stehen, muss die Politik alles tun, um Wirtschaften zu ermöglichen und nicht zu bremsen.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Unternehmen langfristig wieder 30 Prozent der Vorprodukte in China beschafft, hält Fehrmann für gering. Inzwischen seien parallel zu viele andere Lieferanten aufgebaut worden: „Wir vergeben Aufträge strategisch an geschätzte Lieferanten, die wir bewusst auch bei der Stange halten wollen.“
Kerstin Kloss
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 5-2020 erschienen.