Ende November hat die russische Regierung eine umfassende Neuordnung des Systems der staatlichen Entwicklungsinstitute und eine deutliche Reduzierung des Beamtenapparats angekündigt. Ziel ist eine effizientere staatliche Verwaltung – und die Konsolidierung der Macht.
Neben der allgegenwärtigen Corona-Pandemie dominierte Ende November ein weiteres Thema die Schlagzeilen in der russischen Presse: Regierungschef Michail Mischustin kündigte eine umfassende Neuordnung des Systems der staatlichen Agenturen und Korporationen, der sogenannten Entwicklungsinstitute, an. Darunter fallen rund 40 staatliche Einrichtungen, deren Ziel die Entwicklung konkreter Bereiche in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ist. Schon einige Tage zuvor hatte Mischustin verkündet, dass man den aufgeblähten und nicht immer effizienten russischen Beamtenapparat reduzieren wolle. Dazu sollen in den kommenden Monaten fünf Prozent der Stellen in den föderalen und zehn Prozent in den regionalen Behörden eingespart werden.
In erster Linie verfolgen diese Maßnahmen das Ziel, die Arbeit der Behörden zu optimieren und auf die aktuellen Entwicklungsziele auszurichten. Und tatsächlich ist der Kreml auch mit der Arbeit vieler Entwicklungsinstitute unzufrieden. In deren Budgets wird sehr viel Geld gebunden, ohne dass man gegenüber der Bevölkerung nennenswerte Erfolge vorweisen kann. Und hier kommen wir zum Kern der Sache: Es sieht ganz danach aus, dass die Machthaber eine gewisse Nervosität wegen der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation im Land verspüren. Dies hat natürlich mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun, aber auch damit, was sich durch ebendiese Pandemie aktuell verschleiern lässt: die Tatsache, dass sich die heimische Wirtschaft bereits seit 2013 in einer tiefen Stagnation befindet. Dies wird insbesondere im Vergleich zu anderen Schwellenländern deutlich. Und ganz offensichtlich kann die Regierung keinen sicheren Weg aus der Sackgasse präsentieren. Hierzu wären radikalere Entscheidungen nötig, zu denen aus meiner Sicht derzeit aber niemand bereit ist. Deshalb handelt der Kreml so, wie auch viele andere in derselben Situation handeln würden – die Gesellschaft beruhigen.
Stabilität als Basis des Machterhalts
In der politischen Elite Russlands werden derzeit alle Kräfte darauf konzentriert, den Sieg der Regierungspartei „Einiges Russland“ bei den Parlamentswahlen 2021 sicherzustellen. Dafür sind konsolidierte Institutionen unabdingbar, aber noch wichtiger, eine konsolidierte Führungsriege, die nach innen und außen Zuversicht verströmt. In diesem Zusammenhang überrascht es deshalb auch nicht, dass der Kreml vor einigen Wochen die Chefs mehrerer Ministerien ausgetauscht und mit frischen Leuten neu besetzt hat. Offenbar hat Präsident Putin Michail Mischustin das Recht auf eine eigene Mannschaft zugesichert, mit der er die formulierten Ziele erreichen soll.
Das vorrangigste Ziel der Regierung wird es sein, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die soziale Ruhe im Land aufrechtzuerhalten. Weite Teile der russischen Gesellschaft erwarten von der Politik eine konkrete Verbesserung ihrer Lebensumstände. Denn Fakt ist: Russland läuft wirtschaftlich nur noch hinterher. Dies bekommen die Menschen in Form von zurückgehenden Realeinkommen und eines spürbaren Ansteigens der Nahrungsmittelkosten zu spüren. Darüber kann auch der verhältnismäßig moderate Rückgang der Wirtschaftsleistung in der Krise nicht hinwegtäuschen, die von der Politik immer wieder als Argument für die Stabilität des Systems angeführt wird. In der Konsequenz heißt das, dass Mischustin und seine Regierung als „Feuerwehrlöscher“ arbeiten müssen, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.
Prof. Ruslan Grinberg
Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Wirtschaft an der Russischen Akademie der Wissenschaften
Grinberg kommentiert: Machtkonsolidierung als oberstes Gebot
Ende November hat die russische Regierung eine umfassende Neuordnung des Systems der staatlichen Entwicklungsinstitute und eine deutliche Reduzierung des Beamtenapparats angekündigt. Ziel ist eine effizientere staatliche Verwaltung – und die Konsolidierung der Macht.
Neben der allgegenwärtigen Corona-Pandemie dominierte Ende November ein weiteres Thema die Schlagzeilen in der russischen Presse: Regierungschef Michail Mischustin kündigte eine umfassende Neuordnung des Systems der staatlichen Agenturen und Korporationen, der sogenannten Entwicklungsinstitute, an. Darunter fallen rund 40 staatliche Einrichtungen, deren Ziel die Entwicklung konkreter Bereiche in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ist. Schon einige Tage zuvor hatte Mischustin verkündet, dass man den aufgeblähten und nicht immer effizienten russischen Beamtenapparat reduzieren wolle. Dazu sollen in den kommenden Monaten fünf Prozent der Stellen in den föderalen und zehn Prozent in den regionalen Behörden eingespart werden.
In erster Linie verfolgen diese Maßnahmen das Ziel, die Arbeit der Behörden zu optimieren und auf die aktuellen Entwicklungsziele auszurichten. Und tatsächlich ist der Kreml auch mit der Arbeit vieler Entwicklungsinstitute unzufrieden. In deren Budgets wird sehr viel Geld gebunden, ohne dass man gegenüber der Bevölkerung nennenswerte Erfolge vorweisen kann. Und hier kommen wir zum Kern der Sache: Es sieht ganz danach aus, dass die Machthaber eine gewisse Nervosität wegen der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation im Land verspüren. Dies hat natürlich mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun, aber auch damit, was sich durch ebendiese Pandemie aktuell verschleiern lässt: die Tatsache, dass sich die heimische Wirtschaft bereits seit 2013 in einer tiefen Stagnation befindet. Dies wird insbesondere im Vergleich zu anderen Schwellenländern deutlich. Und ganz offensichtlich kann die Regierung keinen sicheren Weg aus der Sackgasse präsentieren. Hierzu wären radikalere Entscheidungen nötig, zu denen aus meiner Sicht derzeit aber niemand bereit ist. Deshalb handelt der Kreml so, wie auch viele andere in derselben Situation handeln würden – die Gesellschaft beruhigen.
Stabilität als Basis des Machterhalts
In der politischen Elite Russlands werden derzeit alle Kräfte darauf konzentriert, den Sieg der Regierungspartei „Einiges Russland“ bei den Parlamentswahlen 2021 sicherzustellen. Dafür sind konsolidierte Institutionen unabdingbar, aber noch wichtiger, eine konsolidierte Führungsriege, die nach innen und außen Zuversicht verströmt. In diesem Zusammenhang überrascht es deshalb auch nicht, dass der Kreml vor einigen Wochen die Chefs mehrerer Ministerien ausgetauscht und mit frischen Leuten neu besetzt hat. Offenbar hat Präsident Putin Michail Mischustin das Recht auf eine eigene Mannschaft zugesichert, mit der er die formulierten Ziele erreichen soll.
Das vorrangigste Ziel der Regierung wird es sein, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die soziale Ruhe im Land aufrechtzuerhalten. Weite Teile der russischen Gesellschaft erwarten von der Politik eine konkrete Verbesserung ihrer Lebensumstände. Denn Fakt ist: Russland läuft wirtschaftlich nur noch hinterher. Dies bekommen die Menschen in Form von zurückgehenden Realeinkommen und eines spürbaren Ansteigens der Nahrungsmittelkosten zu spüren. Darüber kann auch der verhältnismäßig moderate Rückgang der Wirtschaftsleistung in der Krise nicht hinwegtäuschen, die von der Politik immer wieder als Argument für die Stabilität des Systems angeführt wird. In der Konsequenz heißt das, dass Mischustin und seine Regierung als „Feuerwehrlöscher“ arbeiten müssen, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.
Prof. Ruslan Grinberg
Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Wirtschaft an der Russischen Akademie der Wissenschaften