Von einer geheimen, mysteriösen Bahn im Moskauer Untergrund, genannt „Metro 2“, wird schon seit mehreren Jahrzehnten hinter vorgehaltener Hand gemunkelt. Wir bringen etwas Licht ins Dunkel.
Besonders beliebt ist das Thema bei den sogenannten „Diggern“, den selbsternannten Untergrundforschern, Abenteurern, die sogar Führungen über versteckte Abzweiggleise und Stationen anbieten – illegal, versteht sich. Unbestätigt, aber allgemein angenommen soll sich einer der Haupteingänge zu dieser „Metro 2“ im Innenhof des Gebäudekomplexes für das Verteidigungsministerium neben der Metrostation Arbatskaja befinden und ein anderer Zugang gleich unter der berüchtigten ehemaligen KGB-Zentrale am Lubjanka Platz. Was jedoch ganz gewiss existiert, sind die Tiefbauten, die parallel zur öffentlich betriebenen Metro für den Fall eines kriegerischen Atomangriffs errichtet wurden und von dieser aus zugänglich sind.
Einer dieser weitläufigen Bunkeranlagen ist der „Bunker 42“. Er ist nahe der Metrostation Taganskaja in der Moskauer Innenstadt im Laufe der 1950er-Jahre angelegt und eingerichtet worden. Er kann einen ganzen Monat lang autonom ohne Hilfe von außen genutzt und betrieben werden. Während des Kalten Krieges beherbergte er als erster kernwaffensicherer Bunker die Führung der sowjetischen nuklearen Luftstreitkräfte. Erst 2008 wurde er offiziell freigegeben, und heute steht er der Bevölkerung und Stadtbesuchern als Museum offen. Ein in dieser „Bunker 42“-Atrraktion beschäftigter Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will, winkt ab: Ihm fehle jede Information zu einer verborgenen U-Bahnstrecke, die dahingehenden ominösen Behauptungen der „Digger“ seien als Fake zu bezeichnen. Allerdings, so präzisierte er, Bunker dieser Art hätten sehr wohl geheime Gänge gehabt, aber das wäre auch alles.
Unmögliches möglich gemacht
Zum wahren geschichtlichen Hintergrund: Als in den USA die ersten Atombomben gebaut wurden, ordnete Sowjetführer Stalin unverzüglich an, zugleich mit eigenen Atombomben auch Einrichtungen und Mittel zum Schutz vor dieser neuen, verheerenden Waffe zu entwickeln. Deshalb wurde befehlsgemäß 1950 mit dem Bau des „Bunkers 42“ begonnen. Der Konstruktionsentwurf und die Tiefe von circa 65 Metern wurden anhand der Ergebnisse der Kernwaffentests gewählt, die in der Sowjetunion 1949 durchgeführt worden waren. Im Ernstfall sollte diese Anlage ein sicherer Arbeitsraum für die leitenden Offiziellen der UdSSR werden, die gegen alle Einwirkungen einer Kernexplosion geschützt werden mussten.
Der identifizierte Standort am Taganski-Hügel wurde nicht zufällig gewählt. Der Bunker musste nämlich in der Nähe des Moskauer Kremls liegen. Dabei war die zunächst scheinbar unlösbare Aufgabe zu bewältigen, eine solche Riesenanlage im Zentrum Moskaus zu errichten, ohne die städtischen Versorgungsnetze zu beschädigen. Vor allem aber sollten die Bauarbeiten und ihre Zwecke vor den Bürgern und vor ausländischen Geheimdiensten geheim gehalten werden. Für die immensen Bauarbeiten wurden die bestmöglichen Fachleute ausgewählt, die im geforderten Stalin-Tempo alles ausführten. Die ausgehobenen Erdmassen wurden durch vier Schächte entsorgt, wie sie gewöhnlich nur bei der Tunnelung des Metro-Netzes gebohrt wurden.
Der Endausbau erfolgte 1954. Über drei Jahrzehnte lang, bis 1986, wurden die sowjetischen Langstreckenbomber von diesem Bunker aus kommandiert. Dann musste er, da er für die militärischen Arsenale und Einrichtungen der 1950er-Jahre ausgelegt war. Die neue Leitwarte für die Fernfliegerkräfte und ihre Präzisionswaffen zog daher an einen geeigneteren Ort. Der 7.000 Quadratmeter große Befehlsbunker an der Metrostation Taganskaja blieb aber unverändert als historisches Denkmal erhalten.
Warum hatte der Bunker aber eigentlich die Kennung 42 bekommen? Die 4 steht für die Schutzklasse gemäß einer militärischen Klassifizierung. 1 signalisiert mit einer Solltiefe von mindestens 300 Metern den stärksten Schutz gegen moderne Kernwaffen, 2 bis 5 entsprechend weniger laut dem damaligen sowjetischen Atomschutzprojekt. Es wurden insgesamt acht Anlagen vom Typ „Bunker 42“ gebaut, nur drei sind davon erhalten geblieben. Außer dem „Bunker 42“ in Moskau gibt es einen in Samara und einen weiteren in Sewastopol im Inneren eines Felsens angelegt. Die 2 bezeichnet die laufende Bunkernummer des Taganskaja-Bunkers.
Der allererste Bunker stammt noch aus dem Jahre 1942. Er befindet sich im Moskauer Bezirk Ismailowo unter einem Fußballfeld. Die Wahl eines Standorts im Osten der Hauptstadt ist vor allem auf die Annahme zurückzuführen, dass die deutsche Wehrmacht aus dem Westen angreifen würde, und die Wahl des Fußballfeldes kommt auch nicht von ungefähr: Die deutschen Armeen, so wusste man, verschonten Fußballfelder vor Bombenangriffen in der Absicht, sie später für allerlei Veranstaltungen verwenden zu können. Die Anlage liegt in nur neun Metern Tiefe, aber ihre Gesamtfläche betrug 120.000 Quadratmeter, Platz für eine ganze Panzereinheit. Nur 500 Quadratmeter sind davon übrig geblieben. Jener Bunker war durch eine geheime 17 Kilometer lange U-Bahn direkt mit dem Kreml verbunden, die es heute nicht mehr gibt.
„Bunker 42“: autark und sicher
„Bunker 42“ bot alles, was für die Sicherung des Lebensunterhalts notwendig ist: unabhängige Lüftung, Wasser- und Stromversorgungsanlagen, Lebensmittel. In einem Gebäude über dem Bunker war ein einziger Offizier stationiert, der dafür sorgte, dass es wie eine Bücherei aussah, der aber den ganzen Bunker mobilmachen konnte. Dies geschah auch einmal in den Tagen der Kuba-Krise, zwischen dem 17. und 27. Oktober 1962. Der Personalbestand des Bunkers betrug damals 2.500 Personen, 625 je Schicht, die jeweils 24 Stunden dauerte. Diejenigen, die sich am 17. Oktober, als die Krise ihren Höhepunkt erreicht hatte, zur Schicht gemeldet hatten, blieben für zehn Tage im Bunker eingeschlossen. Sie waren in Bereitschaft, einem dritten Weltkrieg standzuhalten. Der Befehl über einen Atomschlag im Falle des Konflikts sollte von diesem Bunker aus erteilt werden. Glücklicherweise ist er nicht ergangen.
1985 wurden dringend notwendige Renovierungsarbeiten begonnen. Die Anlage wurde vollständig entkernt. Nichts blieb in seiner ursprünglichen Form, sie wurde nicht einmal fotografisch dokumentiert, denn das Fotografieren war strengstens verboten. 1990 wurde die Finanzierung für den Umbau des „Bunkers 42“ eingestellt. Seine Verwendung entsprechend dem ursprünglich vorgesehenen Zweck wurde als sinnlos erkannt.
Heutzutage können die Museumsbesucher nur noch den Gang betreten, der von Generälen benutzt wurde; an ihm lagen ihre Büroräume. Während der Kuba-Krise waren hier 26 Generäle aktiv. Sie und auch alle anderen Soldaten kamen entweder in Zivilkleidung oder in der Uniform der Metroangestellten. Seinerzeit befand sich hier auch das geplante Arbeitszimmer Stalins, der allerdings die Inbetriebnahme des Bunkers nicht mehr erlebte.
Zum guten Schluss: Was die geheime „Metro 2“ betrifft, ließe sich noch hinzufügen, dass beim Aufenthalt in der Metrostation Arbatskaja der Filjowskaja-Linie ein sonderbares Tor auffällt – unmöglich, sich ihm anzunähern, und stets verriegelt. Ist es einer der Eingänge zur „Metro 2“? Man könnte meinen, auch die ewig geschlossenen Übergänge in anderen Stationen seien nicht ganz ohne Grund geschlossen. Und sind die neuen Stationen vielleicht auf Resten des stillgelegten Netzes der verschwiegenen Regierungsmetro errichtet? Oder will man es besser nicht wissen.
Geschäftsreise und Kultur: Das Geheimnis um die Moskauer „Metro 2“
Von einer geheimen, mysteriösen Bahn im Moskauer Untergrund, genannt „Metro 2“, wird schon seit mehreren Jahrzehnten hinter vorgehaltener Hand gemunkelt. Wir bringen etwas Licht ins Dunkel.
Besonders beliebt ist das Thema bei den sogenannten „Diggern“, den selbsternannten Untergrundforschern, Abenteurern, die sogar Führungen über versteckte Abzweiggleise und Stationen anbieten – illegal, versteht sich. Unbestätigt, aber allgemein angenommen soll sich einer der Haupteingänge zu dieser „Metro 2“ im Innenhof des Gebäudekomplexes für das Verteidigungsministerium neben der Metrostation Arbatskaja befinden und ein anderer Zugang gleich unter der berüchtigten ehemaligen KGB-Zentrale am Lubjanka Platz. Was jedoch ganz gewiss existiert, sind die Tiefbauten, die parallel zur öffentlich betriebenen Metro für den Fall eines kriegerischen Atomangriffs errichtet wurden und von dieser aus zugänglich sind.
Einer dieser weitläufigen Bunkeranlagen ist der „Bunker 42“. Er ist nahe der Metrostation Taganskaja in der Moskauer Innenstadt im Laufe der 1950er-Jahre angelegt und eingerichtet worden. Er kann einen ganzen Monat lang autonom ohne Hilfe von außen genutzt und betrieben werden. Während des Kalten Krieges beherbergte er als erster kernwaffensicherer Bunker die Führung der sowjetischen nuklearen Luftstreitkräfte. Erst 2008 wurde er offiziell freigegeben, und heute steht er der Bevölkerung und Stadtbesuchern als Museum offen. Ein in dieser „Bunker 42“-Atrraktion beschäftigter Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will, winkt ab: Ihm fehle jede Information zu einer verborgenen U-Bahnstrecke, die dahingehenden ominösen Behauptungen der „Digger“ seien als Fake zu bezeichnen. Allerdings, so präzisierte er, Bunker dieser Art hätten sehr wohl geheime Gänge gehabt, aber das wäre auch alles.
Unmögliches möglich gemacht
Zum wahren geschichtlichen Hintergrund: Als in den USA die ersten Atombomben gebaut wurden, ordnete Sowjetführer Stalin unverzüglich an, zugleich mit eigenen Atombomben auch Einrichtungen und Mittel zum Schutz vor dieser neuen, verheerenden Waffe zu entwickeln. Deshalb wurde befehlsgemäß 1950 mit dem Bau des „Bunkers 42“ begonnen. Der Konstruktionsentwurf und die Tiefe von circa 65 Metern wurden anhand der Ergebnisse der Kernwaffentests gewählt, die in der Sowjetunion 1949 durchgeführt worden waren. Im Ernstfall sollte diese Anlage ein sicherer Arbeitsraum für die leitenden Offiziellen der UdSSR werden, die gegen alle Einwirkungen einer Kernexplosion geschützt werden mussten.
Der identifizierte Standort am Taganski-Hügel wurde nicht zufällig gewählt. Der Bunker musste nämlich in der Nähe des Moskauer Kremls liegen. Dabei war die zunächst scheinbar unlösbare Aufgabe zu bewältigen, eine solche Riesenanlage im Zentrum Moskaus zu errichten, ohne die städtischen Versorgungsnetze zu beschädigen. Vor allem aber sollten die Bauarbeiten und ihre Zwecke vor den Bürgern und vor ausländischen Geheimdiensten geheim gehalten werden. Für die immensen Bauarbeiten wurden die bestmöglichen Fachleute ausgewählt, die im geforderten Stalin-Tempo alles ausführten. Die ausgehobenen Erdmassen wurden durch vier Schächte entsorgt, wie sie gewöhnlich nur bei der Tunnelung des Metro-Netzes gebohrt wurden.
Der Endausbau erfolgte 1954. Über drei Jahrzehnte lang, bis 1986, wurden die sowjetischen Langstreckenbomber von diesem Bunker aus kommandiert. Dann musste er, da er für die militärischen Arsenale und Einrichtungen der 1950er-Jahre ausgelegt war. Die neue Leitwarte für die Fernfliegerkräfte und ihre Präzisionswaffen zog daher an einen geeigneteren Ort. Der 7.000 Quadratmeter große Befehlsbunker an der Metrostation Taganskaja blieb aber unverändert als historisches Denkmal erhalten.
Warum hatte der Bunker aber eigentlich die Kennung 42 bekommen? Die 4 steht für die Schutzklasse gemäß einer militärischen Klassifizierung. 1 signalisiert mit einer Solltiefe von mindestens 300 Metern den stärksten Schutz gegen moderne Kernwaffen, 2 bis 5 entsprechend weniger laut dem damaligen sowjetischen Atomschutzprojekt. Es wurden insgesamt acht Anlagen vom Typ „Bunker 42“ gebaut, nur drei sind davon erhalten geblieben. Außer dem „Bunker 42“ in Moskau gibt es einen in Samara und einen weiteren in Sewastopol im Inneren eines Felsens angelegt. Die 2 bezeichnet die laufende Bunkernummer des Taganskaja-Bunkers.
Der allererste Bunker stammt noch aus dem Jahre 1942. Er befindet sich im Moskauer Bezirk Ismailowo unter einem Fußballfeld. Die Wahl eines Standorts im Osten der Hauptstadt ist vor allem auf die Annahme zurückzuführen, dass die deutsche Wehrmacht aus dem Westen angreifen würde, und die Wahl des Fußballfeldes kommt auch nicht von ungefähr: Die deutschen Armeen, so wusste man, verschonten Fußballfelder vor Bombenangriffen in der Absicht, sie später für allerlei Veranstaltungen verwenden zu können. Die Anlage liegt in nur neun Metern Tiefe, aber ihre Gesamtfläche betrug 120.000 Quadratmeter, Platz für eine ganze Panzereinheit. Nur 500 Quadratmeter sind davon übrig geblieben. Jener Bunker war durch eine geheime 17 Kilometer lange U-Bahn direkt mit dem Kreml verbunden, die es heute nicht mehr gibt.
„Bunker 42“: autark und sicher
„Bunker 42“ bot alles, was für die Sicherung des Lebensunterhalts notwendig ist: unabhängige Lüftung, Wasser- und Stromversorgungsanlagen, Lebensmittel. In einem Gebäude über dem Bunker war ein einziger Offizier stationiert, der dafür sorgte, dass es wie eine Bücherei aussah, der aber den ganzen Bunker mobilmachen konnte. Dies geschah auch einmal in den Tagen der Kuba-Krise, zwischen dem 17. und 27. Oktober 1962. Der Personalbestand des Bunkers betrug damals 2.500 Personen, 625 je Schicht, die jeweils 24 Stunden dauerte. Diejenigen, die sich am 17. Oktober, als die Krise ihren Höhepunkt erreicht hatte, zur Schicht gemeldet hatten, blieben für zehn Tage im Bunker eingeschlossen. Sie waren in Bereitschaft, einem dritten Weltkrieg standzuhalten. Der Befehl über einen Atomschlag im Falle des Konflikts sollte von diesem Bunker aus erteilt werden. Glücklicherweise ist er nicht ergangen.
1985 wurden dringend notwendige Renovierungsarbeiten begonnen. Die Anlage wurde vollständig entkernt. Nichts blieb in seiner ursprünglichen Form, sie wurde nicht einmal fotografisch dokumentiert, denn das Fotografieren war strengstens verboten. 1990 wurde die Finanzierung für den Umbau des „Bunkers 42“ eingestellt. Seine Verwendung entsprechend dem ursprünglich vorgesehenen Zweck wurde als sinnlos erkannt.
Heutzutage können die Museumsbesucher nur noch den Gang betreten, der von Generälen benutzt wurde; an ihm lagen ihre Büroräume. Während der Kuba-Krise waren hier 26 Generäle aktiv. Sie und auch alle anderen Soldaten kamen entweder in Zivilkleidung oder in der Uniform der Metroangestellten. Seinerzeit befand sich hier auch das geplante Arbeitszimmer Stalins, der allerdings die Inbetriebnahme des Bunkers nicht mehr erlebte.
Zum guten Schluss: Was die geheime „Metro 2“ betrifft, ließe sich noch hinzufügen, dass beim Aufenthalt in der Metrostation Arbatskaja der Filjowskaja-Linie ein sonderbares Tor auffällt – unmöglich, sich ihm anzunähern, und stets verriegelt. Ist es einer der Eingänge zur „Metro 2“? Man könnte meinen, auch die ewig geschlossenen Übergänge in anderen Stationen seien nicht ganz ohne Grund geschlossen. Und sind die neuen Stationen vielleicht auf Resten des stillgelegten Netzes der verschwiegenen Regierungsmetro errichtet? Oder will man es besser nicht wissen.
Oleg Nikolajew, Moskauer Lokaljournalist