Raffael Gurschler ist beim österreichischen Möbelbeschlägehersteller Blum für die Verkäufe in Russland und der GUS verantwortlich. Wir sprechen mit ihm über den derzeitigen Boom auf Heimmöbel in Russland, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Geschäftsentwicklung des Unternehmens und zukünftige Ziele.
Herr Gurschler, was macht Blum eigentlich?
Wir stellen in dritter Generation Möbelbeschläge für Klappen, Türen und Auszüge her. Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden Technologie-Lösungen an, die zum Beispiel ein sanftes Schließen von Schubladen ermöglichen. Mittlerweile sind wir mit unseren Produkten in über 120 Ländern vertreten – entweder durch Tochtergesellschaften, Vertretungen oder Händler. Unser Zuhause liegt aber im Vorarlberg am Bodensee. Hier sind über 6.000 Mitarbeiter für uns tätig.
Wann haben Sie den russischen Markt für sich entdeckt und was waren seinerzeit die Gründe für den Markteintritt?
Blum fährt schon seit langer Zeit eine Strategie der Internationalisierung. Es begann in 1960er Jahren, als wir zuerst nach Deutschland und dann in andere Nachbarmärkte expandiert haben. Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ waren wir unter den ersten westlichen Herstellern, die Geschäftsverbindungen nach Russland aufgebaut haben. Die ersten Lieferungen nach Russland wurden 1995 abgewickelt. Anfangs gab es Kontakte zu einer Firma, die europäische Fensterbeschläge importierte und wenig später gründete Blum eine Niederlassung zum Vertrieb der eigenen Produkte.
Welche Rolle spielt der russische Markt für Ihr Unternehmen heute?
Russland zählt auf jeden Fall zu den Top 10. Dementsprechend beobachten wir die Entwicklungen vor Ort ganz genau. Wir haben in Russland eine Tochterfirma in der Region Moskau und drei Vertretungen – in Kaliningrad, Jekaterinburg und Nowosibirsk. Hinzu kommt ein breit aufgestelltes Händlernetz mit über 60 Verkaufsstellen und Beschlagfachhändlern. So können wir ganz Russland gut beliefern. Als Familienunternehmen legen wir viel Wert auf langfristige Partnerschaften, die für uns die Grundlage für ein stabiles Geschäft sind. Mit vertrauensvollen Beziehungen hat man in der Regel langfristig Erfolg.
Mit welchen Herausforderungen wurden und werden Sie in Russland konfrontiert?
Natürlich haben wir die ein oder andere Krise mitgemacht. Vom Platzen der Dotcom-Blase 2000 über die ein oder andere Rubelkrise bis hin zum Ukraine-Konflikt 2014/15. Vor allem wegen Letzterer mussten wir empfindliche Einbußen hinnehmen. Es hat einige Jahre gedauert, bis wir wieder die Vorkrisenwerte erreicht hatten. Allerdings waren wir zu diesem Zeitpunkt schon sehr breit in Russland aufgestellt und tief im Markt drin.
Ein Rückzug aus dem Markt war also nie eine Option für Blum?
Nein, nie. Wenn wir einen Markt erschließen, dann tun wir dies langfristig. Das haben wir nicht nur in Russland, sondern auch in der Ukraine gemacht. Viele unserer Mitbewerber haben sich in Folge des Konflikts im Osten des Landes aus dem Markt zurückgezogen, weil die Risiken zu groß wurden. Wir aber haben weiter investiert und können heute von dieser Entscheidung profitieren. Ein weiteres Beispiel ist Kasachstan, wo wir vor drei Jahren eine Tochterfirma gegründet haben, um noch näher am Kunden zu sein. Durch Corona ist die Nachfrage in Zentralasien dann sprichwörtlich explodiert und wir waren froh, eine richtige Repräsentanz und ein vollwertiges Warenlager vor Ort zu haben. Es hat sich zudem ausgezahlt, dass wir in all diesen Ländern stets Partner ins Boot geholt haben, die die finanziellen Voraussetzungen und die Geduld dafür mitbringen, durch eine Krise zu kommen.
Ist auch die Lokalisierung der Produktion in Russland für Blum eine Option?
Wir haben momentan eine lokale Fertigung in den USA. Dies ist notwendig, da dort Möbel anders konstruiert sind. Anstatt der europäischen Korpus-Bauweise verbauen die Amerikaner frontseitig Massivholzrahmen und drum herum dünnere Spanplatten. Hierfür benötigt es spezielle Beschlaglösungen. Zudem haben wir eine kleine Produktion in Brasilien und lokalisieren derzeit in Polen und China – mit Endmontage für den Bedarf des lokalen Marktes.
Russland und die GUS-Region beliefern wir von unserem Stammsitz in Österreich aus und sind mit dieser Lösung zufrieden. Die Lieferzeiten sind nicht allzu lang – ein LKW braucht zwischen fünf und sieben Tagen bis Moskau, bis Jekaterinburg sind es zehn Tage. Mit der Eisenbahn sind wir in drei bis vier Wochen in Nowosibirsk. Wenn sich der Markt jedoch entsprechend entwickelt, wird man sich mit lokaler Produktion beschäftigen müssen. Derzeit ist das in Russland kein Thema.
Stichpunkt Marktentwicklung. Wie entwickelt sich für Sie der russische Markt aktuell?
In Russland befinden wir uns gerade in einer absoluten Hochphase bei der Nachfrage nach Heimmöbeln. Unsere Kunden berichten uns von Zuwächsen in Höhe von 15 bis 20 Prozent. Teilweise stoßen die russischen Hersteller bereits an ihre Kapazitätsgrenzen und müssen Aufträge ablehnen oder ihre Lieferzeiten erhöhen. Wir führen es darauf zurück, dass die Menschen als Folge von Corona mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Zudem sind die Russen in Zeiten von schnellen Währungsentwertungen eher bereit, Geld in hochwertige Küchen- und Wohnmöbel anzulegen.
Wie sehr hat die Corona-Krise Ihrem Geschäft geschadet?
Natürlich mussten wir gewisse Einbußen hinnehmen. Diese waren aber überraschenderweise nicht so langanhaltend, wie ursprünglich angenommen. Eigentlich gingen wir und auch die Mehrheit unserer Vertriebspartner von einem sehr schlechten Sommer aus. Wie sich herausgestellt hat, lagen wir alle falsch. Uns hat insbesondere der Aufholeffekt erstaunt. Sobald die russische Regierung die Beschränkungen aufgehoben hatte, kam es zu einem richtigen Run der Konsumenten und Hersteller. Es ging zeitweise kometenhaft nach oben.
Beobachten Sie in Russland eine aufkommende Konkurrenz durch lokale oder asiatische Hersteller?
Für Möbelbeschläge gibt es eigentlich keine russischen Hersteller. Es gab während der Sowjetunion und auch kurz danach einige, zumeist staatliche oder teil-staatliche, Unternehmen, die es versucht haben. Das Problem war aber immer die Qualität, die nicht konstant gehalten werden konnte.
Die asiatischen Mitbewerber steigern sich immer mehr, auch hinsichtlich Verarbeitung und Produktqualität. Rein von der Menge her übertreffen Beschläge asiatischer Produzenten das Volumen europäischer um ein Vielfaches. Allerdings legen die meisten Möbelhersteller im mittleren und gehobenen Segment – und hier vor allem auch höherwertige Tischler – großen Wert auf westliche Qualität. Durch laufende Weiterentwicklung neuer und Ergänzung bestehender Produkte werden wir unsere Position jedoch halten und weiter ausbauen. Dies unterstreichen wir durch ein breites Angebot an digitalen und analogen Serviceleistungen für unsere unterschiedlichen Zielgruppen.
Welche Ziele verfolgt Blum in Russland?
Wir haben uns fest vorgenommen, die Regionen besser zu durchdringen. Dazu wollen wir das Händlernetz noch besser koordinieren und nach weiteren lokalen Partnern suchen. Zudem wollen wir uns im Bereich eCommerce stärker aufstellen. Zwar arbeiten unsere Partner auf lokaler Ebene bereits sehr viel mit Zustellservice, aber beim Ausbau von Online-Bestellplattformen besteht noch Potenzial. Dies fordern unsere Kunden zunehmend ein.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.
Interview: „Wenn wir in einen Markt reingehen, dann tun wir dies langfristig“
Raffael Gurschler ist beim österreichischen Möbelbeschlägehersteller Blum für die Verkäufe in Russland und der GUS verantwortlich. Wir sprechen mit ihm über den derzeitigen Boom auf Heimmöbel in Russland, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Geschäftsentwicklung des Unternehmens und zukünftige Ziele.
Herr Gurschler, was macht Blum eigentlich?
Wir stellen in dritter Generation Möbelbeschläge für Klappen, Türen und Auszüge her. Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden Technologie-Lösungen an, die zum Beispiel ein sanftes Schließen von Schubladen ermöglichen. Mittlerweile sind wir mit unseren Produkten in über 120 Ländern vertreten – entweder durch Tochtergesellschaften, Vertretungen oder Händler. Unser Zuhause liegt aber im Vorarlberg am Bodensee. Hier sind über 6.000 Mitarbeiter für uns tätig.
Wann haben Sie den russischen Markt für sich entdeckt und was waren seinerzeit die Gründe für den Markteintritt?
Blum fährt schon seit langer Zeit eine Strategie der Internationalisierung. Es begann in 1960er Jahren, als wir zuerst nach Deutschland und dann in andere Nachbarmärkte expandiert haben. Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ waren wir unter den ersten westlichen Herstellern, die Geschäftsverbindungen nach Russland aufgebaut haben. Die ersten Lieferungen nach Russland wurden 1995 abgewickelt. Anfangs gab es Kontakte zu einer Firma, die europäische Fensterbeschläge importierte und wenig später gründete Blum eine Niederlassung zum Vertrieb der eigenen Produkte.
Welche Rolle spielt der russische Markt für Ihr Unternehmen heute?
Russland zählt auf jeden Fall zu den Top 10. Dementsprechend beobachten wir die Entwicklungen vor Ort ganz genau. Wir haben in Russland eine Tochterfirma in der Region Moskau und drei Vertretungen – in Kaliningrad, Jekaterinburg und Nowosibirsk. Hinzu kommt ein breit aufgestelltes Händlernetz mit über 60 Verkaufsstellen und Beschlagfachhändlern. So können wir ganz Russland gut beliefern. Als Familienunternehmen legen wir viel Wert auf langfristige Partnerschaften, die für uns die Grundlage für ein stabiles Geschäft sind. Mit vertrauensvollen Beziehungen hat man in der Regel langfristig Erfolg.
Mit welchen Herausforderungen wurden und werden Sie in Russland konfrontiert?
Natürlich haben wir die ein oder andere Krise mitgemacht. Vom Platzen der Dotcom-Blase 2000 über die ein oder andere Rubelkrise bis hin zum Ukraine-Konflikt 2014/15. Vor allem wegen Letzterer mussten wir empfindliche Einbußen hinnehmen. Es hat einige Jahre gedauert, bis wir wieder die Vorkrisenwerte erreicht hatten. Allerdings waren wir zu diesem Zeitpunkt schon sehr breit in Russland aufgestellt und tief im Markt drin.
Ein Rückzug aus dem Markt war also nie eine Option für Blum?
Nein, nie. Wenn wir einen Markt erschließen, dann tun wir dies langfristig. Das haben wir nicht nur in Russland, sondern auch in der Ukraine gemacht. Viele unserer Mitbewerber haben sich in Folge des Konflikts im Osten des Landes aus dem Markt zurückgezogen, weil die Risiken zu groß wurden. Wir aber haben weiter investiert und können heute von dieser Entscheidung profitieren. Ein weiteres Beispiel ist Kasachstan, wo wir vor drei Jahren eine Tochterfirma gegründet haben, um noch näher am Kunden zu sein. Durch Corona ist die Nachfrage in Zentralasien dann sprichwörtlich explodiert und wir waren froh, eine richtige Repräsentanz und ein vollwertiges Warenlager vor Ort zu haben. Es hat sich zudem ausgezahlt, dass wir in all diesen Ländern stets Partner ins Boot geholt haben, die die finanziellen Voraussetzungen und die Geduld dafür mitbringen, durch eine Krise zu kommen.
Ist auch die Lokalisierung der Produktion in Russland für Blum eine Option?
Wir haben momentan eine lokale Fertigung in den USA. Dies ist notwendig, da dort Möbel anders konstruiert sind. Anstatt der europäischen Korpus-Bauweise verbauen die Amerikaner frontseitig Massivholzrahmen und drum herum dünnere Spanplatten. Hierfür benötigt es spezielle Beschlaglösungen. Zudem haben wir eine kleine Produktion in Brasilien und lokalisieren derzeit in Polen und China – mit Endmontage für den Bedarf des lokalen Marktes.
Russland und die GUS-Region beliefern wir von unserem Stammsitz in Österreich aus und sind mit dieser Lösung zufrieden. Die Lieferzeiten sind nicht allzu lang – ein LKW braucht zwischen fünf und sieben Tagen bis Moskau, bis Jekaterinburg sind es zehn Tage. Mit der Eisenbahn sind wir in drei bis vier Wochen in Nowosibirsk. Wenn sich der Markt jedoch entsprechend entwickelt, wird man sich mit lokaler Produktion beschäftigen müssen. Derzeit ist das in Russland kein Thema.
Stichpunkt Marktentwicklung. Wie entwickelt sich für Sie der russische Markt aktuell?
In Russland befinden wir uns gerade in einer absoluten Hochphase bei der Nachfrage nach Heimmöbeln. Unsere Kunden berichten uns von Zuwächsen in Höhe von 15 bis 20 Prozent. Teilweise stoßen die russischen Hersteller bereits an ihre Kapazitätsgrenzen und müssen Aufträge ablehnen oder ihre Lieferzeiten erhöhen. Wir führen es darauf zurück, dass die Menschen als Folge von Corona mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Zudem sind die Russen in Zeiten von schnellen Währungsentwertungen eher bereit, Geld in hochwertige Küchen- und Wohnmöbel anzulegen.
Wie sehr hat die Corona-Krise Ihrem Geschäft geschadet?
Natürlich mussten wir gewisse Einbußen hinnehmen. Diese waren aber überraschenderweise nicht so langanhaltend, wie ursprünglich angenommen. Eigentlich gingen wir und auch die Mehrheit unserer Vertriebspartner von einem sehr schlechten Sommer aus. Wie sich herausgestellt hat, lagen wir alle falsch. Uns hat insbesondere der Aufholeffekt erstaunt. Sobald die russische Regierung die Beschränkungen aufgehoben hatte, kam es zu einem richtigen Run der Konsumenten und Hersteller. Es ging zeitweise kometenhaft nach oben.
Beobachten Sie in Russland eine aufkommende Konkurrenz durch lokale oder asiatische Hersteller?
Für Möbelbeschläge gibt es eigentlich keine russischen Hersteller. Es gab während der Sowjetunion und auch kurz danach einige, zumeist staatliche oder teil-staatliche, Unternehmen, die es versucht haben. Das Problem war aber immer die Qualität, die nicht konstant gehalten werden konnte.
Die asiatischen Mitbewerber steigern sich immer mehr, auch hinsichtlich Verarbeitung und Produktqualität. Rein von der Menge her übertreffen Beschläge asiatischer Produzenten das Volumen europäischer um ein Vielfaches. Allerdings legen die meisten Möbelhersteller im mittleren und gehobenen Segment – und hier vor allem auch höherwertige Tischler – großen Wert auf westliche Qualität. Durch laufende Weiterentwicklung neuer und Ergänzung bestehender Produkte werden wir unsere Position jedoch halten und weiter ausbauen. Dies unterstreichen wir durch ein breites Angebot an digitalen und analogen Serviceleistungen für unsere unterschiedlichen Zielgruppen.
Welche Ziele verfolgt Blum in Russland?
Wir haben uns fest vorgenommen, die Regionen besser zu durchdringen. Dazu wollen wir das Händlernetz noch besser koordinieren und nach weiteren lokalen Partnern suchen. Zudem wollen wir uns im Bereich eCommerce stärker aufstellen. Zwar arbeiten unsere Partner auf lokaler Ebene bereits sehr viel mit Zustellservice, aber beim Ausbau von Online-Bestellplattformen besteht noch Potenzial. Dies fordern unsere Kunden zunehmend ein.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.