Wir fragen Eugen Alles, langjähriger Chef der Frankfurter Messe in Russland, wie der drittgrößte Messeveranstalter der Welt die Pandemiezeit überstanden hat und wie das Messegeschäft in Russland in diesem Jahr weitergehen wird.
Herr Alles, was macht ein Messeveranstalter in einer Zeit, in der auch in Russland keine Messen laufen dürfen?
In der Tat haben wir seit März 2020 keine Messen mehr in Russland veranstaltet, wenn man von ganz kleinen Ausnahmen im vergangenen Herbst absieht, als die russische Regierung für einige Wochen wieder die Organisation von Veranstaltungen erlaubt hatte. In Europa war die Situation sehr ähnlich – in Frankfurt hatten wir Ende Februar 2020 die letzten Veranstaltungen organisiert.
Was macht man in dieser Zeit? Wir versuchen, mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben, besprechen mit ihnen die Planungen für das Jahr 2021 und sie möglichst gut auf die kommenden Events vorzubereiten. Hier geht es in erster Linie um die Einhaltung der neuen Sicherheitskonzepte. Zudem informieren wir unsere Kunden über die veränderten Rahmenbedingungen in den jeweiligen Regionen und stellen für sie aktuelle Wirtschaftsdaten über die Märkte zusammen. Aufgrund des großen Firmensterbens ist das ein sehr wichtiger Aspekt. Unsere Kunden müssen darauf vorbereitet sein, wenn bestimmte Besucher gar nicht mehr an einer Messe teilnehmen oder sich die Anzahl der Besucher verändert.
Das weltweite Messegeschäft hat durch den Lockdown sehr gelitten. Wie gravierend war der Ausfall der Veranstaltungen für die Frankfurter Messe?
Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil wir als drittgrößte Messegesellschaft der Welt auf vielen unterschiedlichen Märkten präsent sind. In Frankfurt selbst haben wir den Lockdown einigermaßen glimpflich überstanden. Dies hängt damit zusammen, dass wir im Januar und Februar mit der „Ambiente“ (weltweit größte Konsumgütermesse, Anm. d. Red.) und der „Heimtextil“ noch zwei große Messen veranstalten konnten. Damit haben wir 25-30 Prozent von unserem Portfolio umsetzen können, was in diesen Zeiten viel ist.
Nichtdestotrotz haben wir natürlich immense Einbußen hinnehmen müssen und insgesamt Zweidrittel des Umsatzes verloren. Dennoch schauen wir zuversichtlich in die Zukunft. Wovon wir im vergangenen Jahr zum Beispiel sehr profitiert haben, ist unsere Stärke im chinesischen Markt, wo wir mittlerweile einen signifikanten Teil unseres Umsatzes generieren. Durch eine konsequente Abschottungspolitik hatten die Chinesen das Virus im Juni nahezu besiegt, sodass ab August wieder Messen veranstaltet werden durften. Dies hat der Messe Frankfurt als Gesamtunternehmen sehr geholfen.
Oberbürgermeister Sergej Sobjanin hat Ende letzter Woche die Durchführung von Messen in Moskau wieder erlaubt. Der Neustart wurde lange von der Branche herbeigesehnt. Wann findet Ihre erste Messe nach dem Restart statt?
Die erste Messe 2021, die „dairy tech“, organisiert von der Hyve Group, findet bereits diese Woche statt. Das ist insofern interessant, als dass bei dem Event zum ersten Mal die neuen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Die Einhaltung des neuen Sicherheitskonzepts wird von den Behörden ganz genau geprüft und wird den Veranstaltern sehr viel abverlangen.
Unsere erste eigenständige Veranstaltung ist Ende März die „Modern Bakery“, die größte Veranstaltung für die Brotherstellung in Russland. Diese B2B-Messe hat eine sehr hohe Qualität und ist auch im Customer Care Index ganz weit oben angesiedelt. Wie Sie wissen, ist Brot in Russland ein heiliges Thema und das Event entsprechend sehr relevant. Die „Modern Bakery“ findet in diesem Jahr unter starker deutscher Beteiligung statt. Es werden insgesamt zehn deutsche Unternehmen dabei sein, die vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert werden, und sich gemeinsam im Deutschen Pavillon präsentieren. Zusammen mit der AHK Russland werden wir diese Unternehmen bestmöglich betreuen.
Welche wichtigen Messen haben Sie in diesem Jahr ansonsten noch geplant?
Wir haben in diesem Jahr alle geplanten Messen im Programm. Bis Ende des Jahres sind es insgesamt 15 Veranstaltungen. Zu den Highlights gehören sicherlich neben der „Automechanika Moscow“, der drittgrößten Messe in Russland, die „Comtrans“, die zweitgrößte Nutzfahrzeugmesse der Welt, die „Interlight + Intelligent Building Russia“, die Designer, Architekten und Ingenieure als Zielpublikum hat sowie die „Prolight+Sound“, eine renommierte Musikmesse und eine der größten Messen in Russland überhaupt.
Wird sich das Konzept der Messen verändern – gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie? Ersetzt die Digitalisierung nicht einen Teil des Messegeschäfts?
Um es auf den Punkt zu bringen: Eine hybride Messe ist so ähnlich wie ein hybrides Essen. Wir sprechen zwar ständig von digitalen und virtuellen Messen, aber kein Mensch weiß eigentlich genau, wie das wirklich funktionieren soll. Auch die Messe Frankfurt hat ein digitales Messekonzept erstellt und es im vergangenen Jahr im Rahmen diverser Messen umgesetzt. Allerdings war das Ergebnis recht ernüchternd. Wir haben recht schnell gemerkt, dass das Geschäftsmodell der klassischen Messe gar nicht so sehr in Gefahr ist, wie befürchtet. Im Nachgang der „digitalen“ Messen mussten wir feststellen, dass unsere Kunden nicht unbedingt auf „digitale“ Formate warten, sondern sich stattdessen nach einer normalen Kommunikation sehnen.
Wir müssen hier in Zukunft deshalb sehr behutsam vorgehen. Ich persönlich denke zwar nicht, dass wir wieder komplett zum klassischen Messerkonzept zurückkehren werden. Aber wir müssen all denen, die in der Lage sind, an einer physischen Messe teilzunehmen, diese Plattform auch bieten. Für diejenigen, die diese Möglichkeit nicht haben, werden wir gewisse virtuelle Möglichkeiten der Teilnahme anbieten. Der virtuelle Teil muss aber nicht unbedingt parallel zur klassischen Messe stattfinden, sondern kann direkt im Anschluss organisiert werden. Hierfür kann die Dauer der Messe um einige Tage erweitert werden.
Wann ist die Messe-Welt wieder so heil wie 2019?
Die Antwort darauf ist ganz einfach: Dann, wenn die großen internationalen Leitmessen wieder stattfinden können und wenn sowohl auf der Seite der Aussteller als auch auf der der Besucher alle wieder physisch teilnehmen können. Dazu muss eine gewisse Herdenimmunität erreicht werden. Momentan sieht es leider nicht danach aus. Eine wirkliche Veränderung der Situation erwarte ich nicht vor Beginn der Herbstsaison im September.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.
Interview: „Eine hybride Messe ist wie hybrides Essen“
Wir fragen Eugen Alles, langjähriger Chef der Frankfurter Messe in Russland, wie der drittgrößte Messeveranstalter der Welt die Pandemiezeit überstanden hat und wie das Messegeschäft in Russland in diesem Jahr weitergehen wird.
Herr Alles, was macht ein Messeveranstalter in einer Zeit, in der auch in Russland keine Messen laufen dürfen?
In der Tat haben wir seit März 2020 keine Messen mehr in Russland veranstaltet, wenn man von ganz kleinen Ausnahmen im vergangenen Herbst absieht, als die russische Regierung für einige Wochen wieder die Organisation von Veranstaltungen erlaubt hatte. In Europa war die Situation sehr ähnlich – in Frankfurt hatten wir Ende Februar 2020 die letzten Veranstaltungen organisiert.
Was macht man in dieser Zeit? Wir versuchen, mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben, besprechen mit ihnen die Planungen für das Jahr 2021 und sie möglichst gut auf die kommenden Events vorzubereiten. Hier geht es in erster Linie um die Einhaltung der neuen Sicherheitskonzepte. Zudem informieren wir unsere Kunden über die veränderten Rahmenbedingungen in den jeweiligen Regionen und stellen für sie aktuelle Wirtschaftsdaten über die Märkte zusammen. Aufgrund des großen Firmensterbens ist das ein sehr wichtiger Aspekt. Unsere Kunden müssen darauf vorbereitet sein, wenn bestimmte Besucher gar nicht mehr an einer Messe teilnehmen oder sich die Anzahl der Besucher verändert.
Das weltweite Messegeschäft hat durch den Lockdown sehr gelitten. Wie gravierend war der Ausfall der Veranstaltungen für die Frankfurter Messe?
Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil wir als drittgrößte Messegesellschaft der Welt auf vielen unterschiedlichen Märkten präsent sind. In Frankfurt selbst haben wir den Lockdown einigermaßen glimpflich überstanden. Dies hängt damit zusammen, dass wir im Januar und Februar mit der „Ambiente“ (weltweit größte Konsumgütermesse, Anm. d. Red.) und der „Heimtextil“ noch zwei große Messen veranstalten konnten. Damit haben wir 25-30 Prozent von unserem Portfolio umsetzen können, was in diesen Zeiten viel ist.
Nichtdestotrotz haben wir natürlich immense Einbußen hinnehmen müssen und insgesamt Zweidrittel des Umsatzes verloren. Dennoch schauen wir zuversichtlich in die Zukunft. Wovon wir im vergangenen Jahr zum Beispiel sehr profitiert haben, ist unsere Stärke im chinesischen Markt, wo wir mittlerweile einen signifikanten Teil unseres Umsatzes generieren. Durch eine konsequente Abschottungspolitik hatten die Chinesen das Virus im Juni nahezu besiegt, sodass ab August wieder Messen veranstaltet werden durften. Dies hat der Messe Frankfurt als Gesamtunternehmen sehr geholfen.
Oberbürgermeister Sergej Sobjanin hat Ende letzter Woche die Durchführung von Messen in Moskau wieder erlaubt. Der Neustart wurde lange von der Branche herbeigesehnt. Wann findet Ihre erste Messe nach dem Restart statt?
Die erste Messe 2021, die „dairy tech“, organisiert von der Hyve Group, findet bereits diese Woche statt. Das ist insofern interessant, als dass bei dem Event zum ersten Mal die neuen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Die Einhaltung des neuen Sicherheitskonzepts wird von den Behörden ganz genau geprüft und wird den Veranstaltern sehr viel abverlangen.
Unsere erste eigenständige Veranstaltung ist Ende März die „Modern Bakery“, die größte Veranstaltung für die Brotherstellung in Russland. Diese B2B-Messe hat eine sehr hohe Qualität und ist auch im Customer Care Index ganz weit oben angesiedelt. Wie Sie wissen, ist Brot in Russland ein heiliges Thema und das Event entsprechend sehr relevant. Die „Modern Bakery“ findet in diesem Jahr unter starker deutscher Beteiligung statt. Es werden insgesamt zehn deutsche Unternehmen dabei sein, die vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert werden, und sich gemeinsam im Deutschen Pavillon präsentieren. Zusammen mit der AHK Russland werden wir diese Unternehmen bestmöglich betreuen.
Welche wichtigen Messen haben Sie in diesem Jahr ansonsten noch geplant?
Wir haben in diesem Jahr alle geplanten Messen im Programm. Bis Ende des Jahres sind es insgesamt 15 Veranstaltungen. Zu den Highlights gehören sicherlich neben der „Automechanika Moscow“, der drittgrößten Messe in Russland, die „Comtrans“, die zweitgrößte Nutzfahrzeugmesse der Welt, die „Interlight + Intelligent Building Russia“, die Designer, Architekten und Ingenieure als Zielpublikum hat sowie die „Prolight+Sound“, eine renommierte Musikmesse und eine der größten Messen in Russland überhaupt.
Wird sich das Konzept der Messen verändern – gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie? Ersetzt die Digitalisierung nicht einen Teil des Messegeschäfts?
Um es auf den Punkt zu bringen: Eine hybride Messe ist so ähnlich wie ein hybrides Essen. Wir sprechen zwar ständig von digitalen und virtuellen Messen, aber kein Mensch weiß eigentlich genau, wie das wirklich funktionieren soll. Auch die Messe Frankfurt hat ein digitales Messekonzept erstellt und es im vergangenen Jahr im Rahmen diverser Messen umgesetzt. Allerdings war das Ergebnis recht ernüchternd. Wir haben recht schnell gemerkt, dass das Geschäftsmodell der klassischen Messe gar nicht so sehr in Gefahr ist, wie befürchtet. Im Nachgang der „digitalen“ Messen mussten wir feststellen, dass unsere Kunden nicht unbedingt auf „digitale“ Formate warten, sondern sich stattdessen nach einer normalen Kommunikation sehnen.
Wir müssen hier in Zukunft deshalb sehr behutsam vorgehen. Ich persönlich denke zwar nicht, dass wir wieder komplett zum klassischen Messerkonzept zurückkehren werden. Aber wir müssen all denen, die in der Lage sind, an einer physischen Messe teilzunehmen, diese Plattform auch bieten. Für diejenigen, die diese Möglichkeit nicht haben, werden wir gewisse virtuelle Möglichkeiten der Teilnahme anbieten. Der virtuelle Teil muss aber nicht unbedingt parallel zur klassischen Messe stattfinden, sondern kann direkt im Anschluss organisiert werden. Hierfür kann die Dauer der Messe um einige Tage erweitert werden.
Wann ist die Messe-Welt wieder so heil wie 2019?
Die Antwort darauf ist ganz einfach: Dann, wenn die großen internationalen Leitmessen wieder stattfinden können und wenn sowohl auf der Seite der Aussteller als auch auf der der Besucher alle wieder physisch teilnehmen können. Dazu muss eine gewisse Herdenimmunität erreicht werden. Momentan sieht es leider nicht danach aus. Eine wirkliche Veränderung der Situation erwarte ich nicht vor Beginn der Herbstsaison im September.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.