Der Kieler Anbieter Ahowa lässt für seinen Onlineshop in China produzieren. Im Coronajahr ging vieles hopplahopp, fast wäre die Ware für das Weihnachtsgeschäft 2020 nicht rechtzeitig eingetroffen. Anstatt das Spielzeug zu verschiffen, organisierte die Spedition Gebrüder Weiss den Bahntransport über 9.000 Kilometer. ChinaContact hat die Transportkette Schritt für Schritt verfolgt.
Bei Alexander Waaps Geschäft kommt es auf Schnelligkeit an. Der Kieler Onlinehändler vertreibt Rollpferde mit Sattel und Halfter für Kleinkinder, seine Ware bezieht er in China. „Der Dezember ist bei uns der umsatzstärkste Monat des Jahres“, sagt er. Für die Peak Season orderte er 1.320 „Galoppos“ in sechs verschiedenen Modellen bei seinem Lieferanten in der Provinz Zhejiang. Aber weil der Unternehmer im Laufe des Coronajahres 2020 vieles wie bei einem Hindernisparcours bewältigen musste, bestellte er die Plüschtiere für das Weihnachtsgeschäft zu spät. Anstatt im August ging der Auftrag erst im Oktober nach China raus. Zu spät, um die vielen Reittiere herzustellen und dann rechtzeitig per Seefracht nach Norddeutschland zu transportieren.
Schiffe auf Reede, Mangel an Leercontainern und dazu noch Verspätungen Aktuell gibt es voraussichtlich bis nach dem chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar 2021 „eine verengte Situation“ bei Seefrachtimporten aus China. Volker Meyer, Key Account Manager bei der Spedition Gebrüder Weiss (GW) in Hamburg, berichtet: „Viele Schiffe bleiben momentan auf Reede, dadurch wollen die Reedereien die Raten nach oben treiben.“ Meyer arbeitet seit über 20 Jahren mit Waap zusammen, aber dem gelernten Speditionskaufmann hat die Seefracht schon mal mehr Freude gemacht. Jetzt sieht er überall „enorme Probleme bei den Asien-Europa-Verkehren“. Denn zusätzlich zum verknappten und verteuerten Laderaum sind derzeit kaum Leercontainer zu bekommen. Außerdem häufen sich deutliche Schiffsverspätungen: „Manchmal dauert es bis zu zehn Tage länger als im Fahrplan vorgeschrieben.“ Doch die Galoppos haben es eilig.
Meyer kontaktiert deshalb das GW-Büro in Peking, das auch Bahnfracht von China nach Deutschland abwickelt. Schienengüterverkehre auf der Neuen Seidenstraße erleben als Alternative zum Seetransport seit Beginn der Covid-19-Pandemie einen Schub (siehe dazu ChinaContact 3/2020, Seite 22) – zu immer höheren Preisen. Nachdem GW zwei Container für die Galoppos gebucht hat, bekommen Meyers chinesische Kollegen nur gegen Aufpreis einen Stellplatz auf dem Zug zugesichert: „Bahnoperateure priorisierten gut bezahlte Ladung“, kommentiert Meyer. Ein Containertransport auf der Schiene von Xi’an nach Hamburg kostet ihm zufolge inzwischen das Vierfache des Seetransports von Shanghai bis an die Elbe. Waap bleibt keine Wahl – Mitte November hat sich sein 1.000 Quadratmeter großes Lager im Norden von Kiel geleert, sämtliche Galoppo-Modelle sind ausverkauft.
In der südlichen Nachbarprovinz von Shanghai werden die Spielzeugpferde in einer Fabrik in der Stadt Yongkang hergestellt. „Das ist dort ein gemischtes Industrie- und Wohngebiet, wo mehrere kleine Unternehmen ansässig sind“, berichtet Waap. Der Geschäftsführer der Ahowa GmbH war vor Corona regelmäßig in China, hatte dort auf einer Messe Rollpferde gesehen und über seine chinesische Mitarbeiterin den Lieferanten ausfindig gemacht. Fast alle Vorprodukte wie das Gestell werden direkt im Werk produziert, nur die Rollen und das Fell beschafft der Hersteller bei anderen Unternehmen in China.
Ohne Zollagent ist „Papierkram“ nicht zu bewältigen Während die Nähmaschinen in Yongkang rattern, bucht das Pekinger GW-Büro Laderaum beim Bahnoperateur International Trade & Logistics (ITL) in Xi’an. Das muss etwa zwei Wochen vor der geplanten Abfahrt passieren – je früher, desto besser. Die beiden Leercontainer für die Galoppos beschafft GW in Shanghai, weil es im nächsten Depot in Ningbo gerade kein Equipment gibt. Außerdem beauftragt die Spedition ein lokales Lkw-Unternehmen, damit es die Stahlboxen mindesten sieben Tage vor dem voraussichtlichen Start des Zuges lädt.
Unterdessen werden die fertigen Rollpferde im Werk einzeln kartoniert; die Verkaufspackung für den Endkunden wurde in Yongkang speziell für den Kieler Onlinehändler bedruckt. „Aus Platzgründen wird der Kopf abgeschraubt und zwischen den Beinen verstaut, dann hat man ein deutlich kleineres Packmaß“, sagt Waap. Die Beladung dauert pro 40-Fuß-Container am 10. und 13. November je zwei Stunden an der Rampe. Per Lkw gelangen die Spielzeugpferde von der Fabrik in Zhejiang nach Xi’an. Nach fast 1.400 Kilometern erreichen die Container nach jeweils drei Tagen den fast 1,4 Quadratkilometer großen Containerbahnhof am östlichen Endpunkt der Seidenstraße.
Für die Export-Zollabfertigung muss das Pekinger GW-Büro einen Zollagenten beauftragen. „ITL, der Zoll und der Bahnhof haben jeweils ein anderes IT-System. Das bedeutet viel Papierkram“, sagt Paul Liu aus dem Rail-Sea-Projektteam bei GW in Peking. In Xi’an in der Provinz Shaanxi werden die Container zwischengelagert, bis der Bahnhof alle Dokumente inklusive Bahnfrachtbrief genehmigt hat. Sobald ITL den bestätigten Fahrplan für den gesamten Zug vom Bahnhof erhalten hat, kann GW die Stahlboxen direkt ans Gleis liefern. „Der Zoll muss die Container vor zwölf Uhr mittags am Vortag des Abfahrtstages freigeben, sonst können wir den Zug nicht mehr erreichen“, erklärt Liu. Ladeschluss ist am 16. November, dann rollt der „China-Railway Express Chang’an“ am 18. November mit den Rollpferden Richtung Westen.
Die Reise über Kasachstan, Russland, Belarus und Polen wird 18 Tage dauern, über 9.000 Kilometer sind bis Hamburg zurückzulegen. An der chinesisch-kasachischen Grenze müssen die Container erstmals umgeladen werden, weil die Spurbreite wechselt. Alles läuft nach Plan. Erst beim erneuten Umspuren zwischen Brest und Malacewicze, dem Nadelöhr an der belarussisch-polnischen Grenze, kommt es durch Rückstau zu zwei Tagen Wartezeit.
Fast geschafft – Spielzeugponys erreichen Kiel-Friedrichsort Bei Zugankunft in Hamburg-Billwerder am 3. Dezember nimmt GW die Verzollung selbst in die Hand. Von den Kollegen aus China erhält Meyer per Mail Bahnfrachtbrief, Rechnung und die sogenannte ATB-Nummer. Mit dieser Registrierungsnummer der Zollsoftware ATLAS kann die Spedition die Onlineverzollung über das System des Hamburger IT-Dienstleisters Dakosy durchführen. Meyer erklärt, dass die Bahnfracht ein Zollguttransport ist: „Die ATB-Nummer lösen wir ab mit einer anhängigen Verzollung zum freien Verkehr.“ An das für den Nachlauf bis Kiel beauftragte Lkw-Unternehmen übermittelt die Spedition die Freistellnummer und das Pickup-Terminal der Deutschen Umschlaggesellschaft Schiene–Straße GmbH (DUSS) für die beiden Container. Am 7. Dezember übernimmt der Straßentransporteur die Container, und nach 2,5 Stunden Autobahnfahrt kann Waap die Galoppos am Koppelberg in Kiel-Friedrichsort einlagern. Die Rollpferde haben 27 Tage zuvor die Fabrik in China verlassen.
Der Onlinehändler ist zuversichtlich, dass er die frisch eingetroffenen Spielzeugponys in den verbleibenden gut zwei Wochen bis Weihnachten alle verkaufen und den Endkunden rechtzeitig zustellen kann. Ahowa vertreibt die Galoppos über die Amazon-Händlerplattform in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Die Auslieferung übernimmt hierzulande vor allem der Paketdienst GLS Germany. Bestseller ist laut Waap „das große Schwarze, dicht gefolgt vom großen Einhorn“.
Plüschponys auf der eisernen Seidenstraße
Der Kieler Anbieter Ahowa lässt für seinen Onlineshop in China produzieren. Im Coronajahr ging vieles hopplahopp, fast wäre die Ware für das Weihnachtsgeschäft 2020 nicht rechtzeitig eingetroffen. Anstatt das Spielzeug zu verschiffen, organisierte die Spedition Gebrüder Weiss den Bahntransport über 9.000 Kilometer. ChinaContact hat die Transportkette Schritt für Schritt verfolgt.
Bei Alexander Waaps Geschäft kommt es auf Schnelligkeit an. Der Kieler Onlinehändler vertreibt Rollpferde mit Sattel und Halfter für Kleinkinder, seine Ware bezieht er in China. „Der Dezember ist bei uns der umsatzstärkste Monat des Jahres“, sagt er. Für die Peak Season orderte er 1.320 „Galoppos“ in sechs verschiedenen Modellen bei seinem Lieferanten in der Provinz Zhejiang. Aber weil der Unternehmer im Laufe des Coronajahres 2020 vieles wie bei einem Hindernisparcours bewältigen musste, bestellte er die Plüschtiere für das Weihnachtsgeschäft zu spät. Anstatt im August ging der Auftrag erst im Oktober nach China raus. Zu spät, um die vielen Reittiere herzustellen und dann rechtzeitig per Seefracht nach Norddeutschland zu transportieren.
Schiffe auf Reede, Mangel an Leercontainern und dazu noch Verspätungen
Aktuell gibt es voraussichtlich bis nach dem chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar 2021 „eine verengte Situation“ bei Seefrachtimporten aus China. Volker Meyer, Key Account Manager bei der Spedition Gebrüder Weiss (GW) in Hamburg, berichtet: „Viele Schiffe bleiben momentan auf Reede, dadurch wollen die Reedereien die Raten nach oben treiben.“ Meyer arbeitet seit über 20 Jahren mit Waap zusammen, aber dem gelernten Speditionskaufmann hat die Seefracht schon mal mehr Freude gemacht. Jetzt sieht er überall „enorme Probleme bei den Asien-Europa-Verkehren“. Denn zusätzlich zum verknappten und verteuerten Laderaum sind derzeit kaum Leercontainer zu bekommen. Außerdem häufen sich deutliche Schiffsverspätungen: „Manchmal dauert es bis zu zehn Tage länger als im Fahrplan vorgeschrieben.“ Doch die Galoppos haben es eilig.
Meyer kontaktiert deshalb das GW-Büro in Peking, das auch Bahnfracht von China nach Deutschland abwickelt. Schienengüterverkehre auf der Neuen Seidenstraße erleben als Alternative zum Seetransport seit Beginn der Covid-19-Pandemie einen Schub (siehe dazu ChinaContact 3/2020, Seite 22) – zu immer höheren Preisen. Nachdem GW zwei Container für die Galoppos gebucht hat, bekommen Meyers chinesische Kollegen nur gegen Aufpreis einen Stellplatz auf dem Zug zugesichert: „Bahnoperateure priorisierten gut bezahlte Ladung“, kommentiert Meyer. Ein Containertransport auf der Schiene von Xi’an nach Hamburg kostet ihm zufolge inzwischen das Vierfache des Seetransports von Shanghai bis an die Elbe. Waap bleibt keine Wahl – Mitte November hat sich sein 1.000 Quadratmeter großes Lager im Norden von Kiel geleert, sämtliche Galoppo-Modelle sind ausverkauft.
In der südlichen Nachbarprovinz von Shanghai werden die Spielzeugpferde in einer Fabrik in der Stadt Yongkang hergestellt. „Das ist dort ein gemischtes Industrie- und Wohngebiet, wo mehrere kleine Unternehmen ansässig sind“, berichtet Waap. Der Geschäftsführer der Ahowa GmbH war vor Corona regelmäßig in China, hatte dort auf einer Messe Rollpferde gesehen und über seine chinesische Mitarbeiterin den Lieferanten ausfindig gemacht. Fast alle Vorprodukte wie das Gestell werden direkt im Werk produziert, nur die Rollen und das Fell beschafft der Hersteller bei anderen Unternehmen in China.
Ohne Zollagent ist „Papierkram“ nicht zu bewältigen
Während die Nähmaschinen in Yongkang rattern, bucht das Pekinger GW-Büro Laderaum beim Bahnoperateur International Trade & Logistics (ITL) in Xi’an. Das muss etwa zwei Wochen vor der geplanten Abfahrt passieren – je früher, desto besser. Die beiden Leercontainer für die Galoppos beschafft GW in Shanghai, weil es im nächsten Depot in Ningbo gerade kein Equipment gibt. Außerdem beauftragt die Spedition ein lokales Lkw-Unternehmen, damit es die Stahlboxen mindesten sieben Tage vor dem voraussichtlichen Start des Zuges lädt.
Unterdessen werden die fertigen Rollpferde im Werk einzeln kartoniert; die Verkaufspackung für den Endkunden wurde in Yongkang speziell für den Kieler Onlinehändler bedruckt. „Aus Platzgründen wird der Kopf abgeschraubt und zwischen den Beinen verstaut, dann hat man ein deutlich kleineres Packmaß“, sagt Waap. Die Beladung dauert pro 40-Fuß-Container am 10. und 13. November je zwei Stunden an der Rampe. Per Lkw gelangen die Spielzeugpferde von der Fabrik in Zhejiang nach Xi’an. Nach fast 1.400 Kilometern erreichen die Container nach jeweils drei Tagen den fast 1,4 Quadratkilometer großen Containerbahnhof am östlichen Endpunkt der Seidenstraße.
Für die Export-Zollabfertigung muss das Pekinger GW-Büro einen Zollagenten beauftragen. „ITL, der Zoll und der Bahnhof haben jeweils ein anderes IT-System. Das bedeutet viel Papierkram“, sagt Paul Liu aus dem Rail-Sea-Projektteam bei GW in Peking. In Xi’an in der Provinz Shaanxi werden die Container zwischengelagert, bis der Bahnhof alle Dokumente inklusive Bahnfrachtbrief genehmigt hat. Sobald ITL den bestätigten Fahrplan für den gesamten Zug vom Bahnhof erhalten hat, kann GW die Stahlboxen direkt ans Gleis liefern. „Der Zoll muss die Container vor zwölf Uhr mittags am Vortag des Abfahrtstages freigeben, sonst können wir den Zug nicht mehr erreichen“, erklärt Liu. Ladeschluss ist am 16. November, dann rollt der „China-Railway Express Chang’an“ am 18. November mit den Rollpferden Richtung Westen.
Die Reise über Kasachstan, Russland, Belarus und Polen wird 18 Tage dauern, über 9.000 Kilometer sind bis Hamburg zurückzulegen. An der chinesisch-kasachischen Grenze müssen die Container erstmals umgeladen werden, weil die Spurbreite wechselt. Alles läuft nach Plan. Erst beim erneuten Umspuren zwischen Brest und Malacewicze, dem Nadelöhr an der belarussisch-polnischen Grenze, kommt es durch Rückstau zu zwei Tagen Wartezeit.
Fast geschafft – Spielzeugponys erreichen Kiel-Friedrichsort
Bei Zugankunft in Hamburg-Billwerder am 3. Dezember nimmt GW die Verzollung selbst in die Hand. Von den Kollegen aus China erhält Meyer per Mail Bahnfrachtbrief, Rechnung und die sogenannte ATB-Nummer. Mit dieser Registrierungsnummer der Zollsoftware ATLAS kann die Spedition die Onlineverzollung über das System des Hamburger IT-Dienstleisters Dakosy durchführen. Meyer erklärt, dass die Bahnfracht ein Zollguttransport ist: „Die ATB-Nummer lösen wir ab mit einer anhängigen Verzollung zum freien Verkehr.“ An das für den Nachlauf bis Kiel beauftragte Lkw-Unternehmen übermittelt die Spedition die Freistellnummer und das Pickup-Terminal der Deutschen Umschlaggesellschaft Schiene–Straße GmbH (DUSS) für die beiden Container. Am 7. Dezember übernimmt der Straßentransporteur die Container, und nach 2,5 Stunden Autobahnfahrt kann Waap die Galoppos am Koppelberg in Kiel-Friedrichsort einlagern. Die Rollpferde haben 27 Tage zuvor die Fabrik in China verlassen.
Der Onlinehändler ist zuversichtlich, dass er die frisch eingetroffenen Spielzeugponys in den verbleibenden gut zwei Wochen bis Weihnachten alle verkaufen und den Endkunden rechtzeitig zustellen kann. Ahowa vertreibt die Galoppos über die Amazon-Händlerplattform in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Die Auslieferung übernimmt hierzulande vor allem der Paketdienst GLS Germany. Bestseller ist laut Waap „das große Schwarze, dicht gefolgt vom großen Einhorn“.
Kerstin Kloss
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 6-2020 erschienen.