Chinas ehrgeizige Klimaschutzpläne treiben energieeffizientes Bauen voran. Aber wie sieht es bei der tatsächlichen Umsetzung aus? Deutsch-chinesische Kooperationen zeigen hier nachhaltige Wege auf.
„Der stark ausbaufähige Bereich der Energieeffizienz bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück“, stellt Dr. Stefanie Schmitt, GERMANY TRADE & INVEST (GTAI), Peking, fest. Die jahrelang aufrechterhaltene Erwartung, beides müsse sozusagen mit steigenden Einkommen oder wachsendem Umwelt- und Anspruchsbewusstsein zunehmen, habe sich in der Masse nicht erfüllt. „Außer bei wenigen Vorzeigeprojekten und im höchstpreisigen Villenbau, bei dem keine Komponente teuer genug sein kann, spielen Fragen der Qualität oder der Energieeffizienz, sofern nicht gesetzlich vorgeschrieben, keine Rolle. Die Rendite ist für die Baugesellschaften das einzige Kriterium“, so Schmitt. „Somit bleibt Energieeffizienz ein Lippenbekenntnis, ohne das – im Verbund mit dem amerikanischen LEED-Standard – zwar kein Gebäude ausgeschrieben wird, aber die in der Ausführung komplett auf der Strecke bleibt.“ Tatsächlich wird nach wie vor so gebaut, „dass es gerade noch irgendwie passt“.
„Eine weitere Besonderheit war, dass wir die Bauqualität bis zum Ende betreuen und überprüfen konnten.“
Stephan Schütz, gmp
Dass es auch anderes geht, zeigt gmp – Architekten von Gerkan, Marg und Partner. Seit rund zwanzig Jahren in China hat gmp dort nicht nur unzählige Wettbewerbe gewonnen, sondern Projekte auch realisiert. 2011 setzten sich gmp gemeinsam mit dem Büro CABR Peking beim Wettbewerb für den Um- und Erweiterungsbau des Chinesischen Nationalmuseums in Peking durch. „Früher als andere haben wir energieeffiziente Maßnahmen umgesetzt: Neben einem Gründach haben wir eine Photovoltaikanlage installiert sowie eine Flächenheizung in den Fußböden statt der damals üblichen Luftgebläse. Eine weitere Besonderheit war, dass wir die Bauqualität bis zum Ende betreuen und überprüfen konnten“, betont gmp-Partner Stephan Schütz, „und das ist bei unseren Projekten in China bis heute so.“
Öffentliche Gebäude als grüne Oasen 2020 hat die Asian Infrastructure Investment Bank AIIB mit 103 Mitgliedsstaaten ihren neuen Hauptsitz in Peking bezogen, eine grüne Oase, in ihrer räumlichen Konzeption inspiriert vom traditionellen Hofhaus. 8.000 Menschen gehen hier täglich ein und aus und erleben, wie der Entwurf von gmp umgesetzt worden ist. Bepflanzte Skydecks als „Gärten der Welt“, nach den Regeln der traditionellen chinesischen Gartenkunst gestaltete Höfe, riesige Bäume aus den asiatischen Mitgliedsstaaten, die schon während der Bauphase mit großem Aufwand gesetzt wurden, schaffen Atmosphäre und ein gutes Raumklima. Während Photovoltaikelemente und die Geothermieanlage Energie erzeugen, sorgt die klimaaktive, zweischichtige Fassade mit innenliegendem Sonnenschutz für Temperaturausgleich. Die Energie der verbrauchten Raumluft dient der Kühlung oder Heizung der Glasflächen.
So konnte das Gebäude innerhalb der kurzen Planungs- und Bauzeit von nur vier Jahren in ökologischer Hinsicht maximale Standards erreichen: das chinesische Green Building Label CGBL (Three-Star) als höchste Zertifizierungsstufe für ökologisch nachhaltige Gebäude in China und die LEED (Leadership in Energy and Environmental Design)-Zertifizierung in Platin. „Ähnlich wie auch LEED und DGNB bewertet das chinesische Three-Star-Zertifikat nicht nur energieeffizientes Bauen, sondern auch Flächenverbrauch, Ressourcenverbrauch, Materialeinsatz und Konstruktion, Kreislaufwirtschaft – zielt also letztlich auf das Wohlbefinden der Menschen“, so Schütz und betont: „Ein Zertifizierungsprozess beginnt bereits früh in der Planungsphase und umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bis hin zum Recycling. In der Planung wird ein bestimmtes Zertifikat angestrebt und dieses bei Nachweis der Qualität bei Fertigstellung ausgestellt.“
Zusammenarbeit bei Zertifizierung und Vorzeigeprojekten Das DGNB-Zertifizierungssystem hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) e.V. entwickelt, um nachhaltiges Bauen praktisch anwendbar, messbar und damit vergleichbar zu machen. Es bezieht die Umwelt, den Menschen und die Wirtschaftlichkeit gleichermaßen ein, und das über den gesamten Lebenszyklus. Das DGNB-System kommt weltweit zum Einsatz und entwickelt sich stetig weiter. Auch in und mit China, wo die DGNB seit 2009 aktiv ist. Neben der Ausbildung von Experten für nachhaltiges Bauen erarbeitet das DGNB-China-Team Doppelzertifizierungen mit chinesischem Green-Building-Standard. Erste Projekte, die 2019 beide Zertifizierungen erhielten, sind das Suqian Yang River Logistics Hub Building in der Provinz Jiangsu und das Wohnprojekt Gezhouba Purple County Residence in Shanghai.
„Wenn ein Bauherr uns beauftragt, dann weiß er, worauf er sich einlässt. Bei uns gibt es keine ‚sustainability light‘.“
Peter Ruge, Peter Ruge Architekten
Das erste Gebäude, das in China für seine nachhaltige Bauweise mit dem DGNB-Zertifikat in Platin ausgezeichnet wurde, ist das 2014 fertiggestellte Passivhaus Bruck in Changxing – ein Vorzeigeprojekt des chinesischen Immobilienentwicklers Landsea, geplant und betreut von Peter Ruge Architekten. „Wir haben bewiesen, dass energieeffizientes Bauen im feuchtwarmen Klima Südchinas planbar und in der lokalen Kultur umsetzbar ist“, betont Prof. Peter Ruge. „Das Gebäude ist knapp 95 Prozent sparsamer als konventionelle chinesische Wohngebäude.“ Dass energieeffiziente Maßnahmen wie geplant realisiert werden, ist für Ruge ein Muss: „Wenn ein Bauherr uns beauftragt, dann weiß er, worauf er sich einlässt. Bei uns gibt es keine ‚sustainability light‘. Nur durch eine stringente Planung und Überwachung vor Ort auf der Baustelle ist Energieeffizienz überhaupt erst umsetzbar.“ Und übrigens auch erlebbar: Drei Musterwohnungen stehen dort zum Probewohnen bereit.
dena-Projekte mit Hebelwirkung Die Deutsche Energie-Agentur (dena) entwickelt und realisiert in und mit China wegweisende Kooperationsprojekte für energieeffizientes Bauen und nachhaltige Stadtentwicklung. Seit 2010 setzt die dena qualitätsgesicherte Pilotprojekte im Niedrigenergie- und Passivhausstandard in China um, heute sind sie in China weit verbreitet: „Anfang 2020 befinden sich von den in zwölf Provinzen und vier Klimazonen verteilten 45 Pilotprojekten bereits 32 in den ersten Betriebsjahren. Energieeffiziente Lösungen, die in China erfolgreich eingesetzt und etabliert werden können, entfalten eine enorme Hebelwirkung, da in China alle zwei Jahre so viel neu gebaut wird, wie in Deutschland an Gebäudebestand insgesamt existiert. Allein die Pilotprojekte der dena in China haben bis heute im Vergleich zu herkömmlichen Neubauten fast 150.000 Tonnen CO2 eingespart“, betont Nicole Pillen, stellvertretende dena-Bereichsleiterin Energieeffiziente Gebäude und Leiterin Internationale Kooperationen.
„Allein die Pilotprojekte der dena in China haben bis heute im Vergleich zu herkömmlichen Neubauten fast 150.000 Tonnen CO2 eingespart.“
Nicole Pillen, dena
Und die nachhaltige Entwicklung geht weiter: Plusenergiehäuser, Quartiersanierung und innovative Verfahren wie die „serielle Sanierung“ von Wohngebäuden bieten große Potenziale. Derzeit setzt sich die dena gemeinsam mit der China Eco-City Academy (CECA) dafür ein, dass in China mehr Plusenergiehaus-Pilotprojekte in Fertigbauweise gebaut werden. „Durch die standardisierte Vorfertigung der Gebäudehülle oder kompletter Fertighäuser lässt sich die Qualität und Energieeffizienz enorm steigern. Zudem können die Herstellungskosten sowohl durch die serielle Massenproduktion als auch durch den Preisvorteil von Photovoltaikanlagen in China gesenkt werden“, erläutert Pillen. „Energieerzeugung und -speicherung beschränkt sich dabei nicht nur auf das einzelne Gebäude. Durch das Zusammenspiel von Gebäudeautomatisierung und intelligenten Strom- und Wärmenetzen können schon heute ganze Quartiere energieeffizient und fossilfrei versorgt werden.“
Katrin Schlotter
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 2-2021 erschienen. In dieser Ausgabe lesen Sie auch ein Interview mit Architekt und gmp-Partner Stephan Schütz, das Katrin Schlotter für ChinaContact geführt hat
Bauen in China: grüne Aussichten
Chinas ehrgeizige Klimaschutzpläne treiben energieeffizientes Bauen voran. Aber wie sieht es bei der tatsächlichen Umsetzung aus? Deutsch-chinesische Kooperationen zeigen hier nachhaltige Wege auf.
„Der stark ausbaufähige Bereich der Energieeffizienz bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück“, stellt Dr. Stefanie Schmitt, GERMANY TRADE & INVEST (GTAI), Peking, fest. Die jahrelang aufrechterhaltene Erwartung, beides müsse sozusagen mit steigenden Einkommen oder wachsendem Umwelt- und Anspruchsbewusstsein zunehmen, habe sich in der Masse nicht erfüllt. „Außer bei wenigen Vorzeigeprojekten und im höchstpreisigen Villenbau, bei dem keine Komponente teuer genug sein kann, spielen Fragen der Qualität oder der Energieeffizienz, sofern nicht gesetzlich vorgeschrieben, keine Rolle. Die Rendite ist für die Baugesellschaften das einzige Kriterium“, so Schmitt. „Somit bleibt Energieeffizienz ein Lippenbekenntnis, ohne das – im Verbund mit dem amerikanischen LEED-Standard – zwar kein Gebäude ausgeschrieben wird, aber die in der Ausführung komplett auf der Strecke bleibt.“ Tatsächlich wird nach wie vor so gebaut, „dass es gerade noch irgendwie passt“.
Dass es auch anderes geht, zeigt gmp – Architekten von Gerkan, Marg und Partner. Seit rund zwanzig Jahren in China hat gmp dort nicht nur unzählige Wettbewerbe gewonnen, sondern Projekte auch realisiert. 2011 setzten sich gmp gemeinsam mit dem Büro CABR Peking beim Wettbewerb für den Um- und Erweiterungsbau des Chinesischen Nationalmuseums in Peking durch. „Früher als andere haben wir energieeffiziente Maßnahmen umgesetzt: Neben einem Gründach haben wir eine Photovoltaikanlage installiert sowie eine Flächenheizung in den Fußböden statt der damals üblichen Luftgebläse. Eine weitere Besonderheit war, dass wir die Bauqualität bis zum Ende betreuen und überprüfen konnten“, betont gmp-Partner Stephan Schütz, „und das ist bei unseren Projekten in China bis heute so.“
Öffentliche Gebäude als grüne Oasen
2020 hat die Asian Infrastructure Investment Bank AIIB mit 103 Mitgliedsstaaten ihren neuen Hauptsitz in Peking bezogen, eine grüne Oase, in ihrer räumlichen Konzeption inspiriert vom traditionellen Hofhaus. 8.000 Menschen gehen hier täglich ein und aus und erleben, wie der Entwurf von gmp umgesetzt worden ist. Bepflanzte Skydecks als „Gärten der Welt“, nach den Regeln der traditionellen chinesischen Gartenkunst gestaltete Höfe, riesige Bäume aus den asiatischen Mitgliedsstaaten, die schon während der Bauphase mit großem Aufwand gesetzt wurden, schaffen Atmosphäre und ein gutes Raumklima. Während Photovoltaikelemente und die Geothermieanlage Energie erzeugen, sorgt die klimaaktive, zweischichtige Fassade mit innenliegendem Sonnenschutz für Temperaturausgleich. Die Energie der verbrauchten Raumluft dient der Kühlung oder Heizung der Glasflächen.
So konnte das Gebäude innerhalb der kurzen Planungs- und Bauzeit von nur vier Jahren in ökologischer Hinsicht maximale Standards erreichen: das chinesische Green Building Label CGBL (Three-Star) als höchste Zertifizierungsstufe für ökologisch nachhaltige Gebäude in China und die LEED (Leadership in Energy and Environmental Design)-Zertifizierung in Platin. „Ähnlich wie auch LEED und DGNB bewertet das chinesische Three-Star-Zertifikat nicht nur energieeffizientes Bauen, sondern auch Flächenverbrauch, Ressourcenverbrauch, Materialeinsatz und Konstruktion, Kreislaufwirtschaft – zielt also letztlich auf das Wohlbefinden der Menschen“, so Schütz und betont: „Ein Zertifizierungsprozess beginnt bereits früh in der Planungsphase und umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bis hin zum Recycling. In der Planung wird ein bestimmtes Zertifikat angestrebt und dieses bei Nachweis der Qualität bei Fertigstellung ausgestellt.“
Zusammenarbeit bei Zertifizierung und Vorzeigeprojekten
Das DGNB-Zertifizierungssystem hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) e.V. entwickelt, um nachhaltiges Bauen praktisch anwendbar, messbar und damit vergleichbar zu machen. Es bezieht die Umwelt, den Menschen und die Wirtschaftlichkeit gleichermaßen ein, und das über den gesamten Lebenszyklus. Das DGNB-System kommt weltweit zum Einsatz und entwickelt sich stetig weiter. Auch in und mit China, wo die DGNB seit 2009 aktiv ist. Neben der Ausbildung von Experten für nachhaltiges Bauen erarbeitet das DGNB-China-Team Doppelzertifizierungen mit chinesischem Green-Building-Standard. Erste Projekte, die 2019 beide Zertifizierungen erhielten, sind das Suqian Yang River Logistics Hub Building in der Provinz Jiangsu und das Wohnprojekt Gezhouba Purple County Residence in Shanghai.
Das erste Gebäude, das in China für seine nachhaltige Bauweise mit dem DGNB-Zertifikat in Platin ausgezeichnet wurde, ist das 2014 fertiggestellte Passivhaus Bruck in Changxing – ein Vorzeigeprojekt des chinesischen Immobilienentwicklers Landsea, geplant und betreut von Peter Ruge Architekten. „Wir haben bewiesen, dass energieeffizientes Bauen im feuchtwarmen Klima Südchinas planbar und in der lokalen Kultur umsetzbar ist“, betont Prof. Peter Ruge. „Das Gebäude ist knapp 95 Prozent sparsamer als konventionelle chinesische Wohngebäude.“ Dass energieeffiziente Maßnahmen wie geplant realisiert werden, ist für Ruge ein Muss: „Wenn ein Bauherr uns beauftragt, dann weiß er, worauf er sich einlässt. Bei uns gibt es keine ‚sustainability light‘. Nur durch eine stringente Planung und Überwachung vor Ort auf der Baustelle ist Energieeffizienz überhaupt erst umsetzbar.“ Und übrigens auch erlebbar: Drei Musterwohnungen stehen dort zum Probewohnen bereit.
dena-Projekte mit Hebelwirkung
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) entwickelt und realisiert in und mit China wegweisende Kooperationsprojekte für energieeffizientes Bauen und nachhaltige Stadtentwicklung. Seit 2010 setzt die dena qualitätsgesicherte Pilotprojekte im Niedrigenergie- und Passivhausstandard in China um, heute sind sie in China weit verbreitet: „Anfang 2020 befinden sich von den in zwölf Provinzen und vier Klimazonen verteilten 45 Pilotprojekten bereits 32 in den ersten Betriebsjahren. Energieeffiziente Lösungen, die in China erfolgreich eingesetzt und etabliert werden können, entfalten eine enorme Hebelwirkung, da in China alle zwei Jahre so viel neu gebaut wird, wie in Deutschland an Gebäudebestand insgesamt existiert. Allein die Pilotprojekte der dena in China haben bis heute im Vergleich zu herkömmlichen Neubauten fast 150.000 Tonnen CO2 eingespart“, betont Nicole Pillen, stellvertretende dena-Bereichsleiterin Energieeffiziente Gebäude und Leiterin Internationale Kooperationen.
Und die nachhaltige Entwicklung geht weiter: Plusenergiehäuser, Quartiersanierung und innovative Verfahren wie die „serielle Sanierung“ von Wohngebäuden bieten große Potenziale. Derzeit setzt sich die dena gemeinsam mit der China Eco-City Academy (CECA) dafür ein, dass in China mehr Plusenergiehaus-Pilotprojekte in Fertigbauweise gebaut werden. „Durch die standardisierte Vorfertigung der Gebäudehülle oder kompletter Fertighäuser lässt sich die Qualität und Energieeffizienz enorm steigern. Zudem können die Herstellungskosten sowohl durch die serielle Massenproduktion als auch durch den Preisvorteil von Photovoltaikanlagen in China gesenkt werden“, erläutert Pillen. „Energieerzeugung und -speicherung beschränkt sich dabei nicht nur auf das einzelne Gebäude. Durch das Zusammenspiel von Gebäudeautomatisierung und intelligenten Strom- und Wärmenetzen können schon heute ganze Quartiere energieeffizient und fossilfrei versorgt werden.“
Katrin Schlotter
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 2-2021 erschienen.
In dieser Ausgabe lesen Sie auch ein Interview mit Architekt und gmp-Partner Stephan Schütz, das Katrin Schlotter für ChinaContact geführt hat