Seit vielen Jahren schreiben Bayern und China an ihrer Erfolgsgeschichte, daran hat sich auch in den vergangenen Monaten nichts geändert. Zwar kam 2020 pandemiebedingt die gesamte Reisetätigkeit zwischen Deutschland und China zum Erliegen, der bilaterale Austausch funktioniert trotzdem gut, auch Dank der engagierten Arbeit der drei bayerischen Repräsentanzen.
China ist Bayerns wichtigster Handelspartner, daran hat sich auch 2020 nichts geändert. Mit rund 34 Milliarden Euro liegt das Außenhandelsvolumen auf dem Niveau des Vorjahres. Es gab lediglich minimale Verschiebungen – wertmäßig wurde etwas weniger exportiert und dafür etwas mehr importiert. Ein sehr gutes Ergebnis angesichts der Schwierigkeiten, mit denen Wirtschaft und Unternehmen seit Beginn der Coronapandemie konfrontiert sind.
China auf Platz zwei der Investorenrangliste Auch mit Blick auf Bayern als Investitionsstandort konnte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Anfang dieses Jahres positive Zahlen präsentieren. „Ein hervorragendes Jahr für Neuansiedlungen von Unternehmen in Bayern“, so seine Einschätzung für 2020. Die bayerische Ansiedlungsagentur „Invest in Bavaria“ hatte im vergangenen Jahr 101 Projekte betreut, 89 davon waren Neuansiedlungen. Unter den 24 Herkunftsländern ausländischer Investitionen schaffte es China 2020 – bezogen auf die Anzahl der Projekte – erneut auf Platz zwei hinter den USA. Schon seit Jahren hält sich das Land in der Spitzengruppe der FDI-Länder in Bayern; investiert wird vornehmlich in den Bereichen Smart Mobility sowie Informations- und Kommunikationstechnologie.
Aktuell sind mehr als 400 chinesische Unternehmen im Freistaat ansässig, darunter Schwergewichte wie Alibaba, NIO, FAW, CATL, Weichai, Baosteel, Huawei, Hisense oder die Bank of China sowie kleinere, aber nicht weniger erfolgreiche. Zu denen gehören unter anderen LiangDao, ein Unternehmen, das mit seinen Lösungen die Voraussetzungen dafür schafft, dass autonomes Fahren und intelligentes Verkehrsmanagement gelingen, das Start-up Mechmind, das Industrieroboter intelligent(er) agieren lässt und Amazilia Aerospace, ein junges Ingenieurbüro, das digitale Flugsteuerungs-, Flugleit- und Fahrzeugmanagementsysteme für zivile bemannte und unbemannte Flugzeuge entwickelt.
Zusammenarbeit: fast alles online Der Freistaat ist seit vielen Jahren mit den Provinzen Shandong (seit 1987) und Guangdong (seit 2004) partnerschaftlich verbunden und unterhält in China drei Auslandsrepräsentanzen – in Shenzhen, Qingdao und Chengdu. Deren Mitarbeiter sind zwar auch im Standortmarketing und in der Investitionsförderung tätig, ihr klarer Schwerpunkt liegt jedoch in der Außenwirtschaftsförderung, also der Arbeit mit bayerischen Unternehmen, die den chinesischen Markt erschließen wollen. Nachdem China seine Landesgrenzen im März 2020 geschlossen hatte, kam die komplette Reisetätigkeit von Bayern nach China und von China nach Bayern zum Erliegen. „Das bleibt auch bis auf Weiteres so“, davon ist Dr. Lucie Merkle, Chefrepräsentantin des Freistaats Bayern in China, überzeugt. Zu den Auswirkungen, die die Pandemie auf die Lieferketten der Unternehmen hatte, komme nun hinzu, dass „viele Projekte erst einmal auf Hold gestellt sind und sich auf der Zeitleiste weiter nach hinten verschieben.“
„Viele Projekte sind erst einmal auf Hold gestellt und werden sich auf der Zeitleiste weiter nach hinten verschieben.“
Dr. Lucie Merkle, Chefrepräsentantin des Freistaats Bayern in China
Wo es möglich war, wurde auf den Onlineaustausch umgestellt und internationale Delegationsreisen, Konferenzen etc. durch digitale Formate ersetzt. Um künftige Kooperationen in der Lebensmittelbranche zwischen Bayern und Shandong zu befördern, fand im Dezember des vergangenen Jahres eine vom Auswärtigen Amt der Provinz Shandong und dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gemeinsam organisierte Onlinekonferenz statt. Dabei ging es um die Situation in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, um Fragen zum Im- und Export landwirtschaftlicher Produkte, aber auch um Lebensmittelsicherheit. Im Nachgang werden nun Kooperationswünsche gesichtet, potenzielle Partner identifiziert und gegebenenfalls unterstützt.
Auch in den Vorjahren angeschobene Ideen des bilateralen Austauschs wurden weiter entwickelt: Die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Sichuan in der beruflichen Bildung wurde konkretisiert und eine Kooperation zwischen Bayern und Shanghai in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation angebahnt. Zudem wollen Bayern und Guangdong enger zusammenarbeiten und diskutieren derzeit konkrete Optionen, darunter auch digitale Angebote für die Wirtschaft.
Eine wichtige Erfahrung der vergangenen Monate: Digitale Formate funktionierten in vielerlei Hinsicht sehr gut, aber gerade für die Zusammenarbeit auf unternehmerischer Ebene – vom Joint Venture bis zu Lieferanten-Kunden-Beziehungen – ist der persönliche Austausch unverzichtbar, so Merkle. Dazu kommen ganz praktische Probleme. Zum Beispiel können Maschinen und Anlagen nicht aufgestellt oder in Betrieb genommen werden, wenn Monteure nicht anreisen dürfen. Hier haben Repräsentanz und Wirtschaftsministerium in zahlreichen Fällen konkrete Unterstützung geleistet, die Dringlichkeit von Visaanträgen geprüft und entsprechende Stellungnahmen gegenüber den zuständigen Behörden abgegeben.
Mit einer solidarischen und sehr praktischen Aktion hatte sich Anfang 2020 auch das Chinaforum Bayern eingebracht. Der gemeinnützige Verein, der als China-Netzwerk weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt und aktiv ist, hatte sich das Ziel gesetzt, Menschen vor Ort mit Schutzmasken zu unterstützen. Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands Stefan Geiger: „Da im Internet bereits alle Masken ausverkauft waren, haben wir sämtliche Apotheken rund um unser Büro aufgesucht und konnten somit zumindest noch knapp 5.000 Schutzmasken einkaufen und nach China verschicken. Netterweise haben wir zwei Monate später, als sich das Virus hier ausbreitete, 7.000 Schutzmasken von den Regierungen der Provinzen Sichuan und Shandong zurückbekommen, die wir größtenteils unseren Mitgliedern sowie der Bayerischen Krebsgesellschaft spendeten.“
Messebeteiligungen laufen weiter Nach dem Lockdown im Frühjahr nahmen die Repräsentanzen im zweiten Quartal ihre Arbeit mit lokalen Partnern vorsichtig wieder auf. Im Sommer wurden die ersten Dienstreisen innerhalb Chinas absolviert und auch kleinere Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Dabei war zu beobachten, dass Veranstaltungen, die früher eher mäßig besucht wurden, auf einmal regelrecht überrannt wurden – die Menschen wollten sich wieder direkt austauschen, sagt Merkle. Und gleichzeitig war bei den digitalen Formaten eine gewisse Müdigkeit zu erleben. Man musste also etwas richtig Tolles anbieten, um die Teilnehmer zu motivieren, dabei zu bleiben.
„Mittlerweile sind wir hier schon wieder ganz normal im Standortmarketing tätig und bieten Seminare an“, sagt Merkle. Etwa 80 bis 90 Prozent dieser Termine laufen als Präsenzveranstaltung, und auch Networkingveranstaltungen mit Unternehmen sind wieder möglich. „Veranstaltungen mit internationalem Bezug haben wir so auf Onlineformate umgestellt, dass wir – wenn es überraschenderweise mit den Grenzöffnungen doch schneller gehen sollte – relativ schnell wieder auf Präsenzformate umstellen können.“ Während sich Seminare und Konferenzen mit der richtigen Software gut online durchführen lassen, leben Messen vom direkten Kontakt zwischen Ausstellern und Besuchern und von Exponaten, die im besten Fall nicht nur per Video gezeigt werden. Es gab im vergangenen Jahr zunächst auch Versuche, Messen online stattfinden zu lassen, aber da waren sogar die Rückmeldungen in der chinesischen Presse alles andere als positiv, berichtet Dr. Lucie Merkle.
Das Messegeschäft gehörte zu den Branchen, die relativ schnell wieder Tritt fassten, und jetzt, im Frühjahr 2021, laufen die Veranstaltungen fast wieder auf Normalniveau. So wie deutsche Gemeinschaftsstände wurden auch Bayerische Gemeinschaftsbeteiligungen auf einigen Messen weiter durchgeführt, zum Beispiel auf der Medizintechnikmesse CMEF in Shanghai. Dort übernahmen Mitarbeiter der Repräsentanzen die Aufgaben der Kollegen von Bayern International, um die mit den Reisebeschränkungen einhergehenden Ausfälle zu kompensieren. Dieses Procedere wird unter anderem auch bei der Ausrichtung des diesjährigen Gemeinschaftsstands auf der CMEF im Mai 2021 beibehalten.
Positiv: Anfragen und Interessensbekundungen Vieles was die Arbeit der Repräsentanzen ausmacht konnte 2020 nicht wie gewohnt stattfinden – Unterstützung bei der Organisation von Delegationsreisen oder von Unternehmern, die den Markt erkunden oder eine Messe besuchen wollen. Arbeitsabläufe mussten angepasst und Lösungen für die unterschiedlichsten Probleme gefunden werden. „Das gesamte letzte Jahr war für uns ein ungewöhnliches Jahr“, lautet das Resümee der Chefrepräsentantin. Auf die Frage wie es nun weitergeht, antwortet sie: „Wir hatten lange gehofft, dass 2021 Delegationsreisen, Messen und Konferenzen mit internationalen Besuchern auch in China wieder möglich sein werden. Die Zeichen dafür stehen leider nicht günstig. Es sieht derzeit so aus, als würde sich 2021 – zumindest was das Reisen angeht – nicht sehr viel ändern.“
Wie sich das über den langen Zeitraum konkret auswirken wird, müsse abgewartet werden. Positiv sei auf jeden Fall, dass nach wie vor sowohl von chinesischer als auch von bayerischer Seite Interessensbekundungen eingehen. „Die Unternehmen haben noch nicht aufgegeben. 2021 wird sicherlich sehr viel besser als 2020.“
Bei den Anfragen aus Bayern überwiegen noch traditionelle Branchen wie der Maschinenbau nebst Umfeld. Zudem gibt es viel Interesse im Bereich Medizintechnik. Auch die Anfragen, die von chinesischer Seite kommen, sind relativ gemischt. Ein gewisser Schwerpunkt lasse sich bei Modethemen ausmachen, ohne dass diese Bezeichnung negativ wirken soll, wie Dr. Lucie Merkle ausdrücklich betont. Dazu gehören E-Mobilität, erneuerbare Energien, künstliche Intelligenz – Zukunftsbranchen, die in beiden Ländern Priorität genießen.
Die Unternehmen haben noch nicht aufgegeben. 2021 wird sicherlich sehr viel besser als 2020.
Dr. Lucie Merkle, Chefrepräsentantin des Freistaats Bayern in China
Über 100 bayerische Unternehmen sind seit Jahren mit eigenen Produktionsstätten in China ansässig, rund 600 bayerische Firmen sind dort mit Niederlassungen und Handelsvertretungen präsent. Die Namen der Großen kennt jeder – Siemens, Audi, BMW, Allianz, MTU, Airbus, Munich RE/Ergo, MAN etc., dazu kommen viele mittelständische Unternehmen, die sich erfolgreich etabliert haben und auch 2020 mit ihren Projekten von sich Reden machten.
So erhielt zum Beispiel KnorrBremse vom chinesischen Zughersteller CRRC den Zuschlag für einen Großauftrag über Brems- und Einstiegssysteme für die neue Pekinger U-Bahn-Linie 17 sowie für Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme für die U-Bahn-Linie 19. Den nächsten Meilenstein erreichte auch die Firmengruppe Max Bögl. Das von ihr entwickelte Magnetbahnsystem Transport System Bögl (TSB) wird derzeit getestet. Im Sommer 2018 erfolgte der erste Spatenstich für die Demonstrationsstrecke in Chengdu, ein Jahr später kam das erste serienreife 2-Sektionen-Fahrzeug an seinen Einsatzort. Während der Partner Xinzhu Road & Bridge Machinery Co., Ltd. aktiv daran arbeitet, neue Anwendungsstrecken für TSB in China zu akquirieren, finden auf der 3,5 Kilometer langen Teststrecke regelmäßig Demonstrationsfahrten mit Vertretern von interessierten Regionen und Städten statt.
Ein German Centre für Südchina Anfang November 2019 hatten der Freistaat Bayern und seine Partnerprovinz Guangdong beschlossen, künftig noch enger zusammenzuarbeiten. Damals unterzeichneten Bayerns Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger und sein Counterpart Vizegouverneur Zhang Guangjun den Aktionsplan für eine „vertiefte Partnerschaft“. Neben zahlreichen Punkten zur konkreten Ausgestaltung hatten sich beide Seiten darin auch für die Gründung eines German Centre in Südchina ausgesprochen, das die bereits bestehenden German Centres in Peking, Shanghai und Taicang ergänzen soll. An diesen Standorten funktioniert das Plattformkonzept sehr gut: Unternehmen, die sich für ein German Centre entscheiden, werden dort ganz praktisch mit einem Büro-, Service- und Erfahrungskonzept unterstützt und erhalten Zugriff auf das Beratungsnetzwerk, das über die German-Centre-Kompetenz hinaus die Expertise der Spezialisten im Netzwerk einbindet.
„Die Verzögerung bei der Entscheidung und der möglichen Umsetzung eines German Centre Guangzhou ist hauptsächlich coronabedingt,“ sagt Christian Sommer, CEO & Chairman der German Centre for Industry and Trade Shanghai Co. Ltd. Denn derzeit kämen aufgrund der Pandemie und der Reisebeschränkungen weniger neue Firmen nach China, aber bei Unternehmen, die hier bereits ansässig sind und bei denen es gut läuft, sei sehr wohl zu beobachten, dass sie ihre Aktivitäten innerhalb des Landes erweitern.
Und dabei schauen sie auch nach Südchina, die Großindustrie wohl schon mehr als der Mittelstand oder die Serviceindustrie. Denn in der Region entsteht mit der Greater Bay Area das dritte chinesische Megacity-Cluster, das seit November 2019 an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft gewonnen hat, so Sommer. „Aus meiner Sicht fehlt uns definitiv die Kompetenz Südchina als Standort und Plattform“, sagt er und das wolle man ändern.
Wir entscheiden nicht schwerfällig, sondern wollen sicherstellen, dass unser Geschäftsmodell am jeweiligen Standort erfolgreich ist.
Christian Sommer, CEO & Chairman der German Centre for Industry and Trade Shanghai Co. Ltd.
Auch über Südchina hinaus ist das Interesse an einem German Centre auf chinesischer Seite groß, so Sommer. „Viele Lokalregierungen von Städten der zweiten und dritten Reihe sind in den vergangenen Jahren an uns herangetreten, und wollten ein German Centre haben – von Chengdu über Shenyang bis Xi’an.“ Der Wille auf beiden Seiten allein reiche jedoch nicht, das Geschäftsmodell muss stimmen. „Das Schlechteste was passieren kann, ist ein German Centre, das am Standort nicht funktioniert.“ Deshalb gibt Sommer in seinen Gesprächen mit chinesischen Entscheidern stets zu bedenken, dass ein German Centre am Ort nicht automatisch zur Ansiedlung neuer Unternehmen führt, sondern ein Baustein – quasi ein Incentive – dafür ist.
„Wir entscheiden nicht schwerfällig, sondern wollen sicherstellen, dass unser Geschäftsmodell am jeweiligen Standort erfolgreich ist.“ Unter den Bedingungen der Pandemie wird nun auch in Südchina genau geguckt, was jetzt umgesetzt werden kann: „Gut Ding will Weile haben.“ Oder wie man in China sagt: 慢慢来。
Ein ungewöhnliches Jahr
Seit vielen Jahren schreiben Bayern und China an ihrer Erfolgsgeschichte, daran hat sich auch in den vergangenen Monaten nichts geändert. Zwar kam 2020 pandemiebedingt die gesamte Reisetätigkeit zwischen Deutschland und China zum Erliegen, der bilaterale Austausch funktioniert trotzdem gut, auch Dank der engagierten Arbeit der drei bayerischen Repräsentanzen.
China ist Bayerns wichtigster Handelspartner, daran hat sich auch 2020 nichts geändert. Mit rund 34 Milliarden Euro liegt das Außenhandelsvolumen auf dem Niveau des Vorjahres. Es gab lediglich minimale Verschiebungen – wertmäßig wurde etwas weniger exportiert und dafür etwas mehr importiert. Ein sehr gutes Ergebnis angesichts der Schwierigkeiten, mit denen Wirtschaft und Unternehmen seit Beginn der Coronapandemie konfrontiert sind.
China auf Platz zwei der Investorenrangliste
Auch mit Blick auf Bayern als Investitionsstandort konnte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Anfang dieses Jahres positive Zahlen präsentieren. „Ein hervorragendes Jahr für Neuansiedlungen von Unternehmen in Bayern“, so seine Einschätzung für 2020. Die bayerische Ansiedlungsagentur „Invest in Bavaria“ hatte im vergangenen Jahr 101 Projekte betreut, 89 davon waren Neuansiedlungen. Unter den 24 Herkunftsländern ausländischer Investitionen schaffte es China 2020 – bezogen auf die Anzahl der Projekte – erneut auf Platz zwei hinter den USA. Schon seit Jahren hält sich das Land in der Spitzengruppe der FDI-Länder in Bayern; investiert wird vornehmlich in den Bereichen Smart Mobility sowie Informations- und Kommunikationstechnologie.
Aktuell sind mehr als 400 chinesische Unternehmen im Freistaat ansässig, darunter Schwergewichte wie Alibaba, NIO, FAW, CATL, Weichai, Baosteel, Huawei, Hisense oder die Bank of China sowie kleinere, aber nicht weniger erfolgreiche. Zu denen gehören unter anderen LiangDao, ein Unternehmen, das mit seinen Lösungen die Voraussetzungen dafür schafft, dass autonomes Fahren und intelligentes Verkehrsmanagement gelingen, das Start-up Mechmind, das Industrieroboter intelligent(er) agieren lässt und Amazilia Aerospace, ein junges Ingenieurbüro, das digitale Flugsteuerungs-, Flugleit- und Fahrzeugmanagementsysteme für zivile bemannte und unbemannte Flugzeuge entwickelt.
Zusammenarbeit: fast alles online
Der Freistaat ist seit vielen Jahren mit den Provinzen Shandong (seit 1987) und Guangdong (seit 2004) partnerschaftlich verbunden und unterhält in China drei Auslandsrepräsentanzen – in Shenzhen, Qingdao und Chengdu. Deren Mitarbeiter sind zwar auch im Standortmarketing und in der Investitionsförderung tätig, ihr klarer Schwerpunkt liegt jedoch in der Außenwirtschaftsförderung, also der Arbeit mit bayerischen Unternehmen, die den chinesischen Markt erschließen wollen. Nachdem China seine Landesgrenzen im März 2020 geschlossen hatte, kam die komplette Reisetätigkeit von Bayern nach China und von China nach Bayern zum Erliegen. „Das bleibt auch bis auf Weiteres so“, davon ist Dr. Lucie Merkle, Chefrepräsentantin des Freistaats Bayern in China, überzeugt. Zu den Auswirkungen, die die Pandemie auf die Lieferketten der Unternehmen hatte, komme nun hinzu, dass „viele Projekte erst einmal auf Hold gestellt sind und sich auf der Zeitleiste weiter nach hinten verschieben.“
Wo es möglich war, wurde auf den Onlineaustausch umgestellt und internationale Delegationsreisen, Konferenzen etc. durch digitale Formate ersetzt. Um künftige Kooperationen in der Lebensmittelbranche zwischen Bayern und Shandong zu befördern, fand im Dezember des vergangenen Jahres eine vom Auswärtigen Amt der Provinz Shandong und dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gemeinsam organisierte Onlinekonferenz statt. Dabei ging es um die Situation in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, um Fragen zum Im- und Export landwirtschaftlicher Produkte, aber auch um Lebensmittelsicherheit. Im Nachgang werden nun Kooperationswünsche gesichtet, potenzielle Partner identifiziert und gegebenenfalls unterstützt.
Auch in den Vorjahren angeschobene Ideen des bilateralen Austauschs wurden weiter entwickelt: Die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Sichuan in der beruflichen Bildung wurde konkretisiert und eine Kooperation zwischen Bayern und Shanghai in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation angebahnt. Zudem wollen Bayern und Guangdong enger zusammenarbeiten und diskutieren derzeit konkrete Optionen, darunter auch digitale Angebote für die Wirtschaft.
Eine wichtige Erfahrung der vergangenen Monate: Digitale Formate funktionierten in vielerlei Hinsicht sehr gut, aber gerade für die Zusammenarbeit auf unternehmerischer Ebene – vom Joint Venture bis zu Lieferanten-Kunden-Beziehungen – ist der persönliche Austausch unverzichtbar, so Merkle. Dazu kommen ganz praktische Probleme. Zum Beispiel können Maschinen und Anlagen nicht aufgestellt oder in Betrieb genommen werden, wenn Monteure nicht anreisen dürfen. Hier haben Repräsentanz und Wirtschaftsministerium in zahlreichen Fällen konkrete Unterstützung geleistet, die Dringlichkeit von Visaanträgen geprüft und entsprechende Stellungnahmen gegenüber den zuständigen Behörden abgegeben.
Mit einer solidarischen und sehr praktischen Aktion hatte sich Anfang 2020 auch das Chinaforum Bayern eingebracht. Der gemeinnützige Verein, der als China-Netzwerk weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt und aktiv ist, hatte sich das Ziel gesetzt, Menschen vor Ort mit Schutzmasken zu unterstützen. Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands Stefan Geiger: „Da im Internet bereits alle Masken ausverkauft waren, haben wir sämtliche Apotheken rund um unser Büro aufgesucht und konnten somit zumindest noch knapp 5.000 Schutzmasken einkaufen und nach China verschicken. Netterweise haben wir zwei Monate später, als sich das Virus hier ausbreitete, 7.000 Schutzmasken von den Regierungen der Provinzen Sichuan und Shandong zurückbekommen, die wir größtenteils unseren Mitgliedern sowie der Bayerischen Krebsgesellschaft spendeten.“
Messebeteiligungen laufen weiter
Nach dem Lockdown im Frühjahr nahmen die Repräsentanzen im zweiten Quartal ihre Arbeit mit lokalen Partnern vorsichtig wieder auf. Im Sommer wurden die ersten Dienstreisen innerhalb Chinas absolviert und auch kleinere Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Dabei war zu beobachten, dass Veranstaltungen, die früher eher mäßig besucht wurden, auf einmal regelrecht überrannt wurden – die Menschen wollten sich wieder direkt austauschen, sagt Merkle. Und gleichzeitig war bei den digitalen Formaten eine gewisse Müdigkeit zu erleben. Man musste also etwas richtig Tolles anbieten, um die Teilnehmer zu motivieren, dabei zu bleiben.
„Mittlerweile sind wir hier schon wieder ganz normal im Standortmarketing tätig und bieten Seminare an“, sagt Merkle. Etwa 80 bis 90 Prozent dieser Termine laufen als Präsenzveranstaltung, und auch Networkingveranstaltungen mit Unternehmen sind wieder möglich. „Veranstaltungen mit internationalem Bezug haben wir so auf Onlineformate umgestellt, dass wir – wenn es überraschenderweise mit den Grenzöffnungen doch schneller gehen sollte – relativ schnell wieder auf Präsenzformate umstellen können.“
Während sich Seminare und Konferenzen mit der richtigen Software gut online durchführen lassen, leben Messen vom direkten Kontakt zwischen Ausstellern und Besuchern und von Exponaten, die im besten Fall nicht nur per Video gezeigt werden. Es gab im vergangenen Jahr zunächst auch Versuche, Messen online stattfinden zu lassen, aber da waren sogar die Rückmeldungen in der chinesischen Presse alles andere als positiv, berichtet Dr. Lucie Merkle.
Das Messegeschäft gehörte zu den Branchen, die relativ schnell wieder Tritt fassten, und jetzt, im Frühjahr 2021, laufen die Veranstaltungen fast wieder auf Normalniveau. So wie deutsche Gemeinschaftsstände wurden auch Bayerische Gemeinschaftsbeteiligungen auf einigen Messen weiter durchgeführt, zum Beispiel auf der Medizintechnikmesse CMEF in Shanghai. Dort übernahmen Mitarbeiter der Repräsentanzen die Aufgaben der Kollegen von Bayern International, um die mit den Reisebeschränkungen einhergehenden Ausfälle zu kompensieren. Dieses Procedere wird unter anderem auch bei der Ausrichtung des diesjährigen Gemeinschaftsstands auf der CMEF im Mai 2021 beibehalten.
Positiv: Anfragen und Interessensbekundungen
Vieles was die Arbeit der Repräsentanzen ausmacht konnte 2020 nicht wie gewohnt stattfinden – Unterstützung bei der Organisation von Delegationsreisen oder von Unternehmern, die den Markt erkunden oder eine Messe besuchen wollen. Arbeitsabläufe mussten angepasst und Lösungen für die unterschiedlichsten Probleme gefunden werden. „Das gesamte letzte Jahr war für uns ein ungewöhnliches Jahr“, lautet das Resümee der Chefrepräsentantin. Auf die Frage wie es nun weitergeht, antwortet sie: „Wir hatten lange gehofft, dass 2021 Delegationsreisen, Messen und Konferenzen mit internationalen Besuchern auch in China wieder möglich sein werden. Die Zeichen dafür stehen leider nicht günstig. Es sieht derzeit so aus, als würde sich 2021 – zumindest was das Reisen angeht – nicht sehr viel ändern.“
Wie sich das über den langen Zeitraum konkret auswirken wird, müsse abgewartet werden. Positiv sei auf jeden Fall, dass nach wie vor sowohl von chinesischer als auch von bayerischer Seite Interessensbekundungen eingehen. „Die Unternehmen haben noch nicht aufgegeben. 2021 wird sicherlich sehr viel besser als 2020.“
Bei den Anfragen aus Bayern überwiegen noch traditionelle Branchen wie der Maschinenbau nebst Umfeld. Zudem gibt es viel Interesse im Bereich Medizintechnik. Auch die Anfragen, die von chinesischer Seite kommen, sind relativ gemischt. Ein gewisser Schwerpunkt lasse sich bei Modethemen ausmachen, ohne dass diese Bezeichnung negativ wirken soll, wie Dr. Lucie Merkle ausdrücklich betont. Dazu gehören E-Mobilität, erneuerbare Energien, künstliche Intelligenz – Zukunftsbranchen, die in beiden Ländern Priorität genießen.
Über 100 bayerische Unternehmen sind seit Jahren mit eigenen Produktionsstätten in China ansässig, rund 600 bayerische Firmen sind dort mit Niederlassungen und Handelsvertretungen präsent. Die Namen der Großen kennt jeder – Siemens, Audi, BMW, Allianz, MTU, Airbus, Munich RE/Ergo, MAN etc., dazu kommen viele mittelständische Unternehmen, die sich erfolgreich etabliert haben und auch 2020 mit ihren Projekten von sich Reden machten.
So erhielt zum Beispiel KnorrBremse vom chinesischen Zughersteller CRRC den Zuschlag für einen Großauftrag über Brems- und Einstiegssysteme für die neue Pekinger U-Bahn-Linie 17 sowie für Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme für die U-Bahn-Linie 19. Den nächsten Meilenstein erreichte auch die Firmengruppe Max Bögl. Das von ihr entwickelte Magnetbahnsystem Transport System Bögl (TSB) wird derzeit getestet. Im Sommer 2018 erfolgte der erste Spatenstich für die Demonstrationsstrecke in Chengdu, ein Jahr später kam das erste serienreife 2-Sektionen-Fahrzeug an seinen Einsatzort. Während der Partner Xinzhu Road & Bridge Machinery Co., Ltd. aktiv daran arbeitet, neue Anwendungsstrecken für TSB in China zu akquirieren, finden auf der 3,5 Kilometer langen Teststrecke regelmäßig Demonstrationsfahrten mit Vertretern von interessierten Regionen und Städten statt.
Ein German Centre für Südchina
Anfang November 2019 hatten der Freistaat Bayern und seine Partnerprovinz Guangdong beschlossen, künftig noch enger zusammenzuarbeiten. Damals unterzeichneten Bayerns Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger und sein Counterpart Vizegouverneur Zhang Guangjun den Aktionsplan für eine „vertiefte Partnerschaft“. Neben zahlreichen Punkten zur konkreten Ausgestaltung hatten sich beide Seiten darin auch für die Gründung eines German Centre in Südchina ausgesprochen, das die bereits bestehenden German Centres in Peking, Shanghai und Taicang ergänzen soll. An diesen Standorten funktioniert das Plattformkonzept sehr gut: Unternehmen, die sich für ein German Centre entscheiden, werden dort ganz praktisch mit einem Büro-, Service- und Erfahrungskonzept unterstützt und erhalten Zugriff auf das Beratungsnetzwerk, das über die German-Centre-Kompetenz hinaus die Expertise der Spezialisten im Netzwerk einbindet.
„Die Verzögerung bei der Entscheidung und der möglichen Umsetzung eines German Centre Guangzhou ist hauptsächlich coronabedingt,“ sagt Christian Sommer, CEO & Chairman der German Centre for Industry and Trade Shanghai Co. Ltd. Denn derzeit kämen aufgrund der Pandemie und der Reisebeschränkungen weniger neue Firmen nach China, aber bei Unternehmen, die hier bereits ansässig sind und bei denen es gut läuft, sei sehr wohl zu beobachten, dass sie ihre Aktivitäten innerhalb des Landes erweitern.
Und dabei schauen sie auch nach Südchina, die Großindustrie wohl schon mehr als der Mittelstand oder die Serviceindustrie. Denn in der Region entsteht mit der Greater Bay Area das dritte chinesische Megacity-Cluster, das seit November 2019 an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft gewonnen hat, so Sommer. „Aus meiner Sicht fehlt uns definitiv die Kompetenz Südchina als Standort und Plattform“, sagt er und das wolle man ändern.
Auch über Südchina hinaus ist das Interesse an einem German Centre auf chinesischer Seite groß, so Sommer. „Viele Lokalregierungen von Städten der zweiten und dritten Reihe sind in den vergangenen Jahren an uns herangetreten, und wollten ein German Centre haben – von Chengdu über Shenyang bis Xi’an.“ Der Wille auf beiden Seiten allein reiche jedoch nicht, das Geschäftsmodell muss stimmen. „Das Schlechteste was passieren kann, ist ein German Centre, das am Standort nicht funktioniert.“ Deshalb gibt Sommer in seinen Gesprächen mit chinesischen Entscheidern stets zu bedenken, dass ein German Centre am Ort nicht automatisch zur Ansiedlung neuer Unternehmen führt, sondern ein Baustein – quasi ein Incentive – dafür ist.
„Wir entscheiden nicht schwerfällig, sondern wollen sicherstellen, dass unser Geschäftsmodell am jeweiligen Standort erfolgreich ist.“ Unter den Bedingungen der Pandemie wird nun auch in Südchina genau geguckt, was jetzt umgesetzt werden kann: „Gut Ding will Weile haben.“ Oder wie man in China sagt: 慢慢来。
Petra Reichardt
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 2-2021 erschienen.