Im Interview mit dem Generaldirektor von CLAAS in Russland, Dr. Ralf Bendisch, sprechen wir u. a. über die hohe Nachfrage nach Landmaschinen und die Vorteile einer erfolgreichen Lokalisierung.
Herr Dr. Bendisch, Sie sind seit über 20 Jahren für das deutsche Familienunternehmen CLAAS in Russland tätig und sprechen im Gegensatz zu vielen Ihrer deutschen Kollegen fließend Russisch. Wann haben Sie die Leidenschaft für Land und Leute entwickelt?
Als gebürtiger Ostdeutscher habe ich in der ehemaligen Sowjetunion, genauer gesagt in Kiew, studiert und promoviert. Das waren insgesamt neun Jahre, in denen ich die russische Sprache sehr gut erlernen konnte. Aber es verhält sich damit wie mit dem berühmten Löffel zum Borschtsch: Sprachkompetenz allein reicht nicht, nur in Kombination mit einer soliden Ausbildung wird ein Schuh draus.
Nach meiner Promotion war ich dann zunächst wieder in Ostdeutschland im Landmaschinenbau tätig, bis unser Unternehmen im Zuge der Wiedervereinigung fast vollständig abgewickelt wurde und ich mich nach beruflichen Alternativen umschauen musste. Schließlich habe ich mich auf eine Stelle bei CLAAS beworben, wo mir die Möglichkeit in Aussicht gestellt wurde, wieder im russischsprachigen Raum arbeiten zu können. Mein Profil hat zu 150 Prozent gepasst und so sind CLAAS und ich dann glücklicherweise zueinander gekommen. Dies liegt mittlerweile schon fast 23 Jahre zurück.
Kommen wir auf die CLAAS-Erfolgsgeschichte in Russland zu sprechen. CLAAS hat 2016 als erstes ausländisches Unternehmen einen sogenannten Sonderinvestitionsvertrag (SPIK) mit der russischen Regierung unterzeichnet. In Zeiten von aufkommendem Protektionismus eine vorausschauende Entscheidung. Wie kam es dazu?
Eigentlich war es eher eine Reaktion auf die Entwicklung, die sich in Russland vollzogen hatte. Besonders nach 2014, als die Sanktionen und Gegensanktionen in Kraft traten, wurden auch für die in Russland ansässigen ausländischen Produzenten die Daumenschrauben in Richtung Vertiefung der Lokalisierung sehr stark angezogen. Wir als CLAAS haben bereits 2012/13 die größte Einzelinvestition des Konzerns außerhalb Deutschlands eingeleitet – über 120 Millionen Euro an einem einzigen Standort. Damit konnten wir unsere Fabrik in Krasnodar erweitern und eine vollständige Fertigungstiefe schaffen. Die Idee war, große Bauteile nicht mehr über lange Strecken zu transportieren, um u. a. weniger Zoll- und Logistikkosten zu haben.
Allerdings wurde kurz nach Eröffnung der neuen Fabrik deutlich, dass unsere Investitionen nicht dazu geführt haben, automatisch als russischer Hersteller anerkannt zu werden. Vielmehr waren zu diesem Zeitpunkt die Anforderungen an die Lokalisierung bereits so hoch, dass wir von dem Zustand ganz weit entfernt waren, eine Gleichbehandlung am Markt zu bekommen. Diese Gleichbehandlung war jedoch Voraussetzung für die Teilnahme an Subsidienprogrammen der Regierung, die Kunden beim Kauf von russischen Maschinen in Anspruch nehmen konnten. Hier ging es um staatliche Zuschüsse von bis zu 25 Prozent des Kaufpreises.
Passenderweise wurde just zu diesem Zeitpunkt der Sonderinvestitionsvertrag (SPIK) als ein zusätzliches Investitionsinstrument von der russischen Regierung erarbeitet, und wir haben uns sehr bemüht, das erste westliche Unternehmen zu werden, das diesen Vertrag unterzeichnet. Dies ist uns zum Glück auch gelungen.
Der größte Vorteil war, dass wir mit der Unterzeichnung des Vertrags sofort den Status eines russischen Unternehmens bekamen. Den erforderlichen Lokalisierungsgrad konnten wir dann innerhalb der Laufzeit des SPIK (zehn Jahre) post factum schaffen. Man kann den SPIK deshalb sicherlich als eine Erfolgsgeschichte bezeichnen.
Eine Erfolgsmeldung betrifft den Export landwirtschaftlicher Maschinen aus Russland. Unter anderem werden in Russland produzierte Mähdrescher in Europa immer beliebter. Welche Unternehmen betrachten Sie hierzulande als ernsthafte Konkurrenten – heimische und internationale?
Natürlich spielt der Export von landwirtschaftlichen Maschinen in der russischen Politik eine sehr große Rolle. Allerdings sollte beim Landmaschinenbau nach meiner Meinung anstatt der Exporte eher der heimische Markt im Vordergrund stehen, der noch nicht in ausreichendem Maße mit moderner Landtechnik versorgt ist. Unserer Einschätzung nach – und das ist auch die Einschätzung des russischen Landwirtschaftsministeriums – wird z. B. bei Mähdreschern nur etwa die Hälfte des eigentlichen Bedarfs jedes Jahr durch neue Maschinen ersetzt.
Was den internationalen Bedarf an Maschinen, die in Russland produziert werden, angeht, so gibt es diesen zweifelsohne. Allerdings möchte ich in Zweifel stellen, dass die Nachfrage allzu groß ist. Aber ich glaube nicht, dass dies aktuell zu wesentlichen Marktanteilen in Europa führt. Davon sind wir noch weit entfernt. Auch CLAAS hat im vergangenen Jahr die ersten Probeexporte unserer Maschinen in vier EU-Länder durchgeführt, allerdings nur in kleinem Maße. Unser wichtigstes Exportland ist Kasachstan, wo wir jedes Jahr bis zu zehn Prozent unserer Produktion hinliefern.
Dr. Ralf Bendisch spricht am 28. Oktober auf dem 6. Manufacturers Forum in Frankfurt am Main. Verfolgen Sie interessante Diskussionen zu folgenden Fragen: Was sind die Pros und Contras einer Produktionslokalisierung in Russland und der GUS? Welchen Einfluss hat die anhaltende Corona-Pandemie auf Lokalisierungsprojekte vor Ort? Was sind die Zukunftsbranchen der Region? Seien Sie beim 6. Manufacturers Forum dabei!
Lokalisierung Insights: „Wir sehen, dass wir eine wichtige Rolle in Russland spielen können“
Im Interview mit dem Generaldirektor von CLAAS in Russland, Dr. Ralf Bendisch, sprechen wir u. a. über die hohe Nachfrage nach Landmaschinen und die Vorteile einer erfolgreichen Lokalisierung.
Herr Dr. Bendisch, Sie sind seit über 20 Jahren für das deutsche Familienunternehmen CLAAS in Russland tätig und sprechen im Gegensatz zu vielen Ihrer deutschen Kollegen fließend Russisch. Wann haben Sie die Leidenschaft für Land und Leute entwickelt?
Als gebürtiger Ostdeutscher habe ich in der ehemaligen Sowjetunion, genauer gesagt in Kiew, studiert und promoviert. Das waren insgesamt neun Jahre, in denen ich die russische Sprache sehr gut erlernen konnte. Aber es verhält sich damit wie mit dem berühmten Löffel zum Borschtsch: Sprachkompetenz allein reicht nicht, nur in Kombination mit einer soliden Ausbildung wird ein Schuh draus.
Nach meiner Promotion war ich dann zunächst wieder in Ostdeutschland im Landmaschinenbau tätig, bis unser Unternehmen im Zuge der Wiedervereinigung fast vollständig abgewickelt wurde und ich mich nach beruflichen Alternativen umschauen musste. Schließlich habe ich mich auf eine Stelle bei CLAAS beworben, wo mir die Möglichkeit in Aussicht gestellt wurde, wieder im russischsprachigen Raum arbeiten zu können. Mein Profil hat zu 150 Prozent gepasst und so sind CLAAS und ich dann glücklicherweise zueinander gekommen. Dies liegt mittlerweile schon fast 23 Jahre zurück.
Kommen wir auf die CLAAS-Erfolgsgeschichte in Russland zu sprechen. CLAAS hat 2016 als erstes ausländisches Unternehmen einen sogenannten Sonderinvestitionsvertrag (SPIK) mit der russischen Regierung unterzeichnet. In Zeiten von aufkommendem Protektionismus eine vorausschauende Entscheidung. Wie kam es dazu?
Eigentlich war es eher eine Reaktion auf die Entwicklung, die sich in Russland vollzogen hatte. Besonders nach 2014, als die Sanktionen und Gegensanktionen in Kraft traten, wurden auch für die in Russland ansässigen ausländischen Produzenten die Daumenschrauben in Richtung Vertiefung der Lokalisierung sehr stark angezogen. Wir als CLAAS haben bereits 2012/13 die größte Einzelinvestition des Konzerns außerhalb Deutschlands eingeleitet – über 120 Millionen Euro an einem einzigen Standort. Damit konnten wir unsere Fabrik in Krasnodar erweitern und eine vollständige Fertigungstiefe schaffen. Die Idee war, große Bauteile nicht mehr über lange Strecken zu transportieren, um u. a. weniger Zoll- und Logistikkosten zu haben.
Allerdings wurde kurz nach Eröffnung der neuen Fabrik deutlich, dass unsere Investitionen nicht dazu geführt haben, automatisch als russischer Hersteller anerkannt zu werden. Vielmehr waren zu diesem Zeitpunkt die Anforderungen an die Lokalisierung bereits so hoch, dass wir von dem Zustand ganz weit entfernt waren, eine Gleichbehandlung am Markt zu bekommen. Diese Gleichbehandlung war jedoch Voraussetzung für die Teilnahme an Subsidienprogrammen der Regierung, die Kunden beim Kauf von russischen Maschinen in Anspruch nehmen konnten. Hier ging es um staatliche Zuschüsse von bis zu 25 Prozent des Kaufpreises.
Passenderweise wurde just zu diesem Zeitpunkt der Sonderinvestitionsvertrag (SPIK) als ein zusätzliches Investitionsinstrument von der russischen Regierung erarbeitet, und wir haben uns sehr bemüht, das erste westliche Unternehmen zu werden, das diesen Vertrag unterzeichnet. Dies ist uns zum Glück auch gelungen.
Der größte Vorteil war, dass wir mit der Unterzeichnung des Vertrags sofort den Status eines russischen Unternehmens bekamen. Den erforderlichen Lokalisierungsgrad konnten wir dann innerhalb der Laufzeit des SPIK (zehn Jahre) post factum schaffen. Man kann den SPIK deshalb sicherlich als eine Erfolgsgeschichte bezeichnen.
Eine Erfolgsmeldung betrifft den Export landwirtschaftlicher Maschinen aus Russland. Unter anderem werden in Russland produzierte Mähdrescher in Europa immer beliebter. Welche Unternehmen betrachten Sie hierzulande als ernsthafte Konkurrenten – heimische und internationale?
Natürlich spielt der Export von landwirtschaftlichen Maschinen in der russischen Politik eine sehr große Rolle. Allerdings sollte beim Landmaschinenbau nach meiner Meinung anstatt der Exporte eher der heimische Markt im Vordergrund stehen, der noch nicht in ausreichendem Maße mit moderner Landtechnik versorgt ist. Unserer Einschätzung nach – und das ist auch die Einschätzung des russischen Landwirtschaftsministeriums – wird z. B. bei Mähdreschern nur etwa die Hälfte des eigentlichen Bedarfs jedes Jahr durch neue Maschinen ersetzt.
Was den internationalen Bedarf an Maschinen, die in Russland produziert werden, angeht, so gibt es diesen zweifelsohne. Allerdings möchte ich in Zweifel stellen, dass die Nachfrage allzu groß ist. Aber ich glaube nicht, dass dies aktuell zu wesentlichen Marktanteilen in Europa führt. Davon sind wir noch weit entfernt. Auch CLAAS hat im vergangenen Jahr die ersten Probeexporte unserer Maschinen in vier EU-Länder durchgeführt, allerdings nur in kleinem Maße. Unser wichtigstes Exportland ist Kasachstan, wo wir jedes Jahr bis zu zehn Prozent unserer Produktion hinliefern.
Dr. Ralf Bendisch spricht am 28. Oktober auf dem 6. Manufacturers Forum in Frankfurt am Main. Verfolgen Sie interessante Diskussionen zu folgenden Fragen: Was sind die Pros und Contras einer Produktionslokalisierung in Russland und der GUS? Welchen Einfluss hat die anhaltende Corona-Pandemie auf Lokalisierungsprojekte vor Ort? Was sind die Zukunftsbranchen der Region?
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