Während in den Mitgliedstaaten der EAWU Fragen der technischen Regulierung lange Zeit national geregelt wurden, sind sie seit 2011 zunächst an die Zollunion und später an die EAWU delegiert worden. Wir sprachen mit Gerd Slapke, Experte im Bereich der internationalen Normung und Technischen Regulierung, über eine mögliche Harmonisierung der EU- und EAWU-Anforderungen an die Technische Regulierung sowie mögliche Fallstricke auf dem Weg dorthin.
Welche Kompetenzen hat die EAWU im Bereich Normung? Wie ist der Vergleich zur EU?
Die EAWU hat in Fragen der Normung ähnliche Aufgaben und Kompetenzen wie die EU und orientiert sich inhaltlich und strukturell sehr stark an Europa. Seit 2011 haben die fünf Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten insbesondere im Bereich der Produktsicherheit an die EAWU delegiert. Es gibt zwar noch bestimmte Gebiete, die davon ausgenommen sind, aber das Gros der Anforderungen an die Erzeugnisse, die auf dem Markt angeboten werden – unter anderem für Maschinen und Ausrüstung – werden inzwischen durch die EAWU bestimmt. Dies geschieht in Form sogenannter technischer Reglements. Das Gegenstück in der EU dafür sind technische Direktiven. Ihre Einhaltung wird jeweils durch entsprechende Nachweise sichergestellt.
Vor welchen Herausforderungen stehen demnach die europäischen Unternehmen, die in die EAWU exportieren wollen?
Im Prinzip sind sich die Anforderungen der EU und der EAWU ähnlich, aber im Detail unterscheiden sie sich doch in vielen Punkten. Konkret bedeutet dies, dass ein EU-Erzeugnis nicht unbedingt auch in der EAWU in Verkehr gebracht werden darf, weil es verschiedene Normen, verschiedene technische Anforderungen und Klassifizierungen oder einfach nur formale Unterschiede geben kann. Diese „kleinen“ Unterschiede zu überwinden kostet relativ viel Geld und Zeit.
Europäische Unternehmen sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass jeder Marktraum seine eigenen Normen definiert. Dies ist übrigens nicht nur in der EU oder der EAWU so. Wer zum Beispiel in die USA exportieren will, muss genauso die amerikanischen Vorschriften einhalten, die in vielen Punkten noch viel, viel komplizierter und konkreter sind als die europäischen. So können sie nicht ohne Weiteres eine Maschine, die in Europa eingesetzt wird, in den USA verkaufen. Dass jeder seine eigenen Gesetze hat ist also keine Besonderheit. Wenn ich irgendwohin gehe, muss ich diese Gesetze entsprechend einhalten und die Einhaltung nachweisen. Das ist ein völlig normaler Vorgang.
Dennoch gibt es zwischen der EU und der EAWU Bemühungen, die Anforderungen zu harmonisieren?
Ja. Neben Unterschieden in den technischen und verbindlichen Regelungen kommen auch Unterschiede in den Normen, Klassifizierungen und sonstigen Anforderungen, die an die Unternehmen gestellt werden, hinzu. Dabei fallen einem für Russland und die anderen GUS-Länder sofort die sogenannten GOST-Normen ein, die historisch gewachsen sind. Hier gibt es von Region zu Region nicht nur technische Unterschiede, sondern auch – und das ist das zweite Spannungsfeld – unterschiedliche Anforderungen an die Durchführung der Prüfungen. So werden nicht automatisch Prüfungen, die Sie in Deutschland beim TÜV, bei der Dekra oder bei anderen Prüforganisationen gemacht haben, in der EAWU anerkannt. Das heißt, dass der europäische Hersteller schon in der Konstruktionsphase die Regeln berücksichtigen muss.
Aber zusätzlich muss er dann eben auch die entsprechenden Prüf- und Kompatibilitätsnachweise haben. Und es gibt Schätzungen, die sehr, sehr begründet sind, weil sie auch von den Herstellern bestätigt werden, dass der Mehraufwand, um diese Kompatibilitätsnachweise zu führen und die Produkte anzupassen, eine Größenordnung von zwei bis fünf Prozent des gesamten Auftragsvolumens betragen kann. Und wenn sie jetzt einen Fall haben, wo auch Industrieanlagen oder große Maschinen geliefert werden, dann spüren wir hier, dass wir nicht nur von 100 oder 1.000 Euro reden, sondern durchaus über Millionenbeträge. Und das ist ein erheblicher Mehraufwand, bei dem jeder Hersteller interessiert ist, diesen Aufwand zu optimieren.
Wie erfolgt dies konkret?
Man versucht hier bestimmte Vereinbarungen und Wege zu finden, um eine Harmonisierung der Anforderungen und der einzelnen Prüfnachweise, Registrierungen und so weiter zu erreichen, um bei den Unternehmen Druck rauszunehmen und Kosteneinsparungen zu erzielen. Die Wirtschaft bekommt dabei auch Unterstützung aus der Politik, zum Beispiel vom deutschen Wirtschaftsministerium.
Kann man schon von Erfolgen sprechen?
Es geht in die richtige Richtung, weil sowohl auf der Seite der EAWU und insbesondere von Russland, aber auch von der deutschen und EU-Seite gesehen wird, dass es notwendig ist, im beiderseitigen Interesse ökonomische Effekte zu erzielen und Einsparungen vorzunehmen. In der Summe reden wir hier von Geldern, die vom Endverbraucher bezahlt werden müssen: Je teurer die Zulassung, desto teurer das Produkt und umso schlechter sind die Marktchancen. Es ist deshalb keine Einbahnstraße, sondern es betrifft beide Seiten – diejenigen Unternehmen, die nach Europa gehen, und diejenigen, die in die EAWU gehen.
Momentan sind wir in einer Phase, wo das Problem analysiert wird, wo Schwerpunkte gesucht und fixiert werden, die besonders wichtig und technisch notwendig sind und im Interesse einer Harmonisierung vorgezogen werden könnten, um konkret an Schwerpunkten nachzuweisen. Wir können miteinander reden, wir können unsere Verfahren im gegenseitigen Interesse und im Interesse der Kosten harmonisieren und dann die nächsten Schritte gehen.
Ideal ist immer der Fall, dass man sagt: Wir haben in Europa das CE-Verfahren und die EAWU das EAC-Zeichen. Dass wir sagen, das eine ist gleichwertig zum andern und wir akzeptieren das. Dann wäre ein absolut freier Handelsaustausch möglich. Aber das ist eine Utopie, weil die EU und die EAWU ihre Gesetze haben. Ich sehe da ganz persönlich weder kurz- noch mittelfristig die Möglichkeit, ein Gleichheitszeichen zu setzen. Das hat die EU auch mit den USA nicht geschafft.
Ist eine gewisse Angleichung der Standards dennoch möglich?
Eine Vereinfachung des Verfahrens, zum Beispiel eine Abstimmung der Prüfmethoden, wo man nicht zweimal sondern nur einmal prüfen muss, ist ein realistischer Weg. Aber dazu gehört dann auch eine Akzeptanz derjenigen, die die Prüfungen durchführen. Das heißt konkret eine Änderung der technischen Reglements. Im Moment will die EAWU, dass die Prüfungen durch Einrichtungen durchgeführt werden, die auf dem Territorium der EAWU akkreditiert sind. Das heißt, wenn der deutsche TÜV oder eine andere Prüforganisation etwas prüft, dann darf das Protokoll für die EAWU gar nicht verwendet werden. Das sind Punkte, wo man relativ schnell Erleichterungen erreichen kann, wenn man das von beiden Seiten möchte.
Kann man einen gewissen Zeithorizont definieren, in dem konkrete Erleichterungen erzielt werden können?
Ich hoffe, und das ist auch meine persönliche Meinung, dass man sicherlich in Pilotprojekten, wo man sich auf drei oder vier Bereiche konzentriert und versucht das Verfahren zu harmonisieren, durchaus Erfolge innerhalb von ein bis zwei Jahren erzielen kann. Aber das muss zu konkreten Themen passieren. Nicht an der breiten Front, das wäre utopisch.
EAWU Insights: „Im Bereich der technischen Regulierung kann man schnell viel erreichen“
Während in den Mitgliedstaaten der EAWU Fragen der technischen Regulierung lange Zeit national geregelt wurden, sind sie seit 2011 zunächst an die Zollunion und später an die EAWU delegiert worden. Wir sprachen mit Gerd Slapke, Experte im Bereich der internationalen Normung und Technischen Regulierung, über eine mögliche Harmonisierung der EU- und EAWU-Anforderungen an die Technische Regulierung sowie mögliche Fallstricke auf dem Weg dorthin.
Welche Kompetenzen hat die EAWU im Bereich Normung? Wie ist der Vergleich zur EU?
Die EAWU hat in Fragen der Normung ähnliche Aufgaben und Kompetenzen wie die EU und orientiert sich inhaltlich und strukturell sehr stark an Europa. Seit 2011 haben die fünf Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten insbesondere im Bereich der Produktsicherheit an die EAWU delegiert. Es gibt zwar noch bestimmte Gebiete, die davon ausgenommen sind, aber das Gros der Anforderungen an die Erzeugnisse, die auf dem Markt angeboten werden – unter anderem für Maschinen und Ausrüstung – werden inzwischen durch die EAWU bestimmt. Dies geschieht in Form sogenannter technischer Reglements. Das Gegenstück in der EU dafür sind technische Direktiven. Ihre Einhaltung wird jeweils durch entsprechende Nachweise sichergestellt.
Vor welchen Herausforderungen stehen demnach die europäischen Unternehmen, die in die EAWU exportieren wollen?
Im Prinzip sind sich die Anforderungen der EU und der EAWU ähnlich, aber im Detail unterscheiden sie sich doch in vielen Punkten. Konkret bedeutet dies, dass ein EU-Erzeugnis nicht unbedingt auch in der EAWU in Verkehr gebracht werden darf, weil es verschiedene Normen, verschiedene technische Anforderungen und Klassifizierungen oder einfach nur formale Unterschiede geben kann. Diese „kleinen“ Unterschiede zu überwinden kostet relativ viel Geld und Zeit.
Europäische Unternehmen sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass jeder Marktraum seine eigenen Normen definiert. Dies ist übrigens nicht nur in der EU oder der EAWU so. Wer zum Beispiel in die USA exportieren will, muss genauso die amerikanischen Vorschriften einhalten, die in vielen Punkten noch viel, viel komplizierter und konkreter sind als die europäischen. So können sie nicht ohne Weiteres eine Maschine, die in Europa eingesetzt wird, in den USA verkaufen. Dass jeder seine eigenen Gesetze hat ist also keine Besonderheit. Wenn ich irgendwohin gehe, muss ich diese Gesetze entsprechend einhalten und die Einhaltung nachweisen. Das ist ein völlig normaler Vorgang.
Dennoch gibt es zwischen der EU und der EAWU Bemühungen, die Anforderungen zu harmonisieren?
Ja. Neben Unterschieden in den technischen und verbindlichen Regelungen kommen auch Unterschiede in den Normen, Klassifizierungen und sonstigen Anforderungen, die an die Unternehmen gestellt werden, hinzu. Dabei fallen einem für Russland und die anderen GUS-Länder sofort die sogenannten GOST-Normen ein, die historisch gewachsen sind. Hier gibt es von Region zu Region nicht nur technische Unterschiede, sondern auch – und das ist das zweite Spannungsfeld – unterschiedliche Anforderungen an die Durchführung der Prüfungen. So werden nicht automatisch Prüfungen, die Sie in Deutschland beim TÜV, bei der Dekra oder bei anderen Prüforganisationen gemacht haben, in der EAWU anerkannt. Das heißt, dass der europäische Hersteller schon in der Konstruktionsphase die Regeln berücksichtigen muss.
Aber zusätzlich muss er dann eben auch die entsprechenden Prüf- und Kompatibilitätsnachweise haben. Und es gibt Schätzungen, die sehr, sehr begründet sind, weil sie auch von den Herstellern bestätigt werden, dass der Mehraufwand, um diese Kompatibilitätsnachweise zu führen und die Produkte anzupassen, eine Größenordnung von zwei bis fünf Prozent des gesamten Auftragsvolumens betragen kann. Und wenn sie jetzt einen Fall haben, wo auch Industrieanlagen oder große Maschinen geliefert werden, dann spüren wir hier, dass wir nicht nur von 100 oder 1.000 Euro reden, sondern durchaus über Millionenbeträge. Und das ist ein erheblicher Mehraufwand, bei dem jeder Hersteller interessiert ist, diesen Aufwand zu optimieren.
Wie erfolgt dies konkret?
Man versucht hier bestimmte Vereinbarungen und Wege zu finden, um eine Harmonisierung der Anforderungen und der einzelnen Prüfnachweise, Registrierungen und so weiter zu erreichen, um bei den Unternehmen Druck rauszunehmen und Kosteneinsparungen zu erzielen. Die Wirtschaft bekommt dabei auch Unterstützung aus der Politik, zum Beispiel vom deutschen Wirtschaftsministerium.
Kann man schon von Erfolgen sprechen?
Es geht in die richtige Richtung, weil sowohl auf der Seite der EAWU und insbesondere von Russland, aber auch von der deutschen und EU-Seite gesehen wird, dass es notwendig ist, im beiderseitigen Interesse ökonomische Effekte zu erzielen und Einsparungen vorzunehmen. In der Summe reden wir hier von Geldern, die vom Endverbraucher bezahlt werden müssen: Je teurer die Zulassung, desto teurer das Produkt und umso schlechter sind die Marktchancen. Es ist deshalb keine Einbahnstraße, sondern es betrifft beide Seiten – diejenigen Unternehmen, die nach Europa gehen, und diejenigen, die in die EAWU gehen.
Momentan sind wir in einer Phase, wo das Problem analysiert wird, wo Schwerpunkte gesucht und fixiert werden, die besonders wichtig und technisch notwendig sind und im Interesse einer Harmonisierung vorgezogen werden könnten, um konkret an Schwerpunkten nachzuweisen. Wir können miteinander reden, wir können unsere Verfahren im gegenseitigen Interesse und im Interesse der Kosten harmonisieren und dann die nächsten Schritte gehen.
Ideal ist immer der Fall, dass man sagt: Wir haben in Europa das CE-Verfahren und die EAWU das EAC-Zeichen. Dass wir sagen, das eine ist gleichwertig zum andern und wir akzeptieren das. Dann wäre ein absolut freier Handelsaustausch möglich. Aber das ist eine Utopie, weil die EU und die EAWU ihre Gesetze haben. Ich sehe da ganz persönlich weder kurz- noch mittelfristig die Möglichkeit, ein Gleichheitszeichen zu setzen. Das hat die EU auch mit den USA nicht geschafft.
Ist eine gewisse Angleichung der Standards dennoch möglich?
Eine Vereinfachung des Verfahrens, zum Beispiel eine Abstimmung der Prüfmethoden, wo man nicht zweimal sondern nur einmal prüfen muss, ist ein realistischer Weg. Aber dazu gehört dann auch eine Akzeptanz derjenigen, die die Prüfungen durchführen. Das heißt konkret eine Änderung der technischen Reglements. Im Moment will die EAWU, dass die Prüfungen durch Einrichtungen durchgeführt werden, die auf dem Territorium der EAWU akkreditiert sind. Das heißt, wenn der deutsche TÜV oder eine andere Prüforganisation etwas prüft, dann darf das Protokoll für die EAWU gar nicht verwendet werden. Das sind Punkte, wo man relativ schnell Erleichterungen erreichen kann, wenn man das von beiden Seiten möchte.
Kann man einen gewissen Zeithorizont definieren, in dem konkrete Erleichterungen erzielt werden können?
Ich hoffe, und das ist auch meine persönliche Meinung, dass man sicherlich in Pilotprojekten, wo man sich auf drei oder vier Bereiche konzentriert und versucht das Verfahren zu harmonisieren, durchaus Erfolge innerhalb von ein bis zwei Jahren erzielen kann. Aber das muss zu konkreten Themen passieren. Nicht an der breiten Front, das wäre utopisch.