Olaf Letzel ist Vertreter der Commerzbank AG in Moskau. Im Interview mit RusslandInsider spricht er über die Stabilität des Rubels, den russischen Aktienmarkt und darüber, welche Rolle die Commerzbank bei der Entwicklung des russischen KMU-Sektors spielen will.
Herr Letzel, Russland will mit den Nationalen Projekten die Wirtschaft kräftig ankurbeln. Wie schätzen Sie die Möglichkeit für ausländische Banken ein, an dieser Entwicklung teilzuhaben? Was bedeutet dies für die Aufstellung der Commerzbank in Russland?
Richtig, in den sogenannten Mai-Dekreten, die am 7. Mai 2018 durch Präsident Putin unterzeichnet wurden, sind die Entwicklungsziele Russlands für die Jahre bis 2024 aufgezählt. Besonderes Augenmerk wird der Entwicklung des KMU-Sektors gewidmet, dessen Beschäftigtenzahl zum Beispiel auf 25 Millionen Menschen wachsen soll. Das wären immerhin knapp 30 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Russlands. Bisher liegt der Anteil des Bruttosozialprodukts aus dem KMU-Sektor bei nur 10 bis 15 Prozent.
Die Commerzbank ist quasi per Definition die Bank des deutschen Mittelstandes; sie wurde 1870, also vor genau 150 Jahren, in Hamburg als Commerz- und Disconto Bank von Kaufleuten gegründet mit dem Geschäftsziel der „Erleichterung und Beförderung des Handelsverkehrs mittels Vereinigung bedeutender Geldkräfte“. Heute könnte man salopp sagen: Was für die russische Wirtschaft gut ist, ist auch gut für die in Russland tätigen deutschen Unternehmen, die von der Commerzbank betreut werden. Mit 120 Beschäftigten begleiten wir vor allem die deutschen und europäischen Unternehmen in ihrem Russland- und GUS-Geschäft, für die wir auch in Deutschland und Europa die Hausbank sind.
Unser Konzept ist dabei, die globale Betreuung unserer international tätigen Kundschaft eng mit der lokalen Betreuung vor Ort zu verknüpfen. Mit der raschen Entwicklung der EAWU haben wir auch die Nachbar- staaten im Fokus, denn die in Russland tätigen Unternehmen tun dies auch. Aktuell bieten wir in Russland sowohl die Geschäftsabwicklung wie die Kursabsicherung und Finanzierungen auch in der kasachischen Währung Tenge an. Solche Dienstleistungen sind für einige Kunden auch in den Ländern Belarus und Usbekistan wichtig. Also schauen wir ebenfalls in diese Richtung.
Präsident Putin hat das Ziel formuliert, den Anteil der KMU am russischen BIP bis zum Jahr 2025 auf 40 Prozent zu erhöhen. Welche Möglichkeit bietet die Commerzbank, um entsprechende Kreditlinien für KMU bereitzustellen? Wie ist die Commerzbank in diesem Bereich generell aufgestellt?
Bisher hat der staatliche Wirtschaftssektor in Russland nach wie vor den größten Anteil. Dass dies nicht in allen Industriezweigen wettbewerbsförderlich ist, hat man erkannt. Daher ist es begrüßenswert, dass der Entwicklung des KMU-Sektors jetzt besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass dies nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist, versteht sich von selbst. Über Generationen gewachsene Traditionen kann man nicht per Dekret ins Leben rufen. Der eingeschlagene Weg ist jedoch richtig.
Die Rolle einer Universalbank ist nicht nur die Kreditvergabe, sondern die kluge Kombination aller bank- technischen Möglichkeiten im Interesse des Kunden mit dem Ziel, möglichst viele Risiken zu minimieren. So stehen wir unserer KMU-Kundschaft nicht nur mit ausreichenden Kreditlinien zur Verfügung, sondern mit der gesamten Palette unserer Bankdienstleistungen. Zu den gefragtesten Produkten gehören die, die eine pro- fessionelle Kontrolle über die Ausgaben des Unternehmens ermöglichen. Das sind zum Beispiel die grenz- überschreitende Rubel-Cash-Konzentration, aber auch Zollkarten, Electronic Banking, Cash Pooling, sowie die verschiedensten derivativen Instrumente zum Beispiel zum Risikomanagement und natürlich auch für die Handelsfinanzierung, die beispielsweise mit den traditionellen Instrumenten des dokumentären Akkreditivs oder Garantien dargestellt werden kann. Die Grundidee dabei ist, die Bankdienstleistungen in Russland anzubieten, welche unseren Konzernkunden bereits von ihren Heimatmärkten her gut bekannt sind.
Die russische Leitindex RTS hat sich in den letzten Jahren trotz schwächelnder Konjunktur äußerst erfolgreich entwickelt. Jedoch sind Aktien russischer Unternehmen im Vergleich zu europäischen oder amerikanischen Aktien weiterhin relativ preiswert. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Im zweiten Teil der Frage klingt bereits die Antwort auf den ersten Teil an. In der Tat ist es so, dass viele Investoren – sei es aufgrund der Sanktionsthematik oder aus anderen Gründen – sich nicht besonders ‚wohl’ in russischen Aktien gefühlt haben und sozusagen einen weiten Bogen um sie machten. Zudem gehören Wertpapiere russischer Unternehmen in den Portfolios der ausländischen Investmentfonds meistens in die Kategorie „Emerging Markets“-Risiko. Also spielen hier nicht nur rein russische Faktoren eine Rolle.
Was die Aktien russischer Unternehmen jedoch besonders interessant macht, ist deren relativ hohe Dividendenausschüttung, gerade im Vergleich mit europäischen Werten. Dies ist Teil der Geschäftspolitik der betroffenen Unternehmen, um deren Attraktivität am Markt zu stärken. Diese Rendite ist durchaus mit der Rendite aus festverzinslichen Staatspapieren vergleichbar. Die Exporteure sind daher weiterhin an einem eher schwachen Rubel interessiert, um eine höhere Rendite ausweisen zu können und somit höheres Wachstum zu zeigen. Von daher sehen wir die Entwicklung des russischen Aktienmarktes auf die kommenden ein bis zwei Jahre weiterhin positiv.
Wie schätzen Sie die Stabilität der russischen Währung angesichts der Abhängigkeit von Rohstoffex- porten ein? Welche Auswirkungen könnten größere Schwankungen auf das Investitionsklima im Jahr 2020 haben? Wie wir beobachten, ist die russische Währung seit mehreren Jahren wieder stabil und hat sich derzeit auf dem Niveau von circa 60 bis 65 Rubel pro US-Dollar eingependelt; der Kurs zum Euro ist ja nur eine Ableitung aus diesem Kurs und dem internationalen Kurs des Euro zum US-Dollar. Selbstverständlich war der Sprung von seinerzeit 30 Rubel pro US-Dollar, der bis Ende 2013 quasi zehn Jahre lang galt, auf knapp 70 Rubel im Jahr 2014 und dann knapp 80 im Jahre 2016 ein Schock für viele. Vor allen die Bevölkerung hatte – in Euro gerechnet – in diesem Zusammenhang über Realeinkommensverluste zu klagen, da parallel die Inflation stark anzog und die Einkommen nicht in gleichem Maße stiegen. Die Unternehmen mit großem Außenhandelsanteil litten genauso stark. So haben einige Firmen mit internationalem Hintergrund, die ihre Produktion in Russland nicht lokalisieren konnten, seinerzeit die Entscheidung getroffen, das Land zu verlassen. Aber: Für das Investitionsklima sind eher andere Faktoren wie die Sanktionsthematik, insbesondere die exterritoriale Wirkung amerikanischer Sanktionen, der bürokratische Aufwand, Visa- und Migrationsbestimmungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und Rechtsicherheit maßgeblicher.
Der Wechselkurs selbst hat auf das Investitionsklima aus unserer Sicht eher weniger Einfluss. Für die Unternehmen, die bereits in Russland produzieren, gibt es sogar Vorteile. Für die in ausländischer Währung gemachte Geschäftsplanung des jeweiligen Head Office ist der Wechselkurs ebenso von Bedeutung. Geschäftsentwicklungszahlen, die auf Rubel basieren, stimmen dann nicht notwendigerweise mit in anderen Währungen umgerechneten Wachstumszahlen überein oder können sich sogar ins Negative verkehren.
Interview: Olaf Letzel
Olaf Letzel ist Vertreter der Commerzbank AG in Moskau. Im Interview mit RusslandInsider spricht er über die Stabilität des Rubels, den russischen Aktienmarkt und darüber, welche Rolle die Commerzbank bei der Entwicklung des russischen KMU-Sektors spielen will.
Herr Letzel, Russland will mit den Nationalen Projekten die Wirtschaft kräftig ankurbeln. Wie schätzen Sie die Möglichkeit für ausländische Banken ein, an dieser Entwicklung teilzuhaben? Was bedeutet dies für die Aufstellung der Commerzbank in Russland?
Richtig, in den sogenannten Mai-Dekreten, die am 7. Mai 2018 durch Präsident Putin unterzeichnet wurden, sind die Entwicklungsziele Russlands für die Jahre bis 2024 aufgezählt. Besonderes Augenmerk wird der Entwicklung des KMU-Sektors gewidmet, dessen Beschäftigtenzahl zum Beispiel auf 25 Millionen Menschen wachsen soll. Das wären immerhin knapp 30 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Russlands. Bisher liegt der Anteil des Bruttosozialprodukts aus dem KMU-Sektor bei nur 10 bis 15 Prozent.
Die Commerzbank ist quasi per Definition die Bank des deutschen Mittelstandes; sie wurde 1870, also vor genau 150 Jahren, in Hamburg als Commerz- und Disconto Bank von Kaufleuten gegründet mit dem Geschäftsziel der „Erleichterung und Beförderung des Handelsverkehrs mittels Vereinigung bedeutender Geldkräfte“. Heute könnte man salopp sagen: Was für die russische Wirtschaft gut ist, ist auch gut für die in Russland tätigen deutschen Unternehmen, die von der Commerzbank betreut werden. Mit 120 Beschäftigten begleiten wir vor allem die deutschen und europäischen Unternehmen in ihrem Russland- und GUS-Geschäft, für die wir auch in Deutschland und Europa die Hausbank sind.
Unser Konzept ist dabei, die globale Betreuung unserer international tätigen Kundschaft eng mit der lokalen Betreuung vor Ort zu verknüpfen. Mit der raschen Entwicklung der EAWU haben wir auch die Nachbar- staaten im Fokus, denn die in Russland tätigen Unternehmen tun dies auch. Aktuell bieten wir in Russland sowohl die Geschäftsabwicklung wie die Kursabsicherung und Finanzierungen auch in der kasachischen Währung Tenge an. Solche Dienstleistungen sind für einige Kunden auch in den Ländern Belarus und Usbekistan wichtig. Also schauen wir ebenfalls in diese Richtung.
Präsident Putin hat das Ziel formuliert, den Anteil der KMU am russischen BIP bis zum Jahr 2025 auf 40 Prozent zu erhöhen. Welche Möglichkeit bietet die Commerzbank, um entsprechende Kreditlinien für KMU bereitzustellen? Wie ist die Commerzbank in diesem Bereich generell aufgestellt?
Bisher hat der staatliche Wirtschaftssektor in Russland nach wie vor den größten Anteil. Dass dies nicht in allen Industriezweigen wettbewerbsförderlich ist, hat man erkannt. Daher ist es begrüßenswert, dass der Entwicklung des KMU-Sektors jetzt besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass dies nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist, versteht sich von selbst. Über Generationen gewachsene Traditionen kann man nicht per Dekret ins Leben rufen. Der eingeschlagene Weg ist jedoch richtig.
Die Rolle einer Universalbank ist nicht nur die Kreditvergabe, sondern die kluge Kombination aller bank- technischen Möglichkeiten im Interesse des Kunden mit dem Ziel, möglichst viele Risiken zu minimieren. So stehen wir unserer KMU-Kundschaft nicht nur mit ausreichenden Kreditlinien zur Verfügung, sondern mit der gesamten Palette unserer Bankdienstleistungen. Zu den gefragtesten Produkten gehören die, die eine pro- fessionelle Kontrolle über die Ausgaben des Unternehmens ermöglichen. Das sind zum Beispiel die grenz- überschreitende Rubel-Cash-Konzentration, aber auch Zollkarten, Electronic Banking, Cash Pooling, sowie die verschiedensten derivativen Instrumente zum Beispiel zum Risikomanagement und natürlich auch für die Handelsfinanzierung, die beispielsweise mit den traditionellen Instrumenten des dokumentären Akkreditivs oder Garantien dargestellt werden kann. Die Grundidee dabei ist, die Bankdienstleistungen in Russland anzubieten, welche unseren Konzernkunden bereits von ihren Heimatmärkten her gut bekannt sind.
Die russische Leitindex RTS hat sich in den letzten Jahren trotz schwächelnder Konjunktur äußerst erfolgreich entwickelt. Jedoch sind Aktien russischer Unternehmen im Vergleich zu europäischen oder amerikanischen Aktien weiterhin relativ preiswert. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Im zweiten Teil der Frage klingt bereits die Antwort auf den ersten Teil an. In der Tat ist es so, dass viele Investoren – sei es aufgrund der Sanktionsthematik oder aus anderen Gründen – sich nicht besonders ‚wohl’ in russischen Aktien gefühlt haben und sozusagen einen weiten Bogen um sie machten. Zudem gehören Wertpapiere russischer Unternehmen in den Portfolios der ausländischen Investmentfonds meistens in die Kategorie „Emerging Markets“-Risiko. Also spielen hier nicht nur rein russische Faktoren eine Rolle.
Was die Aktien russischer Unternehmen jedoch besonders interessant macht, ist deren relativ hohe Dividendenausschüttung, gerade im Vergleich mit europäischen Werten. Dies ist Teil der Geschäftspolitik der betroffenen Unternehmen, um deren Attraktivität am Markt zu stärken. Diese Rendite ist durchaus mit der Rendite aus festverzinslichen Staatspapieren vergleichbar. Die Exporteure sind daher weiterhin an einem eher schwachen Rubel interessiert, um eine höhere Rendite ausweisen zu können und somit höheres Wachstum zu zeigen. Von daher sehen wir die Entwicklung des russischen Aktienmarktes auf die kommenden ein bis zwei Jahre weiterhin positiv.
Wie schätzen Sie die Stabilität der russischen Währung angesichts der Abhängigkeit von Rohstoffex- porten ein? Welche Auswirkungen könnten größere Schwankungen auf das Investitionsklima im Jahr 2020 haben?
Wie wir beobachten, ist die russische Währung seit mehreren Jahren wieder stabil und hat sich derzeit auf dem Niveau von circa 60 bis 65 Rubel pro US-Dollar eingependelt; der Kurs zum Euro ist ja nur eine Ableitung aus diesem Kurs und dem internationalen Kurs des Euro zum US-Dollar. Selbstverständlich war der Sprung von seinerzeit 30 Rubel pro US-Dollar, der bis Ende 2013 quasi zehn Jahre lang galt, auf knapp 70 Rubel im Jahr 2014 und dann knapp 80 im Jahre 2016 ein Schock für viele. Vor allen die Bevölkerung hatte – in Euro gerechnet – in diesem Zusammenhang über Realeinkommensverluste zu klagen, da parallel die Inflation stark anzog und die Einkommen nicht in gleichem Maße stiegen. Die Unternehmen mit großem Außenhandelsanteil litten genauso stark. So haben einige Firmen mit internationalem Hintergrund, die ihre Produktion in Russland nicht lokalisieren konnten, seinerzeit die Entscheidung getroffen, das Land zu verlassen. Aber: Für das Investitionsklima sind eher andere Faktoren wie die Sanktionsthematik, insbesondere die exterritoriale Wirkung amerikanischer Sanktionen, der bürokratische Aufwand, Visa- und Migrationsbestimmungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und Rechtsicherheit maßgeblicher.
Der Wechselkurs selbst hat auf das Investitionsklima aus unserer Sicht eher weniger Einfluss. Für die Unternehmen, die bereits in Russland produzieren, gibt es sogar Vorteile. Für die in ausländischer Währung gemachte Geschäftsplanung des jeweiligen Head Office ist der Wechselkurs ebenso von Bedeutung. Geschäftsentwicklungszahlen, die auf Rubel basieren, stimmen dann nicht notwendigerweise mit in anderen Währungen umgerechneten Wachstumszahlen überein oder können sich sogar ins Negative verkehren.