Aus dem Verkauf der Sberbank sollen zusätzliche Mittel für Putins Sozialausgaben lockergemacht werden.
Präsident Putin hat vor der russischen Föderalversammlung eine beeindruckende Zahl präsentiert: In den nächsten drei Jahren will der Staat zusätzliche zwei Billionen Rubel für soziale Initiativen ausgeben. Dies sind umgerechnet knapp 30 Milliarden Euro. Diese Ankündigung macht eine Anpassung der Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung und den russischen Staatshaushalt notwendig. So sollen die Haushaltsausgaben in den kommenden drei Jahren um rund 20 Milliarden Euro auf 1,4 Billionen Rubel angehoben werden. Dafür braucht die russische Regierung neue Einnahmequellen.
Regierung verkauft und kauft Sberbank
Eine davon könnte die bisherige Kontrollbeteiligung am größten russischen Geldinstitut Sberbank sein. Es geht um eine Aktienmehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie zum Marktpreis von umgerechnet etwa 42 Milliarden Euro, die momentan bei der Zentralbank liegt. Für Experten stellt diese Entscheidung keine allzu große Überraschung dar. Der Rückzug der russischen Zentralbank aus dem Aktionärskreis der Sberbank wurde schon lange diskutiert. Im Oktober 2019 erklärte der stellvertretende Finanzminister Alexej Moissejew, es sei „ziemlich seltsam“, dass die Zentralbank die Sberbank besitze. „Dadurch, dass die Rolle des Aktionärs, des Regulators und der Aufsichtsbehörde zusammenfallen, gibt es einen bestimmten Interessenkonflikt.“
Die Frage ist allerdings, wofür die Sberbank-Gelder verwendet werden. Regierungsvertreter sind der Meinung, dass es besser wäre, die Mittel für den Kauf der Sberbank auszugeben, anstatt Projekte mit geringem Ertrag zu finanzieren, wie sie von zahlreichen Lobbyisten angepriesen werden. Eine andere Frage ist, ob es nicht sinnvoller wäre, die Sberbank-Aktien direkt auf dem freien Markt anzubieten. Die Erlöse daraus würden ja ebenfalls in den Staatshaushalt ießen. Stattdessen läuft die geplante Regelung auf eine weitere Verstaatlichung des Bankensystems statt auf eine reale Privatisierung hinaus.
Wie funktioniert dieser Deal?
Das, was jetzt passieren soll, ist einzigartig. Mit einer unorthodoxen Methode wird ein Teil der Gelder aus dem Nationalen Wohlstandsfonds unter Umgehung der Haushaltsregeln ausgegeben. Der Wohlstandsfonds – im Umfang von fast acht Billionen Rubel (etwa 116 Milliarden Euro) oder mehr als sieben Prozent des russischen BIP – sammelt Überschüsse aus dem Rohstoffverkauf ein, denn er darf nur in gewissen Grenzen beansprucht werden. Deshalb musste ein Plan her, um diese Gelder zum Kauf einer Beteiligung an der größten russischen Staatsbank (52,3 Prozent der stimmberechtigten Aktien) aufwenden zu können.
Vorgesehen ist nun, dass das Geld dem Nationalen Wohlstandsfonds in Tranchen von jeweils 1,2 Billionen Rubel entnommen wird. Diese Abwicklung wird bis Ende 2022 dauern. Weil die Notenbank verpflichtet ist, ihren Gewinn zu 75 Prozent an die Staatskasse auszuschütten, geht ein Großteil des Kaufpreises direkt an das Finanzministerium. Die Gelder stehen so zur freien Verfügung – etwa für Präsident Putins Ankündigung neuer Sozialprogramme oder überhaupt zur Ankurbelung der Wirtschaft, dem wichtigsten Anliegen der neuen Regierung.
Auswirkungen auf die russische Wirtschaft
Derartige Änderungen in den Haushaltseinnahmen haben makroökonomische Auswirkungen. So hat das Finanzministerium seine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung für die Jahre 2020 bis 2022 nach oben korrigiert. Bereits das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr soll sich um 0,2 Prozentpunkte erhöhen – von 1,7 Prozent auf 1,9 Prozent. Für 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent vorausgesagt und 2022 soll das Wachstum 3,2 Prozent betragen. Auch die real verfügbaren Einkommen könnten im laufenden Jahr um 0,5 Prozentpunkte ansteigen.
Diese Beschleunigung des Wirtschaftswachstums könnte allerdings weitgehend nur theoretisch sein. Wenn die zusätzlichen Haushaltsausgaben, einschließlich der Einnahmen aus dem beschriebenen Sberbank-Deal, zur Finanzierung neuer sozialer Wohltaten verwendet werden, wird ein großer Teil dieses Geldes die Realwirtschaft nicht erreichen. Meiner Prognose nach werden die einkommensschwachen Schichten die neuen staatlichen Transferleistungen für importierte Konsumgüter ausgeben. Diese Sichtweise wird auch von den Analysten der Zentralbank geteilt.
Allerdings könnten die erhöhten Haushaltsausgaben einen gewissen Vorteil in Bezug auf die Inflation haben. Die Vorsitzende der Zentralbank, Elwira Nabiullina, rechnet damit, dass die Finanzierung der neuen sozialen Initiativen einen Inflationseffekt von nur 0,2 Prozentpunkten haben wird. Zudem müsse so nicht mit einer Schwächung des Rubels gerechnet werden.
Nechaev analysiert: Russische Regierung steht vor ausserordentlichen Entscheidungen
Aus dem Verkauf der Sberbank sollen zusätzliche Mittel für Putins Sozialausgaben lockergemacht werden.
Präsident Putin hat vor der russischen Föderalversammlung eine beeindruckende Zahl präsentiert: In den nächsten drei Jahren will der Staat zusätzliche zwei Billionen Rubel für soziale Initiativen ausgeben. Dies sind umgerechnet knapp 30 Milliarden Euro. Diese Ankündigung macht eine Anpassung der Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung und den russischen Staatshaushalt notwendig. So sollen die Haushaltsausgaben in den kommenden drei Jahren um rund 20 Milliarden Euro auf 1,4 Billionen Rubel angehoben werden. Dafür braucht die russische Regierung neue Einnahmequellen.
Regierung verkauft und kauft Sberbank
Eine davon könnte die bisherige Kontrollbeteiligung am größten russischen Geldinstitut Sberbank sein. Es geht um eine Aktienmehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie zum Marktpreis von umgerechnet etwa 42 Milliarden Euro, die momentan bei der Zentralbank liegt. Für Experten stellt diese Entscheidung keine allzu große Überraschung dar. Der Rückzug der russischen Zentralbank aus dem Aktionärskreis der Sberbank wurde schon lange diskutiert. Im Oktober 2019 erklärte der stellvertretende Finanzminister Alexej Moissejew, es sei „ziemlich seltsam“, dass die Zentralbank die Sberbank besitze. „Dadurch, dass die Rolle des Aktionärs, des Regulators und der Aufsichtsbehörde zusammenfallen, gibt es einen bestimmten Interessenkonflikt.“
Die Frage ist allerdings, wofür die Sberbank-Gelder verwendet werden. Regierungsvertreter sind der Meinung, dass es besser wäre, die Mittel für den Kauf der Sberbank auszugeben, anstatt Projekte mit geringem Ertrag zu finanzieren, wie sie von zahlreichen Lobbyisten angepriesen werden. Eine andere Frage ist, ob es nicht sinnvoller wäre, die Sberbank-Aktien direkt auf dem freien Markt anzubieten. Die Erlöse daraus würden ja ebenfalls in den Staatshaushalt ießen. Stattdessen läuft die geplante Regelung auf eine weitere Verstaatlichung des Bankensystems statt auf eine reale Privatisierung hinaus.
Wie funktioniert dieser Deal?
Das, was jetzt passieren soll, ist einzigartig. Mit einer unorthodoxen Methode wird ein Teil der Gelder aus dem Nationalen Wohlstandsfonds unter Umgehung der Haushaltsregeln ausgegeben. Der Wohlstandsfonds – im Umfang von fast acht Billionen Rubel (etwa 116 Milliarden Euro) oder mehr als sieben Prozent des russischen BIP – sammelt Überschüsse aus dem Rohstoffverkauf ein, denn er darf nur in gewissen Grenzen beansprucht werden. Deshalb musste ein Plan her, um diese Gelder zum Kauf einer Beteiligung an der größten russischen Staatsbank (52,3 Prozent der stimmberechtigten Aktien) aufwenden zu können.
Vorgesehen ist nun, dass das Geld dem Nationalen Wohlstandsfonds in Tranchen von jeweils 1,2 Billionen Rubel entnommen wird. Diese Abwicklung wird bis Ende 2022 dauern. Weil die Notenbank verpflichtet ist, ihren Gewinn zu 75 Prozent an die Staatskasse auszuschütten, geht ein Großteil des Kaufpreises direkt an das Finanzministerium. Die Gelder stehen so zur freien Verfügung – etwa für Präsident Putins Ankündigung neuer Sozialprogramme oder überhaupt zur Ankurbelung der Wirtschaft, dem wichtigsten Anliegen der neuen Regierung.
Auswirkungen auf die russische Wirtschaft
Derartige Änderungen in den Haushaltseinnahmen haben makroökonomische Auswirkungen. So hat das Finanzministerium seine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung für die Jahre 2020 bis 2022 nach oben korrigiert. Bereits das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr soll sich um 0,2 Prozentpunkte erhöhen – von 1,7 Prozent auf 1,9 Prozent. Für 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent vorausgesagt und 2022 soll das Wachstum 3,2 Prozent betragen. Auch die real verfügbaren Einkommen könnten im laufenden Jahr um 0,5 Prozentpunkte ansteigen.
Diese Beschleunigung des Wirtschaftswachstums könnte allerdings weitgehend nur theoretisch sein. Wenn die zusätzlichen Haushaltsausgaben, einschließlich der Einnahmen aus dem beschriebenen Sberbank-Deal, zur Finanzierung neuer sozialer Wohltaten verwendet werden, wird ein großer Teil dieses Geldes die Realwirtschaft nicht erreichen. Meiner Prognose nach werden die einkommensschwachen Schichten die neuen staatlichen Transferleistungen für importierte Konsumgüter ausgeben. Diese Sichtweise wird auch von den Analysten der Zentralbank geteilt.
Allerdings könnten die erhöhten Haushaltsausgaben einen gewissen Vorteil in Bezug auf die Inflation haben. Die Vorsitzende der Zentralbank, Elwira Nabiullina, rechnet damit, dass die Finanzierung der neuen sozialen Initiativen einen Inflationseffekt von nur 0,2 Prozentpunkten haben wird. Zudem müsse so nicht mit einer Schwächung des Rubels gerechnet werden.
Prof. Andrey Nechaev, Wirtschaftsminister a.D.