Am 6. März kam es in Russland zu zwei einschneidenden Ereignissen – der Aufkündigung des Opec+-Deals und der damit zusammenhängenden starken Abwertung des Rubel.
Die Coronavirus-Epidemie könnte die bevorstehende zyklische Rezession der Weltwirtschaft beschleunigen. Zwei einschneidende Ereignisse vom 6. März unterstützen diese These. Der Streit Russlands mit Saudi-Arabien, der in der Kündigung des Opec+-Deals und einem Ölförderwettstreit eskalierte, hat dem Rubel endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Russische Landeswährung verlor innerhalb kürzester Zeit weit mehr als zehn Prozent ihres Wertes. Der Dollarkurs überschritt erstmals seit Jahren die Marke von 75 Rubel, der Euro wurde mit über 84 Rubel gehandelt. Parallel dazu fiel der Barrel-Preis der Marke Brent auf 31 US-Dollar. Nur Währungsinterventionen der russischen Zentralbank, einschließlich des Verkaufs von Fremdwährungen aus dem Nationalen Wohlstandsfonds, dämpften die Entwicklung. Dennoch stiegen sowohl der US-Dollar als auch der Euro Mitte dieser Woche wieder stark an und notierten bei 80,9 Rubel respektive 88,3 Rubel.
Warten auf Preisanstieg
Durch die Rubel-Abwertung wird die Inflation in Russland starken Auftrieb erhalten. Denn der Anteil importierter Waren bleibt trotz „Antisanktionen“ und Importsubstitution hoch auf dem russischen Verbrauchermarkt. Gerade diese importierten Waren werden automatisch teurer. Gleichzeitig beginnen einheimische Produzenten damit, die Preise für ihre Produkte an die der importierten Waren anzugleichen, da der Wettbewerb in Russland in den letzten Jahren unterdrückt wurde. Infolgedessen fällt der Inflationsschock durch die Rubel-Abwertung höher aus, als man aufgrund des Umfangs der Abwertung und des Anteils der Importe am Verbrauchermarkt erwarten würde. Wir haben dies bereits in der Vergangenheit beobachtet – 2008 bis 2009 und 2014 bis 2015.
Die meisten Experten sind sich einig, dass sich die Inflationsrate im Jahresverlauf mindestens verdoppeln wird. Dieser Anstieg wird einen schweren Schlag für den Lebensstandard der Bevölkerung bedeuten, der sowieso seit sechs Jahren rückläufig ist.
Auswirkungen auf den Staatshaushalt
Offiziell soll die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von Öl- und Gaseinnahmen zurückgefahren werden. Und formell hat ihr Anteil am Haushalt unter Berücksichtigung der „Haushaltsregel“ in den letzten Jahren leicht abgenommen – ein Teil der Öl- und Gaseinnahmen ging nicht an den Haushalt sondern an den Nationalen Wohlstandsfonds.
Dennoch: der Anteil der Öl- und Gaseinnahmen liegt immer noch bei 40 Prozent des Staatshaushalts und sie machten im vergangenen Jahr etwa zwei Drittel der russischen Exporte aus. Da der Ölpreis deutlich unter das für 2020 budgetierte Niveau von 42,4 US-Dollar pro Barrel gefallen ist, hat das Finanzministerium angekündigt, Mittel aus dem Wohlstandsfonds zur Finanzierung der Haushaltsausgaben aufzuwenden. Im Laufe des nächsten Monats werden dem Fonds dazu eine Milliarde US-Dollar entnommen. So dürfte sich der Druck auf den Rubel etwas verringern.
Zugleich ist zu beobachten, dass die Rubel-Einnahmen aus dem Außenhandel wegen der Abwertung steigen und so der Rückgang der Ölpreise teilweise aufgefangen wird. Kürzlich hat das Finanzministerium eine Erklärung abgegeben, wonach die russische Wirtschaft den Ölpreis von 30 US-Dollar pro Barrel fünf bis zehn Jahren verkraften könne. Ich kann diesen Optimismus nicht teilen, weil er offensichtlich die Folgen des Inflationsanstiegs für den Haushalt nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie den starken Anstieg der Staatsausgaben zur Finanzierung zusätzlicher sozialer Maßnahmen und Nationaler Projekte. Die Erfahrungen aus vergangenen Krisen zeigen, dass auch zur Unterstützung großer Unternehmen und staatlicher Banken zusätzliche Mittel benötigt werden.
Wie lange reicht das Polster?
Die mehr als zehn Billionen Rubel, die sich im Nationalen Wohlstandsfonds angesammelt haben, sind natürlich ein gutes Sicherheitspolster. Ich möchte jedoch daran erinnern, dass während der letzten Krise von 2008 bis 2009 der damalige Reservefonds in nur eineinhalb Jahren fast völlig erschöpft war. Sein Volumen war fast doppelt so groß wie der Nationale Wohlstandsfonds.
Angesichts dieser Lage glaube ich, dass Russland für etwa eineinhalb Jahre keine ernsthaften Probleme bevorstehen, sofern es nicht zu einem erneuten Einbruch der Erdölpreise kommt. Dies kann allerdings nicht völlig ausgeschlossen werden. Ich kann mich an meine Zeit als Wirtschaftsminister erinnern, als der Ölpreis bei etwa zehn US-Dollar pro Barrel lag. Im Jahr 1998 fiel er sogar auf acht US-Dollar pro Barrel.
Die Aussichten für die russische Wirtschaft werden weitgehend vom Umfang und der Dauer des Ölpreisrückgangs und dem Umfang der bevorstehenden globalen Wirtschaftsrezession abhängen. Dabei hat die US-Notenbank ihren Zinssatz als Teil ihres Kampfes gegen das Coronavirus vorzeitig um 0,5 Prozentpunkte auf 1 bis 1,25 Prozent gesenkt. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt seit langem nahe bei null und kann nicht weiter reduziert werden. Es ist also nicht möglich, die Krise mit weiteren Geldspritzen zu bekämpfen, wie es noch bei der letzten Krise der Fall war. Daher könnte sich die kommende globale Rezession als tiefer und länger anhaltend erweisen als bisher vermutet.
Nechaev Analysiert: Wirtschaftliches Donnerwetter in Russland
Am 6. März kam es in Russland zu zwei einschneidenden Ereignissen – der Aufkündigung des Opec+-Deals und der damit zusammenhängenden starken Abwertung des Rubel.
Die Coronavirus-Epidemie könnte die bevorstehende zyklische Rezession der Weltwirtschaft beschleunigen. Zwei einschneidende Ereignisse vom 6. März unterstützen diese These. Der Streit Russlands mit Saudi-Arabien, der in der Kündigung des Opec+-Deals und einem Ölförderwettstreit eskalierte, hat dem Rubel endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Russische Landeswährung verlor innerhalb kürzester Zeit weit mehr als zehn Prozent ihres Wertes. Der Dollarkurs überschritt erstmals seit Jahren die Marke von 75 Rubel, der Euro wurde mit über 84 Rubel gehandelt. Parallel dazu fiel der Barrel-Preis der Marke Brent auf 31 US-Dollar. Nur Währungsinterventionen der russischen Zentralbank, einschließlich des Verkaufs von Fremdwährungen aus dem Nationalen Wohlstandsfonds, dämpften die Entwicklung. Dennoch stiegen sowohl der US-Dollar als auch der Euro Mitte dieser Woche wieder stark an und notierten bei 80,9 Rubel respektive 88,3 Rubel.
Warten auf Preisanstieg
Durch die Rubel-Abwertung wird die Inflation in Russland starken Auftrieb erhalten. Denn der Anteil importierter Waren bleibt trotz „Antisanktionen“ und Importsubstitution hoch auf dem russischen Verbrauchermarkt. Gerade diese importierten Waren werden automatisch teurer. Gleichzeitig beginnen einheimische Produzenten damit, die Preise für ihre Produkte an die der importierten Waren anzugleichen, da der Wettbewerb in Russland in den letzten Jahren unterdrückt wurde. Infolgedessen fällt der Inflationsschock durch die Rubel-Abwertung höher aus, als man aufgrund des Umfangs der Abwertung und des Anteils der Importe am Verbrauchermarkt erwarten würde. Wir haben dies bereits in der Vergangenheit beobachtet – 2008 bis 2009 und 2014 bis 2015.
Die meisten Experten sind sich einig, dass sich die Inflationsrate im Jahresverlauf mindestens verdoppeln wird. Dieser Anstieg wird einen schweren Schlag für den Lebensstandard der Bevölkerung bedeuten, der sowieso seit sechs Jahren rückläufig ist.
Auswirkungen auf den Staatshaushalt
Offiziell soll die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von Öl- und Gaseinnahmen zurückgefahren werden. Und formell hat ihr Anteil am Haushalt unter Berücksichtigung der „Haushaltsregel“ in den letzten Jahren leicht abgenommen – ein Teil der Öl- und Gaseinnahmen ging nicht an den Haushalt sondern an den Nationalen Wohlstandsfonds.
Dennoch: der Anteil der Öl- und Gaseinnahmen liegt immer noch bei 40 Prozent des Staatshaushalts und sie machten im vergangenen Jahr etwa zwei Drittel der russischen Exporte aus. Da der Ölpreis deutlich unter das für 2020 budgetierte Niveau von 42,4 US-Dollar pro Barrel gefallen ist, hat das Finanzministerium angekündigt, Mittel aus dem Wohlstandsfonds zur Finanzierung der Haushaltsausgaben aufzuwenden. Im Laufe des nächsten Monats werden dem Fonds dazu eine Milliarde US-Dollar entnommen. So dürfte sich der Druck auf den Rubel etwas verringern.
Zugleich ist zu beobachten, dass die Rubel-Einnahmen aus dem Außenhandel wegen der Abwertung steigen und so der Rückgang der Ölpreise teilweise aufgefangen wird. Kürzlich hat das Finanzministerium eine Erklärung abgegeben, wonach die russische Wirtschaft den Ölpreis von 30 US-Dollar pro Barrel fünf bis zehn Jahren verkraften könne. Ich kann diesen Optimismus nicht teilen, weil er offensichtlich die Folgen des Inflationsanstiegs für den Haushalt nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie den starken Anstieg der Staatsausgaben zur Finanzierung zusätzlicher sozialer Maßnahmen und Nationaler Projekte. Die Erfahrungen aus vergangenen Krisen zeigen, dass auch zur Unterstützung großer Unternehmen und staatlicher Banken zusätzliche Mittel benötigt werden.
Wie lange reicht das Polster?
Die mehr als zehn Billionen Rubel, die sich im Nationalen Wohlstandsfonds angesammelt haben, sind natürlich ein gutes Sicherheitspolster. Ich möchte jedoch daran erinnern, dass während der letzten Krise von 2008 bis 2009 der damalige Reservefonds in nur eineinhalb Jahren fast völlig erschöpft war. Sein Volumen war fast doppelt so groß wie der Nationale Wohlstandsfonds.
Angesichts dieser Lage glaube ich, dass Russland für etwa eineinhalb Jahre keine ernsthaften Probleme bevorstehen, sofern es nicht zu einem erneuten Einbruch der Erdölpreise kommt. Dies kann allerdings nicht völlig ausgeschlossen werden. Ich kann mich an meine Zeit als Wirtschaftsminister erinnern, als der Ölpreis bei etwa zehn US-Dollar pro Barrel lag. Im Jahr 1998 fiel er sogar auf acht US-Dollar pro Barrel.
Die Aussichten für die russische Wirtschaft werden weitgehend vom Umfang und der Dauer des Ölpreisrückgangs und dem Umfang der bevorstehenden globalen Wirtschaftsrezession abhängen. Dabei hat die US-Notenbank ihren Zinssatz als Teil ihres Kampfes gegen das Coronavirus vorzeitig um 0,5 Prozentpunkte auf 1 bis 1,25 Prozent gesenkt. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt seit langem nahe bei null und kann nicht weiter reduziert werden. Es ist also nicht möglich, die Krise mit weiteren Geldspritzen zu bekämpfen, wie es noch bei der letzten Krise der Fall war. Daher könnte sich die kommende globale Rezession als tiefer und länger anhaltend erweisen als bisher vermutet.
Andrey Nechaev, Wirtschaftsminister a.D.