Chinas Megametropolen haben längst die Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität gestellt. Die frühe und konsequente Einführung der Elektromobilität, umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs und nicht zuletzt staatliche Regulierungsmaßnahmen treiben den Wandel in Chinas Verkehrszentren voran.
Auch in anderen großen Städten der Welt sind in den nächsten zehn Jahren signifikante Veränderungen zu erwarten. Das geht aus einer neuen Analyse der Kantar-Studie „Mobility Futures – How mobility will be shaped by the world’s great cities“ hervor, die Anfang Februar auf dem UN-Habitat World Urban Forum vorgestellt wurde.
Zwischen den verschiedenen Metropolen mit ihren ganz eigenen Entwicklungsgeschichten, Kulturen, Gewohnheiten und Zukunftsvisionen gibt es neben großen Unterschieden auch einige Gemeinsamkeiten. Städte auf der ganzen Welt müssen strategisch planen, um die Verkehrsbedürfnisse der Bürger in Richtung nachhaltigerer Mobilitätsoptionen zu verlagern. Eine entscheidende Rolle spielt dabei zweifelsfrei der Umstieg auf E-Mobilität.
Peking: gut etablierte Car- und Bikesharing-Modelle
Bekanntlich ist China hier der Welt einen großen Schritt voraus. Schon heute werden in Peking mehr Elektrofahrzeuge neu zugelassen als konventionelle. Bis Ende dieses Jahres soll die Marke von 400.000 E-Autos, -Bussen und -Taxis erreicht werden. Damit kann Peking wohl als die Hauptstadt der E-Mobilität bezeichnet werden. Nachdem sich die Zahl der Fahrzeuge in Chinas Hauptstadt im Zeitraum 2000 bis 2011 fast verdreifacht (auf über fünf Millionen) und die Luftverschmutzung in der Stadt dramatisch zugenommen hatte, war ein konsequentes Gegensteuern quasi überlebenswichtig. Mit massiven Kaufanreizen für Elektroautos, hohen Hürden bei der Zulassung von Autos mit konventionellem Antrieb und großen Investitionen in eine umfangreiche Ladeinfrastruktur schreitet Peking im Vergleich zu anderen Megastädten in Sachen Verkehrswende entschlossen voran.
Doch bei Weitem nicht jeder der 19,6 Millionen Einwohner der Metropolregion Peking kann sich ein eigenes Auto leisten. So verfügt die Stadt schon jetzt über umfangreiche und gut etablierte Car- und Bikesharing-Modelle. Bei aller Innovationsfreudigkeit wird das Fahrrad schon aus rein ökonomischen Gründen weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, da es das mit Abstand günstigste Verkehrsmittel darstellt. Die Schaffung und der Ausbau geeigneter Radinfrastrukturen muss folglich ebenfalls einen hohen Stellenwert haben. Obgleich der öffentliche Nahverkehr aktuell immerhin schon 40 Prozent des Verkehrsaufkommens in Peking abdeckt, wird die weiterhin rasant wachsende Metropole künftig noch mehr in ein umfassendes und für alle Bürger erschwingliches Verkehrsnetz investieren, um sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen und gegen die chronisch schlechte Luftqualität in der Millionenmetropole anzukämpfen.
Dabei wird sich das Mobilitätsverhalten in Peking der Studie zufolge vergleichsweise wenig verändern. Das liegt zum Teil wohl auch daran, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und des Fahrrads schon jetzt relativ hoch sind. Eine Anpassung an die Herausforderungen der Zukunft wird folglich nicht primär über eine Verhaltensänderung der Bürger, sondern vielmehr durch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die Entwicklung und Einführung neuer Technologien gelingen.
Transformation in vollem Gang: Chengdu, Kanton und Shanghai
Anders dagegen in Chengdu, der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole im Westen Chinas. Das Mobilitätsverhalten der Einwohner wird sich dort in den nächsten zehn Jahren spürbar verändern, weg von der Autonutzung und hin zu nachhaltigeren Verkehrsmitteln. Die Stadtregierung von Chengdu investiert massiv in die Verkehrsinfrastruktur, um Herausforderungen wie Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung zu begegnen. So soll etwa das Radwegenetz bis 2035 auf bis zu 4.300 Kilometer erweitert werden, damit dann alle Stadtteile bequem mit dem Rad erreicht werden können.
Auch die Zwölfmillionenstadt Kanton im Süden Chinas wird bis 2030 eine der transformativsten Städte der Welt sein. Kantar prognostiziert, dass über zwei Millionen Einwohner ihre Mobilitätsgewohnheiten in den nächsten zehn Jahren ändern werden, wobei auch hier viele Menschen die Autonutzung zugunsten nachhaltigerer Optionen verringern werden. Während das Auto bislang die beliebteste Art war, sich in der Stadt fortzubewegen, werden strenge Vorschriften zur Reglementierung des Verkehrs sowie Investitionen in den öffentlichen Verkehr und die Fahrradinfrastruktur die Haupttreiber für Veränderungen sein.
Große Veränderungen der Mobilitätsgewohnheiten werden auch in Shanghai, Chinas wichtigstem Wirtschaftszentrum, erwartet. Das Auto wird zugunsten nachhaltigerer Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad (weiter) an Bedeutung verlieren. Schon jetzt ist Shanghai weltweit für sein ausgedehntes, sicheres und stark frequentiertes U-Bahn-System bekannt. Um die Herausforderungen der wachsenden Megacity zu bewältigen, wurde in den vergangenen fünf Jahren bereits massiv in Infrastrukturprojekte investiert.
Weitere ehrgeizige Expansionspläne für die Verkehrsinfrastruktur der Stadt werden in den nächsten Jahren umgesetzt. Anfang 2018 stellte das Shanghai Urban Planning and Land Resource Administration Bureau ihren vom Staatsrat genehmigten „Shanghai Master Plan 2017 – 2035 – Striving for the excellent global city“ vor. Das 80 Seiten umfassende Papier listet Ziele und Eckdaten der Stadtentwicklung bis 2035 auf. So ist zum Beispiel vorgesehen, das U-Bahn-Netz bis Ende des Jahres von 700 auf 830 Kilometer zu erweitern. 2035 soll es dann 1.000 Kilometer Strecken umfassen.
Um die Luftqualität zu verbessern, rüstet Shanghai seine Elektrobusflotte derzeit mit Superkondensatoren aus. Mit deren Hilfe ist es möglich, die Batterie eines Busses innerhalb von zehn Sekunden so aufzuladen, dass das Fahrzeug dann weitere fünf Kilometer fahren kann. Dank all dieser Investitionen sieht Kantar Shanghai als eine der technisch am besten für die Zukunft gerüsteten Städte der Welt.
„Mobility Futures“
Für die Studie wurden 20.000 Stadtbewohner aus 31 Metropolen der Erde zu ihren aktuellen Mobilitätserfahrungen und ihren gewünschten Verkehrsmitteln befragt. Teil der Studie waren Gespräche mit 53 Mobilitätsexperten aus 14 Ländern, die ihre Sichtweise zu den Ergebnissen und Vorhersagen darlegten. Die Prognose: Bis zum Jahr 2030 wird in den größten Städten der Welt der globale Wendepunkt für nachhaltige Mobilität erreicht.
Sonja Pohle ist Diplom-Psychologin und seit 17 Jahren in verschiedenen Bereichen bei Kantar als Senior Consultant tätig. Michael Ehlting ist Senior Director bei Kantar und setzt sich seit über 25 Jahren mit Forschungsthemen rund um Mobilität und Tourismus auseinander.
China hat Nase vorn bei Verkehrswende
Chinas Megametropolen haben längst die Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität gestellt. Die frühe und konsequente Einführung der Elektromobilität, umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs und nicht zuletzt staatliche Regulierungsmaßnahmen treiben den Wandel in Chinas Verkehrszentren voran.
Auch in anderen großen Städten der Welt sind in den nächsten zehn Jahren signifikante Veränderungen zu erwarten. Das geht aus einer neuen Analyse der Kantar-Studie „Mobility Futures – How mobility will be shaped by the world’s great cities“ hervor, die Anfang Februar auf dem UN-Habitat World Urban Forum vorgestellt wurde.
Zwischen den verschiedenen Metropolen mit ihren ganz eigenen Entwicklungsgeschichten, Kulturen, Gewohnheiten und Zukunftsvisionen gibt es neben großen Unterschieden auch einige Gemeinsamkeiten. Städte auf der ganzen Welt müssen strategisch planen, um die Verkehrsbedürfnisse der Bürger in Richtung nachhaltigerer Mobilitätsoptionen zu verlagern. Eine entscheidende Rolle spielt dabei zweifelsfrei der Umstieg auf E-Mobilität.
Peking: gut etablierte Car- und Bikesharing-Modelle
Bekanntlich ist China hier der Welt einen großen Schritt voraus. Schon heute werden in Peking mehr Elektrofahrzeuge neu zugelassen als konventionelle. Bis Ende dieses Jahres soll die Marke von 400.000 E-Autos, -Bussen und -Taxis erreicht werden. Damit kann Peking wohl als die Hauptstadt der E-Mobilität bezeichnet werden. Nachdem sich die Zahl der Fahrzeuge in Chinas Hauptstadt im Zeitraum 2000 bis 2011 fast verdreifacht (auf über fünf Millionen) und die Luftverschmutzung in der Stadt dramatisch zugenommen hatte, war ein konsequentes Gegensteuern quasi überlebenswichtig. Mit massiven Kaufanreizen für Elektroautos, hohen Hürden bei der Zulassung von Autos mit konventionellem Antrieb und großen Investitionen in eine umfangreiche Ladeinfrastruktur schreitet Peking im Vergleich zu anderen Megastädten in Sachen Verkehrswende entschlossen voran.
Doch bei Weitem nicht jeder der 19,6 Millionen Einwohner der Metropolregion Peking kann sich ein eigenes Auto leisten. So verfügt die Stadt schon jetzt über umfangreiche und gut etablierte Car- und Bikesharing-Modelle. Bei aller Innovationsfreudigkeit wird das Fahrrad schon aus rein ökonomischen Gründen weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, da es das mit Abstand günstigste Verkehrsmittel darstellt. Die Schaffung und der Ausbau geeigneter Radinfrastrukturen muss folglich ebenfalls einen hohen Stellenwert haben. Obgleich der öffentliche Nahverkehr aktuell immerhin schon 40 Prozent des Verkehrsaufkommens in Peking abdeckt, wird die weiterhin rasant wachsende Metropole künftig noch mehr in ein umfassendes und für alle Bürger erschwingliches Verkehrsnetz investieren, um sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen und gegen die chronisch schlechte Luftqualität in der Millionenmetropole anzukämpfen.
Dabei wird sich das Mobilitätsverhalten in Peking der Studie zufolge vergleichsweise wenig verändern. Das liegt zum Teil wohl auch daran, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und des Fahrrads schon jetzt relativ hoch sind. Eine Anpassung an die Herausforderungen der Zukunft wird folglich nicht primär über eine Verhaltensänderung der Bürger, sondern vielmehr durch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die Entwicklung und Einführung neuer Technologien gelingen.
Transformation in vollem Gang: Chengdu, Kanton und Shanghai
Anders dagegen in Chengdu, der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole im Westen Chinas. Das Mobilitätsverhalten der Einwohner wird sich dort in den nächsten zehn Jahren spürbar verändern, weg von der Autonutzung und hin zu nachhaltigeren Verkehrsmitteln. Die Stadtregierung von Chengdu investiert massiv in die Verkehrsinfrastruktur, um Herausforderungen wie Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung zu begegnen. So soll etwa das Radwegenetz bis 2035 auf bis zu 4.300 Kilometer erweitert werden, damit dann alle Stadtteile bequem mit dem Rad erreicht werden können.
Auch die Zwölfmillionenstadt Kanton im Süden Chinas wird bis 2030 eine der transformativsten Städte der Welt sein. Kantar prognostiziert, dass über zwei Millionen Einwohner ihre Mobilitätsgewohnheiten in den nächsten zehn Jahren ändern werden, wobei auch hier viele Menschen die Autonutzung zugunsten nachhaltigerer Optionen verringern werden. Während das Auto bislang die beliebteste Art war, sich in der Stadt fortzubewegen, werden strenge Vorschriften zur Reglementierung des Verkehrs sowie Investitionen in den öffentlichen Verkehr und die Fahrradinfrastruktur die Haupttreiber für Veränderungen sein.
Große Veränderungen der Mobilitätsgewohnheiten werden auch in Shanghai, Chinas wichtigstem Wirtschaftszentrum, erwartet. Das Auto wird zugunsten nachhaltigerer Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad (weiter) an Bedeutung verlieren. Schon jetzt ist Shanghai weltweit für sein ausgedehntes, sicheres und stark frequentiertes U-Bahn-System bekannt. Um die Herausforderungen der wachsenden Megacity zu bewältigen, wurde in den vergangenen fünf Jahren bereits massiv in Infrastrukturprojekte investiert.
Weitere ehrgeizige Expansionspläne für die Verkehrsinfrastruktur der Stadt werden in den nächsten Jahren umgesetzt. Anfang 2018 stellte das Shanghai Urban Planning and Land Resource Administration Bureau ihren vom Staatsrat genehmigten „Shanghai Master Plan 2017 – 2035 – Striving for the excellent global city“ vor. Das 80 Seiten umfassende Papier listet Ziele und Eckdaten der Stadtentwicklung bis 2035 auf. So ist zum Beispiel vorgesehen, das U-Bahn-Netz bis Ende des Jahres von 700 auf 830 Kilometer zu erweitern. 2035 soll es dann 1.000 Kilometer Strecken umfassen.
Um die Luftqualität zu verbessern, rüstet Shanghai seine Elektrobusflotte derzeit mit Superkondensatoren aus. Mit deren Hilfe ist es möglich, die Batterie eines Busses innerhalb von zehn Sekunden so aufzuladen, dass das Fahrzeug dann weitere fünf Kilometer fahren kann. Dank all dieser Investitionen sieht Kantar Shanghai als eine der technisch am besten für die Zukunft gerüsteten Städte der Welt.
„Mobility Futures“
Für die Studie wurden 20.000 Stadtbewohner aus 31 Metropolen der Erde zu ihren aktuellen Mobilitätserfahrungen und ihren gewünschten Verkehrsmitteln befragt. Teil der Studie waren Gespräche mit 53 Mobilitätsexperten aus 14 Ländern, die ihre Sichtweise zu den Ergebnissen und Vorhersagen darlegten. Die Prognose: Bis zum Jahr 2030 wird in den größten Städten der Welt der globale Wendepunkt für nachhaltige Mobilität erreicht.
Sonja Pohle ist Diplom-Psychologin und seit 17 Jahren in verschiedenen Bereichen bei Kantar als Senior Consultant tätig.
Michael Ehlting ist Senior Director bei Kantar und setzt sich seit über 25 Jahren mit Forschungsthemen rund um Mobilität und Tourismus auseinander.
sonja.pohle@kantar.com
michael.ehlting@kantar.com
www.kantardeutschland.de
Dieser Beitrag ist in ChinaContact 2-2020 erschienen.