Wir sprechen mit Thomas Stärtzel, Russland-Chef von Porsche, über die Auswirkungen der Coronakrise auf dem russischen Automobilmarkt, das Interesse der hier heimischen Kundschaft am ersten Elektro-Porsche und die Zukunft des autonomen Fahrens.
Porsche ist mehr als eine Automarke, es ist ein Lebensgefühl. Ist dieses Konzept in wirtschaftlich schwierigen Zeiten überhaupt noch nachgefragt?
Für Porsche und den Luxusmarktbereich allgemein gelten etwas andere Gesetze und Dynamiken. Unsere Kunden sind zumeist Leute, die in ihrem Leben etwas geschaffen haben und sich dafür belohnen möchten. Diese Schicht ist in Russland nicht besonders groß, aber relativ stabil. Wir haben es über die letzten fünfzehn Jahre geschafft, uns in diesem volatilen Potenzialmarkt zu etablieren. Mittlerweile sind wir in Russland als Sportwagenmarke anerkannt, aber noch viel mehr als Luxusgut. Natürlich sind wir von der derzeitigen Krise auch betroffen und werden Absatzeinbußen erleiden, aber sicherlich nicht in dem Maße wie der Gesamtmarkt. Unsere Kundschaft will trotz Krise einen Lebensstil führen, den sie gewohnt ist. Das Interesse sich individuell darzustellen, das Leben zu führen, zu dem Porsche und das Porsche-Lebensgefühl gehören, ist trotz Corona weiterhin ungebrochen. Der Hauptgrund für den Kauf eines Porsche-Fahrzeugs in Russland sind noch vor sportlicher Performance Marke und die authentische Design-Sprache.
Mit dem Taycan will Porsche dieses Jahr sein erstes Elektrofahrzeug auf den Markt bringen: Porsche und E-Mobilität – passt das in Russland zusammen?
Wir als Porsche haben uns das Ziel gesetzt, bis 2025 mehr als 50 Prozent der weltweit verkauften Fahrzeuge mit Elektro- und Hybridantrieb auszuliefern. Porsche hat sich immer als Antrieb für Fortschrittsentwicklungen verstanden und hat sich dem auch weiterhin für die Zukunft verschrieben, auch mit Blick auf die Elektromobilität. Wir werden aber auch weiterhin Benziner im Programm haben, besonders für die 911-Modelle.
In Russland haben wir derzeit in der Tat noch einen sehr kleinen Markt an Elektrofahrzeugen, mit nur wenigen Anbietern. Aber die öffentliche Wahrnehmung von Elektromobilität ist ziemlich groß – deutlich größer als die Verkaufszahlen vermuten lassen.
Ab Oktober bringen wir unser erstes Elektrofahrzeug auf den Markt – den Taycan. Damit wollen wir unsere Marke mit einem Top-Produkt, einzigartig in Performance und Design, in der Elektromobilitätssparte etablieren und danach über die nächsten zehn Jahre hinweg sukzessive auch andere Modellreihen als Elektrofahrzeuge einführen. Wie groß der Markt in fünf oder sechs Jahren sein wird, kann man heute wirklich noch nicht sagen. Wir glauben jedoch an den Erfolg der Elektromobilität in Russland.
Vieles hängt hier auch von der Unterstützung von staatlicher Seite ab. Die EAWU hat vor Kurzem beschlossen, für die Jahre 2020 und 2021 die Zollgebühren für die Einfuhr von Elektroautos auf Null zu setzen, um der E-Mobilität eine Chance zu geben. Dies wird sich hoffentlich positiv auf die Erstverkäufe auswirken. In den russischen Großstädten können wir zudem eine sehr schnelle Entwicklung der Digitalisierung beobachten, die untrennbar mit der neuen Art der Mobilität verbunden ist. Der Fokus liegt dabei zunächst auf der Förderung öffentlicher Elektromobilität, wie zum Beispiel batteriebetriebenen Elektrobussen. Jedoch kann von diesen Investitionen auch der private Bereich profitieren, zum Beispiel durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
In Russland wird viel über Lokalisierung gesprochen. Lohnt es sich für Porsche als Premiummarken-Anbieter über eine Produktion in Russland nachzudenken?
Darüber haben wir vor etwa zehn Jahren, im Anschluss an die Finanzkrise 2008-09, tatsächlich nachgedacht. Aber im Moment gibt es dafür keine konkreten Pläne. Eine lokale Produktion ist stets mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Man kann diesen Schritt gehen, wie andere deutsche Hersteller zeigen. Aber allein die Komplexität einer solchen Aktion, noch dazu in einem sehr volatilen Marktumfeld, hat Porsche dazu gebracht, sich dagegen zu entscheiden.
Nationale Projekte sollen in Russland zur Wiederbelebung der Wirtschaft beitragen, dazu gehört auch der Bau von neuen Straßen und Autobahnen. Werden sich diese Investitionen auf die Wiederbelebung des Verkehrsflusses und den Autoabsatz auswirken?
Natürlich ist der Ausbau von Verkehrswegen und der Infrastruktur insgesamt grundsätzlich zu begrüßen. Autos brauchen gute, moderne Straßen. Ich sehe hier aktuell zwei Tendenzen: Zum einen staatliche Investitionen, die dazu beitragen sollen, das Fahrzeug aus der Innenstadt herauszuholen. Dazu werden die Straßen enger gemacht, E-Mobilitäts-Konzepte eingeführt oder Parkplatzkapazitäten reguliert. Zum anderen ist eine Effektivierung der Transportflüsse zu beobachten. Dazu müssen die Verkehrsregelungen aber noch stärker digitalisiert werden. Hier ist wichtig, dass der Staat die Industrie mit einbezieht und die Automobilhersteller die Fahrzeuge auf die neuen Anforderungen vorbereiten können.
Inwieweit sich die staatlichen Initiativen auf den Autoabsatz auswirken werden und ob wir jemals wieder zu 2,9 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr zurückkommen, steht in den Sternen. Momentan sieht es nicht danach aus.
Welche Schwerpunkte sollte die russische Regierung beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur setzen? Sollte man die neuen Straßen und Autobahnen gleich für autonomes Fahren ausrüsten, wie auf der Strecke Moskau – St. Petersburg bereits teilweise geschehen?
Generell ist die Euphorie über das autonome Fahren ein bisschen zurückgegangen. Die Gewährleistung einer 100-prozentigen Sicherheit in allen möglichen Verkehrssituationen ist die strategisch zu meisternde Herausforderung. Ich denke aber trotzdem, dass teilautonomes Fahren kommen und sich damit vor allem die Sicherheit auf den Straßen erhöhen wird. Auch könnte dadurch – und hier geht es insbesondere um den innerstädtischen Verkehr – der Verkehrsfluss besser geregelt werden.
Interview: „Wir glauben an den Erfolg der Elektromobilität“
Wir sprechen mit Thomas Stärtzel, Russland-Chef von Porsche, über die Auswirkungen der Coronakrise auf dem russischen Automobilmarkt, das Interesse der hier heimischen Kundschaft am ersten Elektro-Porsche und die Zukunft des autonomen Fahrens.
Porsche ist mehr als eine Automarke, es ist ein Lebensgefühl. Ist dieses Konzept in wirtschaftlich schwierigen Zeiten überhaupt noch nachgefragt?
Für Porsche und den Luxusmarktbereich allgemein gelten etwas andere Gesetze und Dynamiken. Unsere Kunden sind zumeist Leute, die in ihrem Leben etwas geschaffen haben und sich dafür belohnen möchten. Diese Schicht ist in Russland nicht besonders groß, aber relativ stabil. Wir haben es über die letzten fünfzehn Jahre geschafft, uns in diesem volatilen Potenzialmarkt zu etablieren. Mittlerweile sind wir in Russland als Sportwagenmarke anerkannt, aber noch viel mehr als Luxusgut. Natürlich sind wir von der derzeitigen Krise auch betroffen und werden Absatzeinbußen erleiden, aber sicherlich nicht in dem Maße wie der Gesamtmarkt. Unsere Kundschaft will trotz Krise einen Lebensstil führen, den sie gewohnt ist. Das Interesse sich individuell darzustellen, das Leben zu führen, zu dem Porsche und das Porsche-Lebensgefühl gehören, ist trotz Corona weiterhin ungebrochen. Der Hauptgrund für den Kauf eines Porsche-Fahrzeugs in Russland sind noch vor sportlicher Performance Marke und die authentische Design-Sprache.
Mit dem Taycan will Porsche dieses Jahr sein erstes Elektrofahrzeug auf den Markt bringen: Porsche und E-Mobilität – passt das in Russland zusammen?
Wir als Porsche haben uns das Ziel gesetzt, bis 2025 mehr als 50 Prozent der weltweit verkauften Fahrzeuge mit Elektro- und Hybridantrieb auszuliefern. Porsche hat sich immer als Antrieb für Fortschrittsentwicklungen verstanden und hat sich dem auch weiterhin für die Zukunft verschrieben, auch mit Blick auf die Elektromobilität. Wir werden aber auch weiterhin Benziner im Programm haben, besonders für die 911-Modelle.
In Russland haben wir derzeit in der Tat noch einen sehr kleinen Markt an Elektrofahrzeugen, mit nur wenigen Anbietern. Aber die öffentliche Wahrnehmung von Elektromobilität ist ziemlich groß – deutlich größer als die Verkaufszahlen vermuten lassen.
Ab Oktober bringen wir unser erstes Elektrofahrzeug auf den Markt – den Taycan. Damit wollen wir unsere Marke mit einem Top-Produkt, einzigartig in Performance und Design, in der Elektromobilitätssparte etablieren und danach über die nächsten zehn Jahre hinweg sukzessive auch andere Modellreihen als Elektrofahrzeuge einführen. Wie groß der Markt in fünf oder sechs Jahren sein wird, kann man heute wirklich noch nicht sagen. Wir glauben jedoch an den Erfolg der Elektromobilität in Russland.
Vieles hängt hier auch von der Unterstützung von staatlicher Seite ab. Die EAWU hat vor Kurzem beschlossen, für die Jahre 2020 und 2021 die Zollgebühren für die Einfuhr von Elektroautos auf Null zu setzen, um der E-Mobilität eine Chance zu geben. Dies wird sich hoffentlich positiv auf die Erstverkäufe auswirken. In den russischen Großstädten können wir zudem eine sehr schnelle Entwicklung der Digitalisierung beobachten, die untrennbar mit der neuen Art der Mobilität verbunden ist. Der Fokus liegt dabei zunächst auf der Förderung öffentlicher Elektromobilität, wie zum Beispiel batteriebetriebenen Elektrobussen. Jedoch kann von diesen Investitionen auch der private Bereich profitieren, zum Beispiel durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
In Russland wird viel über Lokalisierung gesprochen. Lohnt es sich für Porsche als Premiummarken-Anbieter über eine Produktion in Russland nachzudenken?
Darüber haben wir vor etwa zehn Jahren, im Anschluss an die Finanzkrise 2008-09, tatsächlich nachgedacht. Aber im Moment gibt es dafür keine konkreten Pläne. Eine lokale Produktion ist stets mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Man kann diesen Schritt gehen, wie andere deutsche Hersteller zeigen. Aber allein die Komplexität einer solchen Aktion, noch dazu in einem sehr volatilen Marktumfeld, hat Porsche dazu gebracht, sich dagegen zu entscheiden.
Nationale Projekte sollen in Russland zur Wiederbelebung der Wirtschaft beitragen, dazu gehört auch der Bau von neuen Straßen und Autobahnen. Werden sich diese Investitionen auf die Wiederbelebung des Verkehrsflusses und den Autoabsatz auswirken?
Natürlich ist der Ausbau von Verkehrswegen und der Infrastruktur insgesamt grundsätzlich zu begrüßen. Autos brauchen gute, moderne Straßen. Ich sehe hier aktuell zwei Tendenzen: Zum einen staatliche Investitionen, die dazu beitragen sollen, das Fahrzeug aus der Innenstadt herauszuholen. Dazu werden die Straßen enger gemacht, E-Mobilitäts-Konzepte eingeführt oder Parkplatzkapazitäten reguliert. Zum anderen ist eine Effektivierung der Transportflüsse zu beobachten. Dazu müssen die Verkehrsregelungen aber noch stärker digitalisiert werden. Hier ist wichtig, dass der Staat die Industrie mit einbezieht und die Automobilhersteller die Fahrzeuge auf die neuen Anforderungen vorbereiten können.
Inwieweit sich die staatlichen Initiativen auf den Autoabsatz auswirken werden und ob wir jemals wieder zu 2,9 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr zurückkommen, steht in den Sternen. Momentan sieht es nicht danach aus.
Welche Schwerpunkte sollte die russische Regierung beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur setzen? Sollte man die neuen Straßen und Autobahnen gleich für autonomes Fahren ausrüsten, wie auf der Strecke Moskau – St. Petersburg bereits teilweise geschehen?
Generell ist die Euphorie über das autonome Fahren ein bisschen zurückgegangen. Die Gewährleistung einer 100-prozentigen Sicherheit in allen möglichen Verkehrssituationen ist die strategisch zu meisternde Herausforderung. Ich denke aber trotzdem, dass teilautonomes Fahren kommen und sich damit vor allem die Sicherheit auf den Straßen erhöhen wird. Auch könnte dadurch – und hier geht es insbesondere um den innerstädtischen Verkehr – der Verkehrsfluss besser geregelt werden.