China verfügt über einen der größten Influencermärkte der Welt, der aufgrund der eigenen sozialen Medien wie WeChat und Weibo aber schwer erreichbar erscheint. Momentan erfreuen sich im chinesischen Onlinemarketing speziell Kurzvideo-Apps wie Douyin großer Beliebtheit. Nicht nur für Marketingverantwortliche im Tourismus bieten sich dadurch Möglichkeiten, um nach der Coronaviruskrise chinesische Konsumenten (wieder) für sich zu gewinnen.
Wie im Westen werden in China mittlerweile Milliardenumsätze mit KOL (Key Opinion Leader, Meinungsführern) und Influencern generiert, wobei Live-Streams und -Verkäufen eine wichtige Rolle zukommt. Der Kurzvideomarkt ist allein im Jahr 2018 um rund 755 Prozent gewachsen. Die Zahl der Nutzer lag Schätzungen zufolge 2019 bei 820 Millionen. Auch die tägliche Nutzungsdauer der Portale mit unterhaltsamen oder informativen Kurzclips geht weiter hoch. Neben dem Onlinehandel profitiert besonders der Tourismus von Empfehlungen auf den Videoplattformen – Douyin (抖音) ist mit derzeit über 400 Millionen aktiven Nutzern pro Tag der Star der Szene.
Stärken der Kurzvideo-App Die chinesische Kurzvideo-App Douyin, die im Westen als TikTok bekannt ist, in China aber eigenständig organisiert wird, gilt als die Trendplattform, die nicht nur die chinesische Jugend anspricht. In puncto Beliebtheit scheint Douyin sogar WeChat den Rang ablaufen zu können, das immer häufiger als „App für Ältere“ bezeichnet wird. Influencer schätzen das wachstumsorientierte Douyin, weil sie darauf zurzeit leicht zahlreiche Follower und Views generieren. Gerade weil die Plattform bisher wenig kommerziell erscheint, ist das Marketingpotenzial für Unternehmen enorm. In Livevideos verkaufen chinesische Influencer in kürzester Zeit Millionen noch so profaner Produkte direkt aus der Fabrik.
Bei größeren Influencer-Kooperationen ist es notwendig, die Plattform Douyin zu informieren und zu beteiligen. Dadurch erhalten die involvierten Marken und Unternehmen mehr Sicherheit, und die Influencer erzielen zusätzliche Reichweiten. Interessant ist auch, dass sich in China eine Kurzvideo-Industrie entwickelt hat, in der Influencer mit professionellen Redakteuren und Produktionsteams zusammenarbeiten. Im Ergebnis sind viele KOL-Videos von sehr hoher Qualität, und durch die Mediennetzwerke können Inhalte strategisch verbreitet werden.
Douyin für Tourismus-Marketing in China und weltweit Neben Musik- und Comedy-Videos sind auf Kurzvideo-Portalen Clips über Reisen ausgesprochen beliebt, und demgemäß sind in China aktuell Douyin-Travelblogger heiß begehrt. Studien haben gezeigt, dass auf Douyin beworbene Sehenswürdigkeiten im Durchschnitt zwei- bis dreimal häufiger besucht werden. Städte und ganze Regionen arbeiten offiziell mit Influencern zusammen, die ihnen virtuelle Aufmerksamkeit und reale Besucher zuführen. Neben Peking und Shanghai gilt Chengdu als Musterbeispiel im Douyin-Marketing und erreichte im Jahr 2018 magische 2,37 Milliarden Likes. Douyin fördert die starke Tourismusverbindung, indem es regelmäßig die erfolgreichsten Reiseblogger auszeichnet und damit für Transparenz und gesunden Wettbewerb sorgt. Vor diesem Hintergrund lässt sich zudem besser verstehen, warum Fake-Follower und -Aktivitäten auf der Plattform bisher weniger problematisch sind.
Chinas inländische Erfolge des Tourismus- und Produktmarketings mit Douyin lassen sich zum großen Teil auf das Ausland übertragen. Immer mehr chinesische Influencer reisen nicht nur durch China, sondern auch in weiter entfernte Regionen. Selbst sehr kurze und wenig spektakuläre Videosequenzen – beispielsweise aus Deutschland – erreichen im Moment zig Millionen chinesische Zuschauer. Europäische Reiseanbieter, Hoteliers und Einzelhändler können Shoppingtouristen vor und während der Reise gezielt ansprechen. Eine besondere Stärke besteht in der Geo-Funktion namens tongcheng 同城 („gleiche Stadt“) auf Douyin. Wenn etwa ein chinesischer Reiseblogger in Berlin etwas postet, wird sein Beitrag auch den zahlreichen Auslandschinesen in der Stadt angezeigt.
Tipps für deutsch-chinesische Douyin-Kampagnen Grundsätzlich gelten bei der Zusammenarbeit mit chinesischen KOL ähnliche Regeln wie andernorts. So sollte stets darauf geachtet werden, dass die Influencer gut zum eigenen Produkt oder Unternehmen passen. Am besten haben sie bereits mit Partnern im Ausland zusammengearbeitet, damit die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass ihre Follower sich für entsprechende Themen interessieren. Darüber hinaus ist bei international erfahrenen Bloggern die Chance höher, dass sie ein Visum erhalten, wenn sie erneut für eine Kampagne ins Ausland eingeladen werden. Neben den üblichen Aktivierungsmöglichkeiten wie Gewinnspielen sind zurzeit Frage-Antwort-Livestreams beliebt, in denen KOL mit ihren Followern über ihre Lieblingsorte und -produkte sprechen.
Wer nicht selbst auf die Suche nach einzelnen Influencern in China gehen möchte, kann sich an KOL-Agenturen wenden, die für internationale Firmen arbeiten. Auf das Influencer-Marketing für globale Marken in China hat sich die in Shanghai ansässige Agentur Parklu spezialisiert. Die KOL-Agentur WMFP bringt chinesische Top-Reiseblogger nach Deutschland, wo sie für Millionen von Douyin-Followern Sehenswürdigkeiten und Marken erkunden. Angesichts der großen Bedeutung im chinesischen Social-Media-Universum verwundert es, dass Douyin im Ausland noch recht unbekannt ist. Ein Grund mehr, als First-Mover in Deutschland die Chance zu nutzen und mit Douyin zahlreiche Touristen und Konsumenten aus China anzusprechen.
Prof. Dr. Jonas Polfuß ist Professor für Markenführung und Experte für chinesisches Online-Marketing. www.china-kommunikation.de
Tourismusmarketing: Reiseblogger auf Douyin
China verfügt über einen der größten Influencermärkte der Welt, der aufgrund der eigenen sozialen Medien wie WeChat und Weibo aber schwer erreichbar erscheint. Momentan erfreuen sich im chinesischen Onlinemarketing speziell Kurzvideo-Apps wie Douyin großer Beliebtheit. Nicht nur für Marketingverantwortliche im Tourismus bieten sich dadurch Möglichkeiten, um nach der Coronaviruskrise chinesische Konsumenten (wieder) für sich zu gewinnen.
Wie im Westen werden in China mittlerweile Milliardenumsätze mit KOL (Key Opinion Leader, Meinungsführern) und Influencern generiert, wobei Live-Streams und -Verkäufen eine wichtige Rolle zukommt. Der Kurzvideomarkt ist allein im Jahr 2018 um rund 755 Prozent gewachsen. Die Zahl der Nutzer lag Schätzungen zufolge 2019 bei 820 Millionen. Auch die tägliche Nutzungsdauer der Portale mit unterhaltsamen oder informativen Kurzclips geht weiter hoch. Neben dem Onlinehandel profitiert besonders der Tourismus von Empfehlungen auf den Videoplattformen – Douyin (抖音) ist mit derzeit über 400 Millionen aktiven Nutzern pro Tag der Star der Szene.
Stärken der Kurzvideo-App
Die chinesische Kurzvideo-App Douyin, die im Westen als TikTok bekannt ist, in China aber eigenständig organisiert wird, gilt als die Trendplattform, die nicht nur die chinesische Jugend anspricht. In puncto Beliebtheit scheint Douyin sogar WeChat den Rang ablaufen zu können, das immer häufiger als „App für Ältere“ bezeichnet wird. Influencer schätzen das wachstumsorientierte Douyin, weil sie darauf zurzeit leicht zahlreiche Follower und Views generieren. Gerade weil die Plattform bisher wenig kommerziell erscheint, ist das Marketingpotenzial für Unternehmen enorm. In Livevideos verkaufen chinesische Influencer in kürzester Zeit Millionen noch so profaner Produkte direkt aus der Fabrik.
Bei größeren Influencer-Kooperationen ist es notwendig, die Plattform Douyin zu informieren und zu beteiligen. Dadurch erhalten die involvierten Marken und Unternehmen mehr Sicherheit, und die Influencer erzielen zusätzliche Reichweiten. Interessant ist auch, dass sich in China eine Kurzvideo-Industrie entwickelt hat, in der Influencer mit professionellen Redakteuren und Produktionsteams zusammenarbeiten. Im Ergebnis sind viele KOL-Videos von sehr hoher Qualität, und durch die Mediennetzwerke können Inhalte strategisch verbreitet werden.
Douyin für Tourismus-Marketing in China und weltweit
Neben Musik- und Comedy-Videos sind auf Kurzvideo-Portalen Clips über Reisen ausgesprochen beliebt, und demgemäß sind in China aktuell Douyin-Travelblogger heiß begehrt. Studien haben gezeigt, dass auf Douyin beworbene Sehenswürdigkeiten im Durchschnitt zwei- bis dreimal häufiger besucht werden. Städte und ganze Regionen arbeiten offiziell mit Influencern zusammen, die ihnen virtuelle Aufmerksamkeit und reale Besucher zuführen. Neben Peking und Shanghai gilt Chengdu als Musterbeispiel im Douyin-Marketing und erreichte im Jahr 2018 magische 2,37 Milliarden Likes. Douyin fördert die starke Tourismusverbindung, indem es regelmäßig die erfolgreichsten Reiseblogger auszeichnet und damit für Transparenz und gesunden Wettbewerb sorgt. Vor diesem Hintergrund lässt sich zudem besser verstehen, warum Fake-Follower und -Aktivitäten auf der Plattform bisher weniger problematisch sind.
Chinas inländische Erfolge des Tourismus- und Produktmarketings mit Douyin lassen sich zum großen Teil auf das Ausland übertragen. Immer mehr chinesische Influencer reisen nicht nur durch China, sondern auch in weiter entfernte Regionen. Selbst sehr kurze und wenig spektakuläre Videosequenzen – beispielsweise aus Deutschland – erreichen im Moment zig Millionen chinesische Zuschauer. Europäische Reiseanbieter, Hoteliers und Einzelhändler können Shoppingtouristen vor und während der Reise gezielt ansprechen. Eine besondere Stärke besteht in der Geo-Funktion namens tongcheng 同城 („gleiche Stadt“) auf Douyin. Wenn etwa ein chinesischer Reiseblogger in Berlin etwas postet, wird sein Beitrag auch den zahlreichen Auslandschinesen in der Stadt angezeigt.
Tipps für deutsch-chinesische Douyin-Kampagnen
Grundsätzlich gelten bei der Zusammenarbeit mit chinesischen KOL ähnliche Regeln wie andernorts. So sollte stets darauf geachtet werden, dass die Influencer gut zum eigenen Produkt oder Unternehmen passen. Am besten haben sie bereits mit Partnern im Ausland zusammengearbeitet, damit die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass ihre Follower sich für entsprechende Themen interessieren. Darüber hinaus ist bei international erfahrenen Bloggern die Chance höher, dass sie ein Visum erhalten, wenn sie erneut für eine Kampagne ins Ausland eingeladen werden. Neben den üblichen Aktivierungsmöglichkeiten wie Gewinnspielen sind zurzeit Frage-Antwort-Livestreams beliebt, in denen KOL mit ihren Followern über ihre Lieblingsorte und -produkte sprechen.
Wer nicht selbst auf die Suche nach einzelnen Influencern in China gehen möchte, kann sich an KOL-Agenturen wenden, die für internationale Firmen arbeiten. Auf das Influencer-Marketing für globale Marken in China hat sich die in Shanghai ansässige Agentur Parklu spezialisiert. Die KOL-Agentur WMFP bringt chinesische Top-Reiseblogger nach Deutschland, wo sie für Millionen von Douyin-Followern Sehenswürdigkeiten und Marken erkunden. Angesichts der großen Bedeutung im chinesischen Social-Media-Universum verwundert es, dass Douyin im Ausland noch recht unbekannt ist. Ein Grund mehr, als First-Mover in Deutschland die Chance zu nutzen und mit Douyin zahlreiche Touristen und Konsumenten aus China anzusprechen.
Prof. Dr. Jonas Polfuß ist Professor für Markenführung und Experte für chinesisches Online-Marketing.
www.china-kommunikation.de
Dieser Beitrag ist im Wirtschaftsmagazin ChinaContact 2-2020 erschienen.