Inmitten
der Covid-19-Pandemie ist der Streit um Ölpreise eskaliert. Doch auch die
beschlossenen Produktionskürzungen beseitigen das Überangebot nicht – mit
drastischen Folgen.
Die Erdölexporteure innerhalb und außerhalb der
OPEC haben sich auf eine Förderkürzung um täglich zehn Millionen Barrel
verständigt. Dieses Maß ist historisch. Dabei wird die tägliche Ölproduktion um
ganze zehn Prozent zurückgefahren. Dies soll den Markt stabilisieren und die
Einnahmen der Exporteure sichern. Allein, die Förderbremse zieht nicht.
Der Ölpreis prüft weiterhin historische Tiefstände.
Am Markt herrschen massive Überkapazitäten, die Zwischenlager für Öl werden
knapp. Kürzungen der Produktion verpuffen angesichts des dramatischen
Nachfrageeinbruchs infolge der Covid-19-Krise. Die Pandemie geht mit einer
Unterbrechung von Lieferketten einher und wird die wohl schwerste globale
Rezession seit 1929 heraufbeschwören. Aus meiner (wessen???) Sicht wird dies
auch das Ende der OPEC bedeuten – und das ist gut so. Ein Kartell hat im 21.
Jahrhundert keine Daseinsberechtigung.
Eine Kooperation Russlands mit der OPEC ist nicht
unumstritten, beeinflusst das Kartell doch die Entwicklung des globalen Ölmarkts.
Durch kartellierte Preise werden jenseits der marktwirtschaftlichen Vernunft
einzelne Investitionsprojekte entweder gepusht oder verhindert. Ein Ölpreis
zwischen 40 und 50 Dollar wäre fair – in dem Sinne, dass er weder den Aufstieg erneuerbarer
Energien ausbremst, noch neue Technologien wie jene im Bereich der
Schieferölindustrie der USA vereitelt.
Opportunistische
US-Schieferölprojekte
Künstlich veränderte Preise bewirken das Gegenteil
von Stabilität, nämlich Unsicherheit für Investitionsprojekte. Das zeigt sich
etwa in den USA. Ein großer Teil der US-Schieferindustrie ist von
Finanzmanagern getrieben, die ein massives Chaos auf dem globalen Ölmarkt
verursacht haben. Sie investierten jahrelang in substanzarme Unternehmen ohne
nachhaltigen Wettbewerbsvorteil auf dem globalen Öl- und Gasmarkt. Diese
Unternehmen fluteten den Weltmarkt mit leichten Ölsorten, die in den USA nicht
benötigt werden und in Exportmärkten ausreichend vorhanden sind. Und dies nur,
um die Produktionsmengen immer weiter zu erhöhen.
Die meisten US-Schieferölproduzenten sind stark
überbewertet. Sie suggerierten schon lange vor dem Corona-bedingten Nachfrageeinbruch
ein Wachstum durch die Schaffung von nicht benötigten Produktionskapazitäten,
damit Wall-Street-Investoren immer mehr Kapital nachpumpen. Während die
Substanz fehlte, häuften sich Verluste an. Nun notieren viele Anleihen und
Aktien aus der US-Schieferölindustrie auf Ramschniveau. Mit Whiting Petroleum
hat bereits der erste große US-Ölproduzent Insolvenz angemeldet, während die
Großbanken ihre Rückstellungen für Kreditausfälle in der Branche vervielfachen.
„OPEC+“
war für Russland umstritten
Die Gefahr einer Marktverzerrung wurde stets auch
in Russland gesehen, weshalb der „OPEC+“-Deal schon bei der Unterzeichnung im
Jahr 2016 in Moskau höchst umstritten war. Kaum war die Tinte unter dem
Abkommen trocken, deuteten sich bereits die ersten Konflikte an. Das Kartell
begann die weltweite Ölindustrie zu deformieren, während das Ziel der
Konservierung der Marktanteile von Anfang an nicht erreicht wurde. Konkret
bestand in Russland die Gefahr, dass ein künstlich hoher Preis die Abhängigkeit
von Ölexporten hochhält.
Russland bemüht sich seit Jahren, die Abhängigkeit
von Öl und Gasexporten zu verringern, seine Wirtschaft zu modernisieren und zu
diversifizieren, was jedoch viel Zeit und langfristige Finanzierungslösungen
erfordert.
Dabei ist Russland heute viel weniger vom Öl
abhängig als viele Beobachter glauben: Laut CIA-Jahrbuch tragen Einnahmen aus
Exporten von Rohöl und Ölprodukten rund 21 Prozent zur russischen Wirtschaftsleistung
bei. In Norwegen beläuft sich der Wert auf 32 Prozent. Der jährliche Pro-Kopf-Ölexport
beträgt in Russland zwölf Barrel, in Saudi-Arabien 108, in Norwegen sind es
177, in Kuwait 307 und in Katar gar 326 Barrel.
Kein
Preiskrieg, sondern Dumping
Das Scheitern des Abkommens im März dieses Jahres
wird vielfach allein Moskau angelastet. Dabei betreibt Saudi-Arabien seit
Jahren ein Preis-Dumping am Ölmarkt, durchgesetzt über eine zunehmend schwache
Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC). Die arabischen Unterhändler sind
von Anfang an in die Verhandlungen um exorbitante Förderkürzungen gegangen –
und zwar in einem Maße, das Russland völlig überraschend und unvorbereitet
traf, weil solche Kürzungen immer in Absprache mit den Ölunternehmen einhergehen
müssen.
Nachdem der „OPEC+“-Deal am 6. März 2020 nicht
zustande kam, drehten die arabischen Staaten 24 Stunden später den Ölhahn auf
statt zu und gingen mit dem Preis drastisch runter. Zufällig aber fiel diese
Eskalation mit dem globalen Ausbruch der Covid-19-Pandemie zusammen. Dies zwang
die Erdölexporteure am 12. April 2020 schließlich auf eine zehnprozentige
Förderkürzung. Jetzt ist es wichtig, dass sich die USA und weitere
Nicht-OPEC-Staaten an das Konzept der Ölförderkürzung anschließen.
Covid-19
beschleunigt globale Energiewende
Die Welt wird nach der Coronakrise eine andere
sein. Umweltfragen werden wegen der Pandemie mehr Aufmerksamkeit erhalten. Doch
werden vorläufig konventionelle und erneuerbare Energiequellen koexistieren.
Auch die Ölindustrie wird nach der Krise weiter in neue Projekte investieren
und ihre Gewinne erwirtschaften. Diese Koexistenz bleibt wichtig, gerade in der
wirtschaftlich prekären Zeit, die der Weltwirtschaft durch die Pandemiefolgen
bevorsteht.
Von der Ölindustrie werden sich jedoch
mittelfristig immer mehr Investoren verabschieden. Investoren verstehen, dass
eine grüne Wirtschaft auf der Basis sauberer Energieversorgung mithilfe von
Wind, Sonne und Wasserstoff ein geringeres Investitionsrisiko bedeutet. Große
Investmentfonds-Gesellschaften wie Black Rock oder staatliche Akteure wie der norwegische
Staatsfonds Global und die Europäische Investitionsbank haben bereits den
Anfang gemacht.
Umwelt und Energie: Die Corona-Krise beschleunigt OPEC-Ende und Energiewende
Inmitten der Covid-19-Pandemie ist der Streit um Ölpreise eskaliert. Doch auch die beschlossenen Produktionskürzungen beseitigen das Überangebot nicht – mit drastischen Folgen.
Die Erdölexporteure innerhalb und außerhalb der OPEC haben sich auf eine Förderkürzung um täglich zehn Millionen Barrel verständigt. Dieses Maß ist historisch. Dabei wird die tägliche Ölproduktion um ganze zehn Prozent zurückgefahren. Dies soll den Markt stabilisieren und die Einnahmen der Exporteure sichern. Allein, die Förderbremse zieht nicht.
Der Ölpreis prüft weiterhin historische Tiefstände. Am Markt herrschen massive Überkapazitäten, die Zwischenlager für Öl werden knapp. Kürzungen der Produktion verpuffen angesichts des dramatischen Nachfrageeinbruchs infolge der Covid-19-Krise. Die Pandemie geht mit einer Unterbrechung von Lieferketten einher und wird die wohl schwerste globale Rezession seit 1929 heraufbeschwören. Aus meiner (wessen???) Sicht wird dies auch das Ende der OPEC bedeuten – und das ist gut so. Ein Kartell hat im 21. Jahrhundert keine Daseinsberechtigung.
Eine Kooperation Russlands mit der OPEC ist nicht unumstritten, beeinflusst das Kartell doch die Entwicklung des globalen Ölmarkts. Durch kartellierte Preise werden jenseits der marktwirtschaftlichen Vernunft einzelne Investitionsprojekte entweder gepusht oder verhindert. Ein Ölpreis zwischen 40 und 50 Dollar wäre fair – in dem Sinne, dass er weder den Aufstieg erneuerbarer Energien ausbremst, noch neue Technologien wie jene im Bereich der Schieferölindustrie der USA vereitelt.
Opportunistische US-Schieferölprojekte
Künstlich veränderte Preise bewirken das Gegenteil von Stabilität, nämlich Unsicherheit für Investitionsprojekte. Das zeigt sich etwa in den USA. Ein großer Teil der US-Schieferindustrie ist von Finanzmanagern getrieben, die ein massives Chaos auf dem globalen Ölmarkt verursacht haben. Sie investierten jahrelang in substanzarme Unternehmen ohne nachhaltigen Wettbewerbsvorteil auf dem globalen Öl- und Gasmarkt. Diese Unternehmen fluteten den Weltmarkt mit leichten Ölsorten, die in den USA nicht benötigt werden und in Exportmärkten ausreichend vorhanden sind. Und dies nur, um die Produktionsmengen immer weiter zu erhöhen.
Die meisten US-Schieferölproduzenten sind stark überbewertet. Sie suggerierten schon lange vor dem Corona-bedingten Nachfrageeinbruch ein Wachstum durch die Schaffung von nicht benötigten Produktionskapazitäten, damit Wall-Street-Investoren immer mehr Kapital nachpumpen. Während die Substanz fehlte, häuften sich Verluste an. Nun notieren viele Anleihen und Aktien aus der US-Schieferölindustrie auf Ramschniveau. Mit Whiting Petroleum hat bereits der erste große US-Ölproduzent Insolvenz angemeldet, während die Großbanken ihre Rückstellungen für Kreditausfälle in der Branche vervielfachen.
„OPEC+“ war für Russland umstritten
Die Gefahr einer Marktverzerrung wurde stets auch in Russland gesehen, weshalb der „OPEC+“-Deal schon bei der Unterzeichnung im Jahr 2016 in Moskau höchst umstritten war. Kaum war die Tinte unter dem Abkommen trocken, deuteten sich bereits die ersten Konflikte an. Das Kartell begann die weltweite Ölindustrie zu deformieren, während das Ziel der Konservierung der Marktanteile von Anfang an nicht erreicht wurde. Konkret bestand in Russland die Gefahr, dass ein künstlich hoher Preis die Abhängigkeit von Ölexporten hochhält.
Russland bemüht sich seit Jahren, die Abhängigkeit von Öl und Gasexporten zu verringern, seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren, was jedoch viel Zeit und langfristige Finanzierungslösungen erfordert.
Dabei ist Russland heute viel weniger vom Öl abhängig als viele Beobachter glauben: Laut CIA-Jahrbuch tragen Einnahmen aus Exporten von Rohöl und Ölprodukten rund 21 Prozent zur russischen Wirtschaftsleistung bei. In Norwegen beläuft sich der Wert auf 32 Prozent. Der jährliche Pro-Kopf-Ölexport beträgt in Russland zwölf Barrel, in Saudi-Arabien 108, in Norwegen sind es 177, in Kuwait 307 und in Katar gar 326 Barrel.
Kein Preiskrieg, sondern Dumping
Das Scheitern des Abkommens im März dieses Jahres wird vielfach allein Moskau angelastet. Dabei betreibt Saudi-Arabien seit Jahren ein Preis-Dumping am Ölmarkt, durchgesetzt über eine zunehmend schwache Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC). Die arabischen Unterhändler sind von Anfang an in die Verhandlungen um exorbitante Förderkürzungen gegangen – und zwar in einem Maße, das Russland völlig überraschend und unvorbereitet traf, weil solche Kürzungen immer in Absprache mit den Ölunternehmen einhergehen müssen.
Nachdem der „OPEC+“-Deal am 6. März 2020 nicht zustande kam, drehten die arabischen Staaten 24 Stunden später den Ölhahn auf statt zu und gingen mit dem Preis drastisch runter. Zufällig aber fiel diese Eskalation mit dem globalen Ausbruch der Covid-19-Pandemie zusammen. Dies zwang die Erdölexporteure am 12. April 2020 schließlich auf eine zehnprozentige Förderkürzung. Jetzt ist es wichtig, dass sich die USA und weitere Nicht-OPEC-Staaten an das Konzept der Ölförderkürzung anschließen.
Covid-19 beschleunigt globale Energiewende
Die Welt wird nach der Coronakrise eine andere sein. Umweltfragen werden wegen der Pandemie mehr Aufmerksamkeit erhalten. Doch werden vorläufig konventionelle und erneuerbare Energiequellen koexistieren. Auch die Ölindustrie wird nach der Krise weiter in neue Projekte investieren und ihre Gewinne erwirtschaften. Diese Koexistenz bleibt wichtig, gerade in der wirtschaftlich prekären Zeit, die der Weltwirtschaft durch die Pandemiefolgen bevorsteht.
Von der Ölindustrie werden sich jedoch mittelfristig immer mehr Investoren verabschieden. Investoren verstehen, dass eine grüne Wirtschaft auf der Basis sauberer Energieversorgung mithilfe von Wind, Sonne und Wasserstoff ein geringeres Investitionsrisiko bedeutet. Große Investmentfonds-Gesellschaften wie Black Rock oder staatliche Akteure wie der norwegische Staatsfonds Global und die Europäische Investitionsbank haben bereits den Anfang gemacht.
Dr. Fares Kilzie, Creon Group, CEO
Der Beitrag ist in OstContact 3/2020 erstmals erschienen.