Der
Beitritt der Republik Belarus zur Eurasischen Wirtschaftsunion hatte vor allem wirtschaftliche
Gründe. Es ist der einzige EAWU-Mitgliedstaat, dessen Außenhandel mit den
Ländern der Union höher ist als mit Drittstaaten. 2020 hat das Land erneut den
EAWU-Ratsvorsitz inne. Was die Prioritäten der Ratspräsidentschaft sind, ist im
nachfolgenden Beitrag des belarussischen Außenministeriums zu erfahren.
Die Republik Belarus hat am 1. Januar 2020 für ein
Jahr den Vorsitz in der Eurasischen Wirtschaftsunion EAWU übernommen.
Gleichzeitig wurde der ehemalige Premierminister Michail Mjasnikovich zum
Vorsitzenden des Kollegiums der Eurasischen Wirtschaftskommission bestimmt.
Dieses Amt wird er vom 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2024 ausüben.
Seit dem 1. Januar 2012 sollte der Einheitliche
Wirtschaftsraum (EWR) eigentlich schon funktionieren und den freien Verkehr von
Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleisten. Aber viele
Elemente der geplanten Wirtschaftsunion müssen erst noch auf die Beine gestellt
werden und nationale Interessen überwiegen nach wie vor die gemeinsamen Werte
der Union.
Die
Hauptpriorität des belarussischen Vorsitzes
Im Mittelpunkt des belarussischen EAWU-Vorsitzes
steht daher die Schaffung einer realen, umfassenden Wirtschaftsunion, wobei die
Anwendungsbereiche der „vier Freiheiten“ – freier Verkehr von Waren,
Dienstleistungen, Kapital und Fachkräften – bereits im laufenden Jahr maximal
auszuweiten sind. Dafür muss die Zahl von Hindernissen auf dem Binnenmarkt, die
seitens der Eurasischen Wirtschaftskommission festgestellt wurden, eingedämmt
werden. In diesem Zusammenhang werden vor allem drei Punkte vorgeschlagen:
Die Kompetenz der supranationalen Gremien – der
Eurasischen Wirtschaftskommission und des EAWU-Gerichtes – sowie ihre Rolle als
„Watchdogs“ bei der Einhaltung des Unionsrechts durch die Vertragsparteien
müssen gestärkt werden. Es geht auch um die Beseitigung von Gesetzeslücken.
Die Kompetenzen
der Kommission müssen erweitert werden durch die Stärkung ihrer Verantwortung
und des Personalbestandes, wobei eine bessere Transparenz bei der Arbeit und
der Rechenschaftspflicht gegenüber Vertragsparteien notwendig ist.
Die Beschlussfassung muss verbessert werden, damit
wichtige wirtschaftliche Fragen der Integrationsagenda in erster Linie erörtert
werden, und die oft komplizierte Konsensfindung in solchen Fragen oberste
Priorität hat.
Zweifelsohne wird Belarus während seines
EAWU-Vorsitzes um die beschleunigte Schaffung von gemeinsamen Öl- und Gasmärkten
ringen. Die Vereinbarung über die „stufenweise“ Gestaltung dieser Märkte wird
so verstanden, dass jedes Jahr sichtbare Ergebnisse bei der Erfüllung dieser
Aufgabe erreicht werden sollen. Ohne Preisangleichung bei wichtigen Energie und
Rohstoffen im wirtschaftlichen Raum der Union könnten ihre Ziele definitiv
nicht erreicht werden.
Schwerpunkte
Transport, Logistik und Industriepolitik
Die nach wie vor vorhandenen künstlichen
Hindernisse auf dem Markt für Transportdienstleistungen der EAWU, der noch
nicht als ein einheitlicher Markt bezeichnet werden kann, haben zur Folge, dass
die Transportkosten in der Eurasischen Wirtschaftsunion wesentlich höher sind,
als das in der Europäischen Union der Fall ist. Es ist klar, dass Belarus, das
dank seiner geografischen Lage über ein großes Potenzial im Bereich Transport
und Logistik verfügt, eine besondere Aufmerksamkeit auf die Beseitigung von
Hindernissen für Spediteure lenken wird, die erhebliche Warenvolumen im Handel
zwischen der EU und der EAWU abwickeln. Große Bedeutung wird zudem der
Schaffung einer gemeinsamen Branchenpolitik innerhalb der EAWU in solchen
Bereichen wie Industrie, Landwirtschaft, Energie, Transport u. a. beigemessen. Hier
sollen Behinderungen durch die nationale Rechtssprechung behoben werden, die im
Widerspruch zu den Zielen der Union stehen und im gegenseitigen Handel
Hindernisse schaffen. Nur durch Stärkung der Kooperation in der Wirtschaft
können die EAWU-Mitgliedstaaten einen sichtbaren Synergieeffekt von der
Vereinigung ihrer wirtschaftlichen Potenziale erreichen.
Forschungskooperation,
Finanzmarkt und Wettbewerb
Das derzeitige schwache Wirtschaftswachstum in der
EAWU erfordert die Schaffung neuer Produktionsbetriebe, welche die Importe
substituieren und die Exporte von hochtechnologischen Waren fördern sollen.
Dafür bedarf es der Gestaltung einer umfassenden wissenschaftlich-technischen
Zusammenarbeit zwischen den EAWU-Mitgliedstaaten. Auch muss die Arbeit an der
Schaffung eines gemeinsamen Finanzmarktes fortgesetzt werden. Es wird hier
vorgeschlagen, eine einheitliche Zahlungsinfrastruktur in der Union zu errichten,
welche grenzübergreifende Zahlungen in Nationalwährungen der EAWU-Länder und
die Konvertierung von nationalen Währungen ermöglicht.
Heute werden etwa 85 Prozent des Warenumsatzes in
der EAWU schon nach einheitlichen Normen abgewickelt. Das Aufspüren von Waren
minderwertiger Qualität und gefälschten Produkten wird verschärft. Beabsichtigt
ist ferner, die gemeinsame Ausarbeitung innovativer Standards zu starten, um die
Wettbewerbsfähigkeit der in der EAWU hergestellten Produkte auf dem Weltmarkt
zu fördern. Dazu soll auch eine umfassende Digitalisierung vorangetrieben
werden.
Mehr
Freiheiten durch Freihandel
Ein wichtiges Augenmerk gilt der Entwicklung der
internationalen Beziehungen der Union. 2019 hat die EAWU die Freihandelsabkommen
mit Serbien und Singapur abgeschlossen. Ein solches Freihandelsabkommen mit dem
Iran sowie ein Wirtschaftskooperationsabkommen mit China sind in Kraft
getreten. Momentan wird über Freihandelsabkommen mit Ägypten, Indien und Israel
verhandelt. Mit Blick auf die Zollgrenzen zwischen der EAWU und China wurde
darüber hinaus ein Abkommen mit China über einen Informationsaustausch zu Waren
und Verkehr abgeschlossen. Dieses Abkommen ist ein Bestandteil der Strategie zur
Verknüpfung der EAWU mit der chinesischen Initiative „One Belt, One Road“.
Belarus beabsichtigt hier, die Vereinfachung des Warenaustausches in Eurasien
sowie die Beschleunigung von Warenlieferungen zwischen der EU und China sowohl durch die Vervollkommnung von
Verwaltungsverfahren als auch durch die Infrastrukturentwicklung zu fördern. All
das liegt im Interesse von Europa. Daher ist ein ständiger Dialog zwischen der
Europäischen Kommission und der Eurasischen Wirtschaftskommission erforderlich.
Nur so wird es möglich sein, dass keine Hindernisse und „Nadelöhre“ für Warenströme
an der Grenze zwischen der EU und EAWU entstehen.
Der Beitrag wurde vom Außenministerium der Republik Belarus erarbeitet und OC exklusiv zur Verfügung gestellt und ist im OstContact 3/2020 erstmals erschienen.
EAWU Insights: EAWU 2020-2024: Belarus setzt Prioritäten
Der Beitritt der Republik Belarus zur Eurasischen Wirtschaftsunion hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Es ist der einzige EAWU-Mitgliedstaat, dessen Außenhandel mit den Ländern der Union höher ist als mit Drittstaaten. 2020 hat das Land erneut den EAWU-Ratsvorsitz inne. Was die Prioritäten der Ratspräsidentschaft sind, ist im nachfolgenden Beitrag des belarussischen Außenministeriums zu erfahren.
Die Republik Belarus hat am 1. Januar 2020 für ein Jahr den Vorsitz in der Eurasischen Wirtschaftsunion EAWU übernommen. Gleichzeitig wurde der ehemalige Premierminister Michail Mjasnikovich zum Vorsitzenden des Kollegiums der Eurasischen Wirtschaftskommission bestimmt. Dieses Amt wird er vom 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2024 ausüben.
Seit dem 1. Januar 2012 sollte der Einheitliche Wirtschaftsraum (EWR) eigentlich schon funktionieren und den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleisten. Aber viele Elemente der geplanten Wirtschaftsunion müssen erst noch auf die Beine gestellt werden und nationale Interessen überwiegen nach wie vor die gemeinsamen Werte der Union.
Die Hauptpriorität des belarussischen Vorsitzes
Im Mittelpunkt des belarussischen EAWU-Vorsitzes steht daher die Schaffung einer realen, umfassenden Wirtschaftsunion, wobei die Anwendungsbereiche der „vier Freiheiten“ – freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Fachkräften – bereits im laufenden Jahr maximal auszuweiten sind. Dafür muss die Zahl von Hindernissen auf dem Binnenmarkt, die seitens der Eurasischen Wirtschaftskommission festgestellt wurden, eingedämmt werden. In diesem Zusammenhang werden vor allem drei Punkte vorgeschlagen:
Zweifelsohne wird Belarus während seines EAWU-Vorsitzes um die beschleunigte Schaffung von gemeinsamen Öl- und Gasmärkten ringen. Die Vereinbarung über die „stufenweise“ Gestaltung dieser Märkte wird so verstanden, dass jedes Jahr sichtbare Ergebnisse bei der Erfüllung dieser Aufgabe erreicht werden sollen. Ohne Preisangleichung bei wichtigen Energie und Rohstoffen im wirtschaftlichen Raum der Union könnten ihre Ziele definitiv nicht erreicht werden.
Schwerpunkte Transport, Logistik und Industriepolitik
Die nach wie vor vorhandenen künstlichen Hindernisse auf dem Markt für Transportdienstleistungen der EAWU, der noch nicht als ein einheitlicher Markt bezeichnet werden kann, haben zur Folge, dass die Transportkosten in der Eurasischen Wirtschaftsunion wesentlich höher sind, als das in der Europäischen Union der Fall ist. Es ist klar, dass Belarus, das dank seiner geografischen Lage über ein großes Potenzial im Bereich Transport und Logistik verfügt, eine besondere Aufmerksamkeit auf die Beseitigung von Hindernissen für Spediteure lenken wird, die erhebliche Warenvolumen im Handel zwischen der EU und der EAWU abwickeln. Große Bedeutung wird zudem der Schaffung einer gemeinsamen Branchenpolitik innerhalb der EAWU in solchen Bereichen wie Industrie, Landwirtschaft, Energie, Transport u. a. beigemessen. Hier sollen Behinderungen durch die nationale Rechtssprechung behoben werden, die im Widerspruch zu den Zielen der Union stehen und im gegenseitigen Handel Hindernisse schaffen. Nur durch Stärkung der Kooperation in der Wirtschaft können die EAWU-Mitgliedstaaten einen sichtbaren Synergieeffekt von der Vereinigung ihrer wirtschaftlichen Potenziale erreichen.
Forschungskooperation, Finanzmarkt und Wettbewerb
Das derzeitige schwache Wirtschaftswachstum in der EAWU erfordert die Schaffung neuer Produktionsbetriebe, welche die Importe substituieren und die Exporte von hochtechnologischen Waren fördern sollen. Dafür bedarf es der Gestaltung einer umfassenden wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen den EAWU-Mitgliedstaaten. Auch muss die Arbeit an der Schaffung eines gemeinsamen Finanzmarktes fortgesetzt werden. Es wird hier vorgeschlagen, eine einheitliche Zahlungsinfrastruktur in der Union zu errichten, welche grenzübergreifende Zahlungen in Nationalwährungen der EAWU-Länder und die Konvertierung von nationalen Währungen ermöglicht.
Heute werden etwa 85 Prozent des Warenumsatzes in der EAWU schon nach einheitlichen Normen abgewickelt. Das Aufspüren von Waren minderwertiger Qualität und gefälschten Produkten wird verschärft. Beabsichtigt ist ferner, die gemeinsame Ausarbeitung innovativer Standards zu starten, um die Wettbewerbsfähigkeit der in der EAWU hergestellten Produkte auf dem Weltmarkt zu fördern. Dazu soll auch eine umfassende Digitalisierung vorangetrieben werden.
Mehr Freiheiten durch Freihandel
Ein wichtiges Augenmerk gilt der Entwicklung der internationalen Beziehungen der Union. 2019 hat die EAWU die Freihandelsabkommen mit Serbien und Singapur abgeschlossen. Ein solches Freihandelsabkommen mit dem Iran sowie ein Wirtschaftskooperationsabkommen mit China sind in Kraft getreten. Momentan wird über Freihandelsabkommen mit Ägypten, Indien und Israel verhandelt. Mit Blick auf die Zollgrenzen zwischen der EAWU und China wurde darüber hinaus ein Abkommen mit China über einen Informationsaustausch zu Waren und Verkehr abgeschlossen. Dieses Abkommen ist ein Bestandteil der Strategie zur Verknüpfung der EAWU mit der chinesischen Initiative „One Belt, One Road“. Belarus beabsichtigt hier, die Vereinfachung des Warenaustausches in Eurasien sowie die Beschleunigung von Warenlieferungen zwischen der EU und China sowohl durch die Vervollkommnung von Verwaltungsverfahren als auch durch die Infrastrukturentwicklung zu fördern. All das liegt im Interesse von Europa. Daher ist ein ständiger Dialog zwischen der Europäischen Kommission und der Eurasischen Wirtschaftskommission erforderlich. Nur so wird es möglich sein, dass keine Hindernisse und „Nadelöhre“ für Warenströme an der Grenze zwischen der EU und EAWU entstehen.
Der Beitrag wurde vom Außenministerium der Republik Belarus erarbeitet und OC exklusiv zur Verfügung gestellt und ist im OstContact 3/2020 erstmals erschienen.