Es war irgendwie ein wohlig-kribbelndes Gefühl – wie ein
überraschendes Geschenk zu Weihnachten und Ostern an einem Tag. Endlich mal
wieder in die Luft gehen.
Das
Coronavirus hatte die über Jahrzehnte eingeübte Routine des Schreibers dieser
Zeilen dreieinhalb Monate lang schmerzlich durchbrochen. Nun, Anfang Juli an
einem Wochentag gegen Abend, da war es so weit: Ich sitze im Fond eines Taxis
auf der Fahrt vom Moskauer Zentrum Richtung Flughafen Domodedovo. Bis zur
Stadtgrenze stehen wir fast schon wie gewohnt im Stau; auf der großzügigen,
autobahnmäßig ausgebauten Schnellstraße wird dann der Verkehr immer
tröpfelnder.
Die lange
Reihe der Schlagbäume vor der Zufahrt zum mächtigen Empfangsgebäudekomplex des
internationalen Flughafens stehen meist aufrecht: kaum eine Sekunde Wartezeit.
Wir fahren schnurstracks nach kurzem Tickethalt durch. Beinahe die Hälfte der
langgezogenen, leicht gebogenen Terminalhallen ist geschlossen; der weiterhin
geöffnete Terminal ist zwar nicht menschenleer, aber ziemlich dürftig
bevölkert, wie schon durch die Riesenglasflächen leicht zu sehen ist. Viele
Leute haben wohl noch ein wenig Ansteckungsfurcht in der Enge einer
Flugzeugkabine, oder sie sind auch schlicht knapp bei Kasse nach den meist
drastisch reduzierten Lohnfortzahlungen der letzten Monate. Die
Sicherheitsbeamten am Pre-Check lassen sich offensichtlich nur ungern bei ihrem
privaten Gespräch unterbrechen, machen aber rasch und geübt ihren Job.
Einmal
hineingekommen dann angenehmes Durchmarschieren, wo sonst das
Rollkoffermanövrieren zum wahren Slalomlaufwettbewerb ausartet. Eine
überschaubare und durchlässige Menge an Menschen entweder auf der Flucht vor
der Arbeit oder der Rückkehr zu derselben, leicht erkennbar an der gesunden
Sonnentönung auf ihrer Stirn. Denn außer Stirn und Augen ist viel mehr bei den
meisten nicht auszumachen – über Mund und Nase bis unters Kinn nur die
hellblauen und bunt gemusterten, weißen und schwarzen Farbflächen der
Schutzmasken. Und westlich anmutende Köpfe ganz wenige bis gar keine,
schließlich sind alle internationalen Verbindungen seit Monaten gebannt. Wer
hierzulande nicht als Expat längerfristig wohnt und arbeitet, konnte über die
letzten Monate ja kaum einreisen. Die private Flughafengesellschaft Domodedovo
kostet das 45 Prozent ihrer normalen Auslastung. Bis auf den ein oder anderen
Frachtflug werden nur inländische Ziele nach Plan bedient. Wie sonst wäre auch
das Zusammenleben und -wirtschaften im größten nationalen Territorium der Erde
halbwegs aufrechtzuerhalten. Am fleißigsten fliegt noch die private Airline S7,
die 90 Prozent ihrer inländischen Ziele nach wie vor anbietet und das dazu auch
noch mit deftigen Preisnachlässen.
Auch keine
langen Warteschlangen an den Check-in-Schaltern, sofort ist man an der Reihe.
Ein warmes Lächeln aus typisch russisch-hellblauen Augen über gleichfarbiger
Gesichtsmaske – sozusagen wie „endlich kommt mal wieder einer“. Der Autor
dieses kleinen Erlebnisberichts stellt sich als Einziger, jedenfalls westlicher
Ausländer auf der gebuchten Langstrecke Richtung Sibirien heraus und bekommt
gegen einen wirklich bescheidenen Aufpreis ein Upgrade in die Business Class
angeboten – bei fast sechs Stunden Flugzeit wohl kaum auszuschlagen.
Was für ein
unbeschreiblich wohltuendes Geräusch, das akzelerierende Dröhnen der
Düsentriebwerke. Ein Gefühl, als wolle man innerlich in die Luft springen, als
die Umgebung der Startbahn immer schneller vorbeijagt und der Airbus
schließlich steil gen Himmel abhebt. Nur mal weg von dieser coronaverseuchten
Erdenatmosphäre, rein in das tiefe Blau des Himmels, durch flauschig
aufgebauschte, strahlendweiße Wolkenberge zum wohl einem der schönsten Ziele
hierzulande: an die Ufer des für Russen heiligen Meeres, des Baikalsees. Dieser
größte Süßwassersee der Welt mit einer magischen Anziehungskraft ist ein
UNESCO-Weltnaturerbe.
Mal wieder
tief durchatmen, Zukunftshoffnung tanken, Bewegungsfreiheit genießen, mal
wieder liebe Menschen treffen oder mit vertrauensvollem Blick ein gutes
Geschäft besiegeln. Besonders in diesem riesigen Russland ist das Fliegen so
gut wie unverzichtbar und – wie beschrieben – derzeit sogar angenehmer als je
zuvor. Vorausgesetzt, jeder folgt den klar gesetzten Zeichen der Zeit zum
Basisschutz von sich selbst und anderen: Abstand halten, Maske tragen, Hände
waschen – wenn nur jeder das nicht nur als lästige Pflicht, sondern als
menschlich notwendige Verpflichtung ansähe.
Geschäftsreise und Kultur: Wer wird denn gleich wieder in die Luft gehen
Es war irgendwie ein wohlig-kribbelndes Gefühl – wie ein überraschendes Geschenk zu Weihnachten und Ostern an einem Tag. Endlich mal wieder in die Luft gehen.
Das Coronavirus hatte die über Jahrzehnte eingeübte Routine des Schreibers dieser Zeilen dreieinhalb Monate lang schmerzlich durchbrochen. Nun, Anfang Juli an einem Wochentag gegen Abend, da war es so weit: Ich sitze im Fond eines Taxis auf der Fahrt vom Moskauer Zentrum Richtung Flughafen Domodedovo. Bis zur Stadtgrenze stehen wir fast schon wie gewohnt im Stau; auf der großzügigen, autobahnmäßig ausgebauten Schnellstraße wird dann der Verkehr immer tröpfelnder.
Die lange Reihe der Schlagbäume vor der Zufahrt zum mächtigen Empfangsgebäudekomplex des internationalen Flughafens stehen meist aufrecht: kaum eine Sekunde Wartezeit. Wir fahren schnurstracks nach kurzem Tickethalt durch. Beinahe die Hälfte der langgezogenen, leicht gebogenen Terminalhallen ist geschlossen; der weiterhin geöffnete Terminal ist zwar nicht menschenleer, aber ziemlich dürftig bevölkert, wie schon durch die Riesenglasflächen leicht zu sehen ist. Viele Leute haben wohl noch ein wenig Ansteckungsfurcht in der Enge einer Flugzeugkabine, oder sie sind auch schlicht knapp bei Kasse nach den meist drastisch reduzierten Lohnfortzahlungen der letzten Monate. Die Sicherheitsbeamten am Pre-Check lassen sich offensichtlich nur ungern bei ihrem privaten Gespräch unterbrechen, machen aber rasch und geübt ihren Job.
Einmal hineingekommen dann angenehmes Durchmarschieren, wo sonst das Rollkoffermanövrieren zum wahren Slalomlaufwettbewerb ausartet. Eine überschaubare und durchlässige Menge an Menschen entweder auf der Flucht vor der Arbeit oder der Rückkehr zu derselben, leicht erkennbar an der gesunden Sonnentönung auf ihrer Stirn. Denn außer Stirn und Augen ist viel mehr bei den meisten nicht auszumachen – über Mund und Nase bis unters Kinn nur die hellblauen und bunt gemusterten, weißen und schwarzen Farbflächen der Schutzmasken. Und westlich anmutende Köpfe ganz wenige bis gar keine, schließlich sind alle internationalen Verbindungen seit Monaten gebannt. Wer hierzulande nicht als Expat längerfristig wohnt und arbeitet, konnte über die letzten Monate ja kaum einreisen. Die private Flughafengesellschaft Domodedovo kostet das 45 Prozent ihrer normalen Auslastung. Bis auf den ein oder anderen Frachtflug werden nur inländische Ziele nach Plan bedient. Wie sonst wäre auch das Zusammenleben und -wirtschaften im größten nationalen Territorium der Erde halbwegs aufrechtzuerhalten. Am fleißigsten fliegt noch die private Airline S7, die 90 Prozent ihrer inländischen Ziele nach wie vor anbietet und das dazu auch noch mit deftigen Preisnachlässen.
Auch keine langen Warteschlangen an den Check-in-Schaltern, sofort ist man an der Reihe. Ein warmes Lächeln aus typisch russisch-hellblauen Augen über gleichfarbiger Gesichtsmaske – sozusagen wie „endlich kommt mal wieder einer“. Der Autor dieses kleinen Erlebnisberichts stellt sich als Einziger, jedenfalls westlicher Ausländer auf der gebuchten Langstrecke Richtung Sibirien heraus und bekommt gegen einen wirklich bescheidenen Aufpreis ein Upgrade in die Business Class angeboten – bei fast sechs Stunden Flugzeit wohl kaum auszuschlagen.
Was für ein unbeschreiblich wohltuendes Geräusch, das akzelerierende Dröhnen der Düsentriebwerke. Ein Gefühl, als wolle man innerlich in die Luft springen, als die Umgebung der Startbahn immer schneller vorbeijagt und der Airbus schließlich steil gen Himmel abhebt. Nur mal weg von dieser coronaverseuchten Erdenatmosphäre, rein in das tiefe Blau des Himmels, durch flauschig aufgebauschte, strahlendweiße Wolkenberge zum wohl einem der schönsten Ziele hierzulande: an die Ufer des für Russen heiligen Meeres, des Baikalsees. Dieser größte Süßwassersee der Welt mit einer magischen Anziehungskraft ist ein UNESCO-Weltnaturerbe.
Mal wieder tief durchatmen, Zukunftshoffnung tanken, Bewegungsfreiheit genießen, mal wieder liebe Menschen treffen oder mit vertrauensvollem Blick ein gutes Geschäft besiegeln. Besonders in diesem riesigen Russland ist das Fliegen so gut wie unverzichtbar und – wie beschrieben – derzeit sogar angenehmer als je zuvor. Vorausgesetzt, jeder folgt den klar gesetzten Zeichen der Zeit zum Basisschutz von sich selbst und anderen: Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen – wenn nur jeder das nicht nur als lästige Pflicht, sondern als menschlich notwendige Verpflichtung ansähe.
Frank Ebbecke