Das Regime Lukaschenkos befindet sich auf der Zielgeraden. Doch ist er tatsächlich zur Abgabe der Macht bereit?
Michail Gorbatschow
sagte einst: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Im Falle Alexander
Lukaschenkos dürfte dieser ein wenig umgedichtete Spruch voll zutreffen: „Wer
zu spät geht, den bestraft die Geschichte“. Lukaschenko hatte die Chance, in
die Geschichte seines Landes als Gründervater des modernen belarussischen
Staates einzugehen, diese Chance hat er nunmehr endgültig verpasst. Alexander
Lukaschenko weiß keine Mehrheit mehr hinter sich.
Nachhaltiger Legitimitätsverlust
Offensichtlich
verliert Lukaschenko zunehmend den Bezug zur Realität. Das Gespür für die
Erwartungen der belarussischen Gesellschaft dürfte er schon vor Jahren
eingebüßt haben. Aus der Sicht Lukaschenkos scheint alles, wenn nicht ideal, so
doch zumindest gut zu laufen. Er ist der Überzeugung, ungeachtet schwieriger
geopolitischer und wirtschaftspolitischer Gegebenheiten, alle oder beinahe alle
Zielsetzungen, die er sich am Beginn seiner Präsidentschaft 1994 setzte, auch
erreicht zu haben. Er kann wohl wirklich nicht verstehen, welche Reformschritte
noch zu setzen sind und wieso das Volk mit ihm so unzufrieden ist.
Und hier liegt das
wesentliche unauflösbare Problem des Lukaschenko-Regimes. Bei Übernahme des
Präsidentenamtes war er durchaus in der Lage, mit den Menschen zu sprechen,
ihre Wünsche, Sorgen, Erwartungen zu begreifen. Schließlich war er einer von
ihnen, ein „Homo sovieticus“ durch und durch. In Belarus baute er im Kleinen
das Idealbild der Sowjetunion seiner Generation auf, natürlich im Rahmen
tatsächlicher Möglichkeiten.
Nach 26 Jahren an
der Macht entspricht Lukaschenko aber schlicht und ergreifend nicht mehr den
Anforderungen der Zeit und findet selbst unter seiner ehemaligen
Kernwählerschaft kaum noch Unterstützung. Wie sehr dies der Fall ist, zeigen
die zahlreichen Buhrufe und Aufforderungen zum Rücktritt bei seinem jüngsten
Auftritt in einem Staatsbetrieb, eigentlich vor seinen Kernwählern.
Während sich
Lukaschenko in den vergangenen Jahren kaum änderte, vollzog die Gesellschaft
einen grundlegenden Wandel und die neue Generation hat ein vollkommen anderes
Lebensgefühl, völlig andere Erwartungshaltungen an die Regierenden. Lukaschenko
schafft es nicht, diese Erwartungshaltungen auch nur ansatzweise zu verstehen,
geschweige denn, diesen zu entsprechen. Verbunden mit massivem Gewalteinsatz
gegen friedliche Demonstranten verliert er zusehends jedwede Legitimität, selbst
unter seinen ehemaligen Unterstützern.
Verfassungsreform als Spiel auf Zeit
Das Regime
Lukaschenkos befindet sich auf der Zielgeraden, sein Ende ist nah, doch kann
das tatsächliche Ende noch eine Zeit lang auf sich warten lassen, und es steht
zu befürchten, dass die letzten Atemzüge des Regimes von noch größeren
Gewaltakten als bislang begleitet werden könnten. Die für Lukaschenko
entscheidende Frage bleibt die Loyalität der Geheimdienst-, Polizei- und
Armeeeliten als den tragenden Säulen seines autoritär-diktatorischen Regimes.
Sollte es zu einer Spaltung dieser Gruppe kommen, sind die Tage des Regimes dann
endgültig gezählt. Wird es Lukaschenko aber gelingen, die Loyalität dieser
Gruppe aufrechtzuerhalten, und die Proteste auszusitzen, wird er kurz- bis
mittelfristig an der Macht bleiben.
Lukaschenko dürfte
im Bewusstsein dieser Problematik versuchen, auf Zeit zu spielen, eine Spaltung
der Protestierenden sowie das Abflauen der Proteste abzuwarten. In diesem
Zusammenhang sollte auch der Vorschlag Lukaschenkos nach einer umfassenden
Verfassungsreform mit anschließenden Präsidentenwahlen gesehen werden. Diese
Verfassungsreform soll u. a. eine Reduktion präsidialer Kompetenzen zugunsten
des Parlaments vorsehen. Freilich sollte dieses Angebot nicht überbewertet
werden, Lukaschenko ist nicht zur Machtabgabe bereit. Diese taktische Finte
könnte sich aber für sein Regime als ein Bumerang erweisen und die Spaltung
politischer Eliten beschleunigen.
EAWU Insights: Alexander Lukaschenko – Glücksphase vorbei
Das Regime Lukaschenkos befindet sich auf der Zielgeraden. Doch ist er tatsächlich zur Abgabe der Macht bereit?
Michail Gorbatschow sagte einst: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Im Falle Alexander Lukaschenkos dürfte dieser ein wenig umgedichtete Spruch voll zutreffen: „Wer zu spät geht, den bestraft die Geschichte“. Lukaschenko hatte die Chance, in die Geschichte seines Landes als Gründervater des modernen belarussischen Staates einzugehen, diese Chance hat er nunmehr endgültig verpasst. Alexander Lukaschenko weiß keine Mehrheit mehr hinter sich.
Nachhaltiger Legitimitätsverlust
Offensichtlich verliert Lukaschenko zunehmend den Bezug zur Realität. Das Gespür für die Erwartungen der belarussischen Gesellschaft dürfte er schon vor Jahren eingebüßt haben. Aus der Sicht Lukaschenkos scheint alles, wenn nicht ideal, so doch zumindest gut zu laufen. Er ist der Überzeugung, ungeachtet schwieriger geopolitischer und wirtschaftspolitischer Gegebenheiten, alle oder beinahe alle Zielsetzungen, die er sich am Beginn seiner Präsidentschaft 1994 setzte, auch erreicht zu haben. Er kann wohl wirklich nicht verstehen, welche Reformschritte noch zu setzen sind und wieso das Volk mit ihm so unzufrieden ist.
Und hier liegt das wesentliche unauflösbare Problem des Lukaschenko-Regimes. Bei Übernahme des Präsidentenamtes war er durchaus in der Lage, mit den Menschen zu sprechen, ihre Wünsche, Sorgen, Erwartungen zu begreifen. Schließlich war er einer von ihnen, ein „Homo sovieticus“ durch und durch. In Belarus baute er im Kleinen das Idealbild der Sowjetunion seiner Generation auf, natürlich im Rahmen tatsächlicher Möglichkeiten.
Nach 26 Jahren an der Macht entspricht Lukaschenko aber schlicht und ergreifend nicht mehr den Anforderungen der Zeit und findet selbst unter seiner ehemaligen Kernwählerschaft kaum noch Unterstützung. Wie sehr dies der Fall ist, zeigen die zahlreichen Buhrufe und Aufforderungen zum Rücktritt bei seinem jüngsten Auftritt in einem Staatsbetrieb, eigentlich vor seinen Kernwählern.
Während sich Lukaschenko in den vergangenen Jahren kaum änderte, vollzog die Gesellschaft einen grundlegenden Wandel und die neue Generation hat ein vollkommen anderes Lebensgefühl, völlig andere Erwartungshaltungen an die Regierenden. Lukaschenko schafft es nicht, diese Erwartungshaltungen auch nur ansatzweise zu verstehen, geschweige denn, diesen zu entsprechen. Verbunden mit massivem Gewalteinsatz gegen friedliche Demonstranten verliert er zusehends jedwede Legitimität, selbst unter seinen ehemaligen Unterstützern.
Verfassungsreform als Spiel auf Zeit
Das Regime Lukaschenkos befindet sich auf der Zielgeraden, sein Ende ist nah, doch kann das tatsächliche Ende noch eine Zeit lang auf sich warten lassen, und es steht zu befürchten, dass die letzten Atemzüge des Regimes von noch größeren Gewaltakten als bislang begleitet werden könnten. Die für Lukaschenko entscheidende Frage bleibt die Loyalität der Geheimdienst-, Polizei- und Armeeeliten als den tragenden Säulen seines autoritär-diktatorischen Regimes. Sollte es zu einer Spaltung dieser Gruppe kommen, sind die Tage des Regimes dann endgültig gezählt. Wird es Lukaschenko aber gelingen, die Loyalität dieser Gruppe aufrechtzuerhalten, und die Proteste auszusitzen, wird er kurz- bis mittelfristig an der Macht bleiben.
Lukaschenko dürfte im Bewusstsein dieser Problematik versuchen, auf Zeit zu spielen, eine Spaltung der Protestierenden sowie das Abflauen der Proteste abzuwarten. In diesem Zusammenhang sollte auch der Vorschlag Lukaschenkos nach einer umfassenden Verfassungsreform mit anschließenden Präsidentenwahlen gesehen werden. Diese Verfassungsreform soll u. a. eine Reduktion präsidialer Kompetenzen zugunsten des Parlaments vorsehen. Freilich sollte dieses Angebot nicht überbewertet werden, Lukaschenko ist nicht zur Machtabgabe bereit. Diese taktische Finte könnte sich aber für sein Regime als ein Bumerang erweisen und die Spaltung politischer Eliten beschleunigen.