An Bootsverkehr auf der Moskwa mangelt es im Sommer eigentlich nicht. Unterwegs damit sind allerdings nur Touristen auf Sightseeing-Tour. Das könnte sich bald ändern. Die Stadt hat bereits detaillierte Pläne für Schnellbootlinien als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr.
Mit der Trojka-Karte einchecken und per Schnellboot zur Arbeit pendeln – das ist die Vision von Moskaus Verkehrsbürgermeister Maxim Liksutow. „Ich denke, es gibt keinen Zweifel mehr, Moskau braucht den Fluss als Verkehrsweg“, sagte er im September anlässlich der Wiedereröffnung von Moskaus Nördlichem Flussbahnhof. Die Moskwa werde schon bald in den öffentlichen Nahverkehr der Stadt einbezogen. In vielen modernen Metropolen der Welt seien Schnellboote erfolgreich im Einsatz, etwa in Istanbul, Hongkong, London und New York, so der Politiker.
Er stellte ein Konzept für eine „Fluss-Tram“ vor, das von der Higher School of Economics entwickelt wurde. Die Schnellboote sollen voll in das Nahverkehrssystem integriert werden, mit Umsteigepunkten und einem eng getakteten Fahrplan, im Sommer wie im Winter. Wie in Bus und Bahn soll mit der Trojka-Karte bezahlt werden können. Die Boote sollen anderen Verkehrsmitteln in Sachen Komfort nicht unterlegen sein, so Maxim Liksutow. Die Fachleute der Universität haben verschiedene Linienvarianten untersucht, von denen zwei als besonders erfolgversprechend gelten. Die erste Route soll vom Fili-Park zum Kiewer Bahnhof führen, einem großen Verkehrsknoten im Südwesten der Stadt. In diesem Abschnitt der Moskwa entstehen im Zusammenhang mit dem Projekt Bolschoj City derzeit neue Wohngebiete auf Industriebrachen. Die Verkehrserschließung der Gegend ist ein heiß diskutiertes Thema. „Stellen Sie sich vor, Sie gehen aus dem Haus und können sich darauf verlassen, dass alle vier bis zehn Minuten eine bequeme Fluss-Tram vom modernen Pier abfährt, die Sie in die Stadt bringt“, schwärmte der Verkehrsbürgermeister.
Die zweite vorgeschlagene Linie soll im Südosten der Stadt verlaufen, von der Awtosawodskij-Brücke bis nach Petschatniki. Auch hier entsteht gerade mit dem ZIL-Komplex ein ganzer neuer Stadtteil auf dem Gelände eines einstigen Automobilwerks. Zudem liegen hier der Freizeitpark Ostrow Metschty und der Südliche Flussbahnhof, der nun ebenfalls saniert werden soll. Maxim Liksutow sieht nicht nur Bedarf für den Verkehr entlang des Flusses, sondern auch von einem Ufer zum anderen.
Gerade dort erwartet auch Pawel Kusin ein ernst zu nehmendes Potenzial für den Nahverkehr zu Wasser. Er ist Ingenieur am Wissenschafts- und Bildungszentrum für integrierte Verkehrsforschung an der Russischen Universität für Verkehrswesen (MIIT) in Moskau. Gegenüber der MDZ erklärt er, jeder Verkehrsträger habe ein bestimmtes Spektrum an sinnvollen Einsatzgebieten. Und dieses Spektrum, so der Experte, sei beim Transport zu Wasser sehr klein, „schon allein deshalb, weil die möglichen Linien auf Wasserwege begrenzt sind“.
In gewissen Fällen jedoch könnten Schnellboote oder Fähren ihre Vorteile ausspielen. „Manchmal ist der Weg auf dem Wasser viel kürzer und schneller als der Landweg. Dies ist insbesondere in Orten der Fall, die von Schären, Inseln und Flüssen geprägt sind, ohne dass es genügend Brücken gibt“, so Pawel Kusin. Die Topografie Moskaus spreche daher eigentlich nicht dafür. Allerdings gebe es einige Stellen, an denen tatsächlich der Weg zur nächsten Brücke so weit sei, dass der Wasserweg sehr attraktiv werden könnte. Er nennt etwa die Verbindungen von Petschatniki nach Nagatino oder von Serebrjanyj Bor nach Troize-Lykowo. „Auf der letzteren befördern übrigens illegale Boote, die Moskauer für hundert Rubel über den Fluss bringen, an Wochenenden fast durchgehend“, erzählt er. Das allein zeige schon, dass ein Bedarf bestehe.
Wie bald kann man also damit rechnen, dass Schnellboote im Takt auf der Moskwa pendeln? Eigentlich sei das schon in diesem Jahr geplant gewesen, sagt Kusins Universitätskollege Pawel Jegorow, stellvertretender Direktor des Instituts für Management und digitale Technologien. Durch die Pandemie habe sich der Zeitplan jedoch verschoben. Mit etwas Glück und einer „einfachen“ Infrastruktur könne aber der Verkehr durchaus in einem Jahr aufgenommen werden.
Die Auswahl und Beschaffung der geeigneten Boote seien dabei die geringsten Probleme. Die bunte Flotte, die das Unternehmen Radisson seit jüngster Zeit im Einsatz habe, sei etwa geeignet. „Das sind kleine, preiswerte Schnellboote mit einer Höchstgeschwindigkeit von 26 km/h, Schiebedach und Platz für 44 Personen“, so Pawel Jegorow. Schwieriger sei die Frage der Infrastruktur. „Ein Teil der Anlegestellen ist vorhanden, aber andere müssen überhaupt erst einmal gebaut werden“, so der Fachmann. Außerdem fehle es oft an Verknüpfungen mit anderen Verkehrsmitteln. „Dies ist umso schwieriger, als der Fluss in Moskau nie als Verkehrsader betrachtet wurde und das Straßennetz nicht gerade darauf ausgerichtet ist, Passagiere ans Ufer zu bringen. Ganz im Gegenteil – es gibt dort oft nichts und niemanden, den man befördern kann.“
Die Experten gehen daher davon aus, dass es zwar durchaus sinnvolle Einsatzgebiete für Fluss-Trams in Moskau gibt, diese jedoch sehr begrenzt sind. „Der Hauptstrom des Verkehrs zu Wasser wird von einem zum anderen Ufer führen“, so Pawel Jegorow, „und das ist die Grundlage für die Planung solcher Linien.“ Einige solcher Verbindungen von Ufer zu Ufer sind in den vorgestellten Linienentwürfen enthalten. Vielleicht ist Moskau schon bald um ein Nahverkehrsmittel reicher.
Geschäftsreise und Kultur: Per Schnellboot zur Arbeit
An Bootsverkehr auf der Moskwa mangelt es im Sommer eigentlich nicht. Unterwegs damit sind allerdings nur Touristen auf Sightseeing-Tour. Das könnte sich bald ändern. Die Stadt hat bereits detaillierte Pläne für Schnellbootlinien als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr.
Mit der Trojka-Karte einchecken und per Schnellboot zur Arbeit pendeln – das ist die Vision von Moskaus Verkehrsbürgermeister Maxim Liksutow. „Ich denke, es gibt keinen Zweifel mehr, Moskau braucht den Fluss als Verkehrsweg“, sagte er im September anlässlich der Wiedereröffnung von Moskaus Nördlichem Flussbahnhof. Die Moskwa werde schon bald in den öffentlichen Nahverkehr der Stadt einbezogen. In vielen modernen Metropolen der Welt seien Schnellboote erfolgreich im Einsatz, etwa in Istanbul, Hongkong, London und New York, so der Politiker.
Er stellte ein Konzept für eine „Fluss-Tram“ vor, das von der Higher School of Economics entwickelt wurde. Die Schnellboote sollen voll in das Nahverkehrssystem integriert werden, mit Umsteigepunkten und einem eng getakteten Fahrplan, im Sommer wie im Winter. Wie in Bus und Bahn soll mit der Trojka-Karte bezahlt werden können. Die Boote sollen anderen Verkehrsmitteln in Sachen Komfort nicht unterlegen sein, so Maxim Liksutow. Die Fachleute der Universität haben verschiedene Linienvarianten untersucht, von denen zwei als besonders erfolgversprechend gelten. Die erste Route soll vom Fili-Park zum Kiewer Bahnhof führen, einem großen Verkehrsknoten im Südwesten der Stadt. In diesem Abschnitt der Moskwa entstehen im Zusammenhang mit dem Projekt Bolschoj City derzeit neue Wohngebiete auf Industriebrachen. Die Verkehrserschließung der Gegend ist ein heiß diskutiertes Thema. „Stellen Sie sich vor, Sie gehen aus dem Haus und können sich darauf verlassen, dass alle vier bis zehn Minuten eine bequeme Fluss-Tram vom modernen Pier abfährt, die Sie in die Stadt bringt“, schwärmte der Verkehrsbürgermeister.
Die zweite vorgeschlagene Linie soll im Südosten der Stadt verlaufen, von der Awtosawodskij-Brücke bis nach Petschatniki. Auch hier entsteht gerade mit dem ZIL-Komplex ein ganzer neuer Stadtteil auf dem Gelände eines einstigen Automobilwerks. Zudem liegen hier der Freizeitpark Ostrow Metschty und der Südliche Flussbahnhof, der nun ebenfalls saniert werden soll. Maxim Liksutow sieht nicht nur Bedarf für den Verkehr entlang des Flusses, sondern auch von einem Ufer zum anderen.
Gerade dort erwartet auch Pawel Kusin ein ernst zu nehmendes Potenzial für den Nahverkehr zu Wasser. Er ist Ingenieur am Wissenschafts- und Bildungszentrum für integrierte Verkehrsforschung an der Russischen Universität für Verkehrswesen (MIIT) in Moskau. Gegenüber der MDZ erklärt er, jeder Verkehrsträger habe ein bestimmtes Spektrum an sinnvollen Einsatzgebieten. Und dieses Spektrum, so der Experte, sei beim Transport zu Wasser sehr klein, „schon allein deshalb, weil die möglichen Linien auf Wasserwege begrenzt sind“.
In gewissen Fällen jedoch könnten Schnellboote oder Fähren ihre Vorteile ausspielen. „Manchmal ist der Weg auf dem Wasser viel kürzer und schneller als der Landweg. Dies ist insbesondere in Orten der Fall, die von Schären, Inseln und Flüssen geprägt sind, ohne dass es genügend Brücken gibt“, so Pawel Kusin. Die Topografie Moskaus spreche daher eigentlich nicht dafür. Allerdings gebe es einige Stellen, an denen tatsächlich der Weg zur nächsten Brücke so weit sei, dass der Wasserweg sehr attraktiv werden könnte. Er nennt etwa die Verbindungen von Petschatniki nach Nagatino oder von Serebrjanyj Bor nach Troize-Lykowo. „Auf der letzteren befördern übrigens illegale Boote, die Moskauer für hundert Rubel über den Fluss bringen, an Wochenenden fast durchgehend“, erzählt er. Das allein zeige schon, dass ein Bedarf bestehe.
Wie bald kann man also damit rechnen, dass Schnellboote im Takt auf der Moskwa pendeln? Eigentlich sei das schon in diesem Jahr geplant gewesen, sagt Kusins Universitätskollege Pawel Jegorow, stellvertretender Direktor des Instituts für Management und digitale Technologien. Durch die Pandemie habe sich der Zeitplan jedoch verschoben. Mit etwas Glück und einer „einfachen“ Infrastruktur könne aber der Verkehr durchaus in einem Jahr aufgenommen werden.
Die Auswahl und Beschaffung der geeigneten Boote seien dabei die geringsten Probleme. Die bunte Flotte, die das Unternehmen Radisson seit jüngster Zeit im Einsatz habe, sei etwa geeignet. „Das sind kleine, preiswerte Schnellboote mit einer Höchstgeschwindigkeit von 26 km/h, Schiebedach und Platz für 44 Personen“, so Pawel Jegorow. Schwieriger sei die Frage der Infrastruktur. „Ein Teil der Anlegestellen ist vorhanden, aber andere müssen überhaupt erst einmal gebaut werden“, so der Fachmann. Außerdem fehle es oft an Verknüpfungen mit anderen Verkehrsmitteln. „Dies ist umso schwieriger, als der Fluss in Moskau nie als Verkehrsader betrachtet wurde und das Straßennetz nicht gerade darauf ausgerichtet ist, Passagiere ans Ufer zu bringen. Ganz im Gegenteil – es gibt dort oft nichts und niemanden, den man befördern kann.“
Die Experten gehen daher davon aus, dass es zwar durchaus sinnvolle Einsatzgebiete für Fluss-Trams in Moskau gibt, diese jedoch sehr begrenzt sind. „Der Hauptstrom des Verkehrs zu Wasser wird von einem zum anderen Ufer führen“, so Pawel Jegorow, „und das ist die Grundlage für die Planung solcher Linien.“ Einige solcher Verbindungen von Ufer zu Ufer sind in den vorgestellten Linienentwürfen enthalten. Vielleicht ist Moskau schon bald um ein Nahverkehrsmittel reicher.
Jiří Hönes, Moskauer Deutsche Zeitung