Wir sprechen mit Dominik Trayer, Leiter der KfW IPEX-Bank in Russland und der GUS, über die Herausforderungen der internationalen Projekt- und Exportfinanzierung, Besonderheiten der russischen Lokalisierungspolitik und realistische Konsequenzen der Corona-Pandemie.
Herr Trayer, in Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz davon ab, ob sich heimische Produkte und Dienstleistungen international durchsetzen können. Wie unterstützt die KfW IPEX-Bank die deutsche Wirtschaft im Bereich Export?
Wir unterstützen die deutsche Wirtschaft im Bereich Export, indem wir den Abnehmern deutscher Produkte im Investitionsgüterbereich langfristige Darlehen anbieten. In der Regel nutzen wir dafür eine sogenannte ECA-Finanzierung (Export Credit Agency), für deutsche Exporte ist das die Hermes-Deckung. Damit stehen wir in Konkurrenz zu anderen Staaten. Die meisten größeren Industrienationen unterstützen ihre Unternehmen in irgendeiner Form. Oft wird in den Zielmärkten sogar erwartet, dass eine Finanzierung mitgebracht wird.
Sie sind im vergangenen Jahr als Leiter der KfW IPEX-Repräsentanz nach Moskau gekommen. Gehört Russland zu den Ländern, in denen es besonders kritisch ist zu investieren und wenn ja, warum?
Der Rechtsrahmen ist an manchen Stellen weniger präzise, weshalb eine gute „Due Dilligence“ und ggf. eine politische Risikodeckung (DiA-Deckung für Deutsche Investoren) eine große Rolle bei der Investitionsentscheidung spielen. Natürlich muss bei einer Investitionsentscheidung auch die Volatilität der russischen Währung und die Konkurrenzsituation vor Ort berücksichtigt werden.
Beobachten Sie in Russland landestypische administrative Hindernisse? Kommt es in Ihrem Berufsalltag zu Problemen mit den berüchtigten Mentalitätsunterschieden, wie z. B. unterschiedlichen Zeitvorstellungen?
Die meisten unserer Kunden sind große Unternehmen mit einer internationalen Ausrichtung. Sie sind auf dem gleichen Professionalitätslevel wie Unternehmen in Westeuropa oder Nordamerika. In der Zusammenarbeit mit ihnen kann man deshalb kaum Unterschiede feststellen. Vielleicht sind die Russen aber etwas spontaner und kurzentschlossener als wir Deutschen. Ich sehe diese Eigenschaft aber eher positiv.
Wo man tatsächlich Unterschiede feststellen kann, ist im administrativen Bereich. Allein um den eigenen Betrieb am Laufen zu halten, sind diverse Notarbesuche und die Ausstellung unzähliger Vollmachten erforderlich. Hier empfinde ich Russland sogar im Vergleich zu Deutschland als deutlich dokumentenlastiger. Aber ich betone noch einmal, dass die Zusammenarbeit mit den Kunden hat einen sehr ähnlichen Professionalitätsgrad wie im Westen.
Inwiefern stellen politische Krisen wie die aktuelle zwischen Deutschland und Russland ein besonderes Geschäftsrisiko für deutsche Unternehmen dar?
Zunächst einmal gibt es das Offensichtliche: Sanktionen und Gegensanktionen. Diese können auch das beste Business-Modell über den Haufen werfen. Und dabei muss man als Unternehmen von den Sanktionen nicht einmal direkt betroffen sein. Allein der Nachweis dessen, dass man sich stets im Rahmen des Erlaubten bewegt, erfordert schon einen hohen administrativen Aufwand und stellt damit ein Risiko dar. Darüber hinaus, und das ist eher ein Soft-Faktor, nimmt durch die Spannungen auch das Interesse an einer Zusammenarbeit deutlich ab. Eine geringere Anzahl an Reisen führt zu weniger Austausch und weniger Geschäftsanbahnungen. Bestimmte Geschäftsmöglichkeiten werden deshalb leider entweder später oder gar nicht erkannt.
In Russland wird viel über Lokalisierung gesprochen. Die russische Regierung verfolgt dabei das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“– es gibt viele Anreize, aber auch hohe Anforderungen an interessierte Firmen. Wann lohnt sich für ein deutsches Unternehmen ein Produktionsaufbau in Russland?
Generell hängt es auch davon ab, aus welcher Branche die Unternehmen kommen, ob es einen lokal produzierenden Wettbewerber gibt und wie preissensitiv die Kunden sind. Eine wichtige Frage, die sich jedes Unternehmen stellen sollte, ist, wie groß der russische Markt bzw. der EAWU-Markt für das eigene Unternehmen tatsächlich ist. Auch sollte man das Thema „Öffentliche Aufträge“ und den Zugang zu diesen nicht außen vor lassen.
Wir haben Kunden, die ihre Produktion in Russland vor der Einführung der Sonderinvestitionsverträge (SPIK) lokalisiert haben und mit der Entscheidung hochzufrieden sind. Mit SPIK sind die Anforderungen an die Lokalisierung jedoch deutlich gewachsen, weshalb sich viele Unternehmen die Frage stellen, ob sie diese mittel- und langfristig erfüllen können. Dies ist aber wie gesagt von Branche zu Branche sehr unterschiedlich.
Ein anderes interessantes Thema ist aus meiner Sicht der Export von Waren aus Russland heraus. Wegen der Abwertung des Rubels kann es für viele westliche Unternehmen durchaus interessant sein, ihre Produkte in Drittstaaten zu exportieren.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in Moskau zu Corona-Zeiten aus? Gibt es trotz Krise viele Anfragen für die Dienstleistungen Ihrer Bank?
Der Arbeitsalltag ist insofern eingeschränkt, als dass man weniger Kontakte wahrnehmen kann. Das betrifft uns besonders stark, weil wir die gesamte GUS von Moskau aus betreuen. In Russland hat man zwar den Vorteil, dass der Großteil der Business-Aktivitäten in Moskau und Sankt Petersburg konzentriert ist und die Wege deshalb kurz sind, aber zu vielen Kunden in der GUS-Region hat man leider nur noch einen telefonischen Kontakt. Insbesondere im Falle von komplexeren Sachverhalten kann dies die Verhandlungen deutlich erschweren.
Was konkrete Projekte angeht ist es so, dass wir zumeist sehr früh in die Investitionsplanung, zum Beispiel beim Bau eines neuen Werkes, eingebunden werden. Dies sind zumeist sehr langfristige Planungen, weshalb die meisten Projekte, die bereits gestartet worden sind, auch in der Krise weitergeführt werden. Manchmal mit kleineren Verzögerungen. Einige Projekte, u. a. im Gesundheitssektor oder beim Ausbau der digitalen Infrastruktur, haben durch die Krise sogar neuen Schwung bekommen.
De Fragen stellten Dimitri Kling und Frank Ebbecke.
Interview: „Je komplexer das Produkt, desto herausfordernder die Lokalisierung“
Wir sprechen mit Dominik Trayer, Leiter der KfW IPEX-Bank in Russland und der GUS, über die Herausforderungen der internationalen Projekt- und Exportfinanzierung, Besonderheiten der russischen Lokalisierungspolitik und realistische Konsequenzen der Corona-Pandemie.
Herr Trayer, in Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz davon ab, ob sich heimische Produkte und Dienstleistungen international durchsetzen können. Wie unterstützt die KfW IPEX-Bank die deutsche Wirtschaft im Bereich Export?
Wir unterstützen die deutsche Wirtschaft im Bereich Export, indem wir den Abnehmern deutscher Produkte im Investitionsgüterbereich langfristige Darlehen anbieten. In der Regel nutzen wir dafür eine sogenannte ECA-Finanzierung (Export Credit Agency), für deutsche Exporte ist das die Hermes-Deckung. Damit stehen wir in Konkurrenz zu anderen Staaten. Die meisten größeren Industrienationen unterstützen ihre Unternehmen in irgendeiner Form. Oft wird in den Zielmärkten sogar erwartet, dass eine Finanzierung mitgebracht wird.
Sie sind im vergangenen Jahr als Leiter der KfW IPEX-Repräsentanz nach Moskau gekommen. Gehört Russland zu den Ländern, in denen es besonders kritisch ist zu investieren und wenn ja, warum?
Der Rechtsrahmen ist an manchen Stellen weniger präzise, weshalb eine gute „Due Dilligence“ und ggf. eine politische Risikodeckung (DiA-Deckung für Deutsche Investoren) eine große Rolle bei der Investitionsentscheidung spielen. Natürlich muss bei einer Investitionsentscheidung auch die Volatilität der russischen Währung und die Konkurrenzsituation vor Ort berücksichtigt werden.
Beobachten Sie in Russland landestypische administrative Hindernisse? Kommt es in Ihrem Berufsalltag zu Problemen mit den berüchtigten Mentalitätsunterschieden, wie z. B. unterschiedlichen Zeitvorstellungen?
Die meisten unserer Kunden sind große Unternehmen mit einer internationalen Ausrichtung. Sie sind auf dem gleichen Professionalitätslevel wie Unternehmen in Westeuropa oder Nordamerika. In der Zusammenarbeit mit ihnen kann man deshalb kaum Unterschiede feststellen. Vielleicht sind die Russen aber etwas spontaner und kurzentschlossener als wir Deutschen. Ich sehe diese Eigenschaft aber eher positiv.
Wo man tatsächlich Unterschiede feststellen kann, ist im administrativen Bereich. Allein um den eigenen Betrieb am Laufen zu halten, sind diverse Notarbesuche und die Ausstellung unzähliger Vollmachten erforderlich. Hier empfinde ich Russland sogar im Vergleich zu Deutschland als deutlich dokumentenlastiger. Aber ich betone noch einmal, dass die Zusammenarbeit mit den Kunden hat einen sehr ähnlichen Professionalitätsgrad wie im Westen.
Inwiefern stellen politische Krisen wie die aktuelle zwischen Deutschland und Russland ein besonderes Geschäftsrisiko für deutsche Unternehmen dar?
Zunächst einmal gibt es das Offensichtliche: Sanktionen und Gegensanktionen. Diese können auch das beste Business-Modell über den Haufen werfen. Und dabei muss man als Unternehmen von den Sanktionen nicht einmal direkt betroffen sein. Allein der Nachweis dessen, dass man sich stets im Rahmen des Erlaubten bewegt, erfordert schon einen hohen administrativen Aufwand und stellt damit ein Risiko dar. Darüber hinaus, und das ist eher ein Soft-Faktor, nimmt durch die Spannungen auch das Interesse an einer Zusammenarbeit deutlich ab. Eine geringere Anzahl an Reisen führt zu weniger Austausch und weniger Geschäftsanbahnungen. Bestimmte Geschäftsmöglichkeiten werden deshalb leider entweder später oder gar nicht erkannt.
In Russland wird viel über Lokalisierung gesprochen. Die russische Regierung verfolgt dabei das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“– es gibt viele Anreize, aber auch hohe Anforderungen an interessierte Firmen. Wann lohnt sich für ein deutsches Unternehmen ein Produktionsaufbau in Russland?
Generell hängt es auch davon ab, aus welcher Branche die Unternehmen kommen, ob es einen lokal produzierenden Wettbewerber gibt und wie preissensitiv die Kunden sind. Eine wichtige Frage, die sich jedes Unternehmen stellen sollte, ist, wie groß der russische Markt bzw. der EAWU-Markt für das eigene Unternehmen tatsächlich ist. Auch sollte man das Thema „Öffentliche Aufträge“ und den Zugang zu diesen nicht außen vor lassen.
Wir haben Kunden, die ihre Produktion in Russland vor der Einführung der Sonderinvestitionsverträge (SPIK) lokalisiert haben und mit der Entscheidung hochzufrieden sind. Mit SPIK sind die Anforderungen an die Lokalisierung jedoch deutlich gewachsen, weshalb sich viele Unternehmen die Frage stellen, ob sie diese mittel- und langfristig erfüllen können. Dies ist aber wie gesagt von Branche zu Branche sehr unterschiedlich.
Ein anderes interessantes Thema ist aus meiner Sicht der Export von Waren aus Russland heraus. Wegen der Abwertung des Rubels kann es für viele westliche Unternehmen durchaus interessant sein, ihre Produkte in Drittstaaten zu exportieren.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in Moskau zu Corona-Zeiten aus? Gibt es trotz Krise viele Anfragen für die Dienstleistungen Ihrer Bank?
Der Arbeitsalltag ist insofern eingeschränkt, als dass man weniger Kontakte wahrnehmen kann. Das betrifft uns besonders stark, weil wir die gesamte GUS von Moskau aus betreuen. In Russland hat man zwar den Vorteil, dass der Großteil der Business-Aktivitäten in Moskau und Sankt Petersburg konzentriert ist und die Wege deshalb kurz sind, aber zu vielen Kunden in der GUS-Region hat man leider nur noch einen telefonischen Kontakt. Insbesondere im Falle von komplexeren Sachverhalten kann dies die Verhandlungen deutlich erschweren.
Was konkrete Projekte angeht ist es so, dass wir zumeist sehr früh in die Investitionsplanung, zum Beispiel beim Bau eines neuen Werkes, eingebunden werden. Dies sind zumeist sehr langfristige Planungen, weshalb die meisten Projekte, die bereits gestartet worden sind, auch in der Krise weitergeführt werden. Manchmal mit kleineren Verzögerungen. Einige Projekte, u. a. im Gesundheitssektor oder beim Ausbau der digitalen Infrastruktur, haben durch die Krise sogar neuen Schwung bekommen.
De Fragen stellten Dimitri Kling und Frank Ebbecke.