Simon Reimer, Russland-Chef von Duravit, einem traditionsreichen deutschen Hersteller von Sanitärkeramik, spricht über Entwicklungen in der russischen Baubranche, die Konkurrenzsituation und die Anspruchsunterschiede von Deutschen und Russen.
Trotz der Corona-Pandemie boomt in Russland die Baubrache, insbesondere im Bereich des Privatwohnungsbaus. Wie wirkt sich dieser Trend auf Ihr Geschäft aus?
Hierfür muss man den Privatwohnungsbau zunächst in verschiedene Segmente unterteilen. Die großen russischen Developer bauen relativ kostengünstige Wohnungen überwiegend für den Otto-Normalverbraucher, der in der Regel eine Hypothek aufnehmen muss, um ein Wohnungsprojekt zu finanzieren. Das ist nicht ganz unsere Klientel. Daneben gibt es Wohnungsprojekte, die im Business- und Premiumbereich angesiedelt sind. Hier werden viele Wohnungen bereits fertig ausgestattet verkauft. Dieses Modell bietet uns ein größeres Potenzial, insbesondere wenn wir mit dem Developer einen Vertrag über mehrere Hundert oder sogar Tausend Einheiten abschließen können.
Insgesamt profitieren wir aber vom momentanen Bauboom in Russland. Die sinkenden Zinsen auf Immobilienkredite machen vielen Russen den Wohnungskauf erst erschwinglich. Folgerichtig ist die Anzahl der ausgegebenen Hypotheken im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent gestiegen. Zwar haben die russischen Developer nicht immer Verständnis dafür, dass hochwertige Keramiken auch einen entsprechenden Preis haben und versuchen, an allen Ecken und Enden zu sparen. Aber immer dann, wenn die Objekte mit einem qualitativ hochwertigen Fit-out angeboten werden, gehören wir zu den Nutznießern.
Konzentriert sich Ihr Geschäft auf die beiden „Hauptstädte“ Moskau und Sankt Petersburg oder sind hochwertige Badezimmereinrichtungen flächendeckend nachgefragt?
Einen Großteil der Umsätze machen wir in Moskau. Auf dem zweiten Platz folgt Sankt Petersburg, wo wir aufgrund einer sehr guten Vertriebsstruktur sehr gut aufgestellt sind. Unser drittwichtigster Absatzmarkt ist vielleicht etwas überraschend das südrussische Krasnodar und die umliegende Schwarzmeerregion. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich viele Russen aus den kälteren Regionen des Landes gerne in dieser klimatisch angenehmeren Gegend zur Ruhe setzen und bereit sind, größere Summen in die Ausstattung ihrer „Alterssitze“ zu investieren. Entsprechend bauen wir in der Region aktuell unser Vertriebsnetz aus. Was den übrigen Teil von Russland, inklusive der Millionenstädte, angeht, ist die Nachfrage nach hochwertigen Sanitäreinrichtungen momentan noch eher gering. Dies hängt unmittelbar mit der Einkommenssituation der dortigen Bevölkerung zusammen.
Werden alle Ihre Produkte importiert oder haben Sie in Russland eine lokalisierte Produktion aufgebaut?
Nein, Lokalisierung ist für uns derzeit kein Thema. Hätte sich die Marktsituation wie seit Beginn der 2000er-Jahre weiterhin positiv entwickelt – ohne die beiden Krisen 2008 und 2014 – hätte man ggf. über eine Produktion in Russland nachdenken können.
Wie stellt sich die Konkurrenzsituation auf dem russischen Markt derzeit dar? Sind russische Unternehmen auf dem Vormarsch?
Nach der Öffnung zu Beginn der 1990er-Jahre haben sich sehr viele internationale Hersteller in Russland niedergelassen und waren über Jahre sehr erfolgreich. Aktuell sind es zwar nicht die besten Zeiten um zu wachsen, aber die meisten Hersteller halten dem russischen Markt dennoch die Treue. Entsprechend hoch ist die Wettbewerbsintensität. Neben deutschen Unternehmen haben wir hier viele Anbieter aus der Türkei, Polen, Italien, Spanien und mittlerweile auch aus Russland. Letztere nutzen die gleichen Technologien und Maschinen und beziehen ihre Produkte von den gleichen Zulieferern. Aufgrund der geringeren Produktionskosten vor Ort, können sie Badezimmermöbel jedoch entsprechend günstiger anbieten. Insbesondere im unteren Preissegment stellen russische Hersteller mittlerweile eine ernsthafte Konkurrenz dar. Als Duravit bieten wir unsere Produkte allerdings verstärkt im mittleren und höheren Preissegment an. Die Hauptkonkurrenten hier kommen zumeist aus Deutschland und Italien.
Gibt es Anspruchsunterschiede zwischen deutschen und russischen Kunden?
Was das Design angeht, haben sich die Ansprüche in Russland über die Jahre tatsächlich etwas gewandelt. Hatten die Russen in den 1990er- und 2000er-Jahren noch mehr Wert darauf gelegt, durch aufwendig gestaltete und entsprechend teure Badezimmermöbel ihren gesellschaftlichen Status zu demonstrieren, passt man sich heute mehr den globalen Trends an. Die Erklärung ist relativ simpel: Die Russen sind mehr gereist und konnten sich so mit Badezimmereinrichtungen in Top-Hotels und Restaurants vertraut machen. Dadurch setzte sich in Russland mehr und mehr ein eher minimalistischer und schlichter Stil durch. Aber dieser Trend gilt nach wie vor eher für die jüngere Generation. Viele ältere Russen setzten nach wie vor auf „klassische“ Badezimmereinrichtungen.
Grundsätzlich sind hierzulande noch immer außergewöhnliche Oberflächen, Farben und Formen nachgefragt. Was den Anspruch an Service und Qualität angeht, so sind die russischen Konsumenten deutlich fordernder als z. B. die deutschen. Das Label „Made in Germany“ ist in Russland Anspruch und Versprechen zugleich.
In Russland gibt es einen relativ großen Renovierungsnachholbedarf, der sich auch auf Basiseinrichtungen wie Küche und Bad konzentriert. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die zukünftige Marktentwicklung ein?
Unseren Informationen nach stagniert der Markt für Sanitäreinrichtungen in Russland derzeit ein wenig. Zwar gab es im vergangenen Jahr ein leichtes Wachstum, aber dieses bewegte sich im Bereich von 0,2 bis 0,5 Prozent. Tendenziell ist ein größeres Wachstum zukünftig eher in den niedrigeren Preissegmenten zu erwarten. Auch als Duravit müssen wir uns diesem Trend anpassen und tun dies auch. Um unsere Produkte im russischen Markt weiterzuentwickeln, stellen wir in Kürze eine neue Produktserie vor, die unsere Marke erschwinglicher machen und verstärkt junge Menschen und jungen Familien ansprechen soll.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.
Interview: Simon Reimer – „Russen passen sich mehr und mehr globalen Trends an“
Simon Reimer, Russland-Chef von Duravit, einem traditionsreichen deutschen Hersteller von Sanitärkeramik, spricht über Entwicklungen in der russischen Baubranche, die Konkurrenzsituation und die Anspruchsunterschiede von Deutschen und Russen.
Trotz der Corona-Pandemie boomt in Russland die Baubrache, insbesondere im Bereich des Privatwohnungsbaus. Wie wirkt sich dieser Trend auf Ihr Geschäft aus?
Hierfür muss man den Privatwohnungsbau zunächst in verschiedene Segmente unterteilen. Die großen russischen Developer bauen relativ kostengünstige Wohnungen überwiegend für den Otto-Normalverbraucher, der in der Regel eine Hypothek aufnehmen muss, um ein Wohnungsprojekt zu finanzieren. Das ist nicht ganz unsere Klientel. Daneben gibt es Wohnungsprojekte, die im Business- und Premiumbereich angesiedelt sind. Hier werden viele Wohnungen bereits fertig ausgestattet verkauft. Dieses Modell bietet uns ein größeres Potenzial, insbesondere wenn wir mit dem Developer einen Vertrag über mehrere Hundert oder sogar Tausend Einheiten abschließen können.
Insgesamt profitieren wir aber vom momentanen Bauboom in Russland. Die sinkenden Zinsen auf Immobilienkredite machen vielen Russen den Wohnungskauf erst erschwinglich. Folgerichtig ist die Anzahl der ausgegebenen Hypotheken im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent gestiegen. Zwar haben die russischen Developer nicht immer Verständnis dafür, dass hochwertige Keramiken auch einen entsprechenden Preis haben und versuchen, an allen Ecken und Enden zu sparen. Aber immer dann, wenn die Objekte mit einem qualitativ hochwertigen Fit-out angeboten werden, gehören wir zu den Nutznießern.
Konzentriert sich Ihr Geschäft auf die beiden „Hauptstädte“ Moskau und Sankt Petersburg oder sind hochwertige Badezimmereinrichtungen flächendeckend nachgefragt?
Einen Großteil der Umsätze machen wir in Moskau. Auf dem zweiten Platz folgt Sankt Petersburg, wo wir aufgrund einer sehr guten Vertriebsstruktur sehr gut aufgestellt sind. Unser drittwichtigster Absatzmarkt ist vielleicht etwas überraschend das südrussische Krasnodar und die umliegende Schwarzmeerregion. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich viele Russen aus den kälteren Regionen des Landes gerne in dieser klimatisch angenehmeren Gegend zur Ruhe setzen und bereit sind, größere Summen in die Ausstattung ihrer „Alterssitze“ zu investieren. Entsprechend bauen wir in der Region aktuell unser Vertriebsnetz aus. Was den übrigen Teil von Russland, inklusive der Millionenstädte, angeht, ist die Nachfrage nach hochwertigen Sanitäreinrichtungen momentan noch eher gering. Dies hängt unmittelbar mit der Einkommenssituation der dortigen Bevölkerung zusammen.
Werden alle Ihre Produkte importiert oder haben Sie in Russland eine lokalisierte Produktion aufgebaut?
Nein, Lokalisierung ist für uns derzeit kein Thema. Hätte sich die Marktsituation wie seit Beginn der 2000er-Jahre weiterhin positiv entwickelt – ohne die beiden Krisen 2008 und 2014 – hätte man ggf. über eine Produktion in Russland nachdenken können.
Wie stellt sich die Konkurrenzsituation auf dem russischen Markt derzeit dar? Sind russische Unternehmen auf dem Vormarsch?
Nach der Öffnung zu Beginn der 1990er-Jahre haben sich sehr viele internationale Hersteller in Russland niedergelassen und waren über Jahre sehr erfolgreich. Aktuell sind es zwar nicht die besten Zeiten um zu wachsen, aber die meisten Hersteller halten dem russischen Markt dennoch die Treue. Entsprechend hoch ist die Wettbewerbsintensität. Neben deutschen Unternehmen haben wir hier viele Anbieter aus der Türkei, Polen, Italien, Spanien und mittlerweile auch aus Russland. Letztere nutzen die gleichen Technologien und Maschinen und beziehen ihre Produkte von den gleichen Zulieferern. Aufgrund der geringeren Produktionskosten vor Ort, können sie Badezimmermöbel jedoch entsprechend günstiger anbieten. Insbesondere im unteren Preissegment stellen russische Hersteller mittlerweile eine ernsthafte Konkurrenz dar. Als Duravit bieten wir unsere Produkte allerdings verstärkt im mittleren und höheren Preissegment an. Die Hauptkonkurrenten hier kommen zumeist aus Deutschland und Italien.
Gibt es Anspruchsunterschiede zwischen deutschen und russischen Kunden?
Was das Design angeht, haben sich die Ansprüche in Russland über die Jahre tatsächlich etwas gewandelt. Hatten die Russen in den 1990er- und 2000er-Jahren noch mehr Wert darauf gelegt, durch aufwendig gestaltete und entsprechend teure Badezimmermöbel ihren gesellschaftlichen Status zu demonstrieren, passt man sich heute mehr den globalen Trends an. Die Erklärung ist relativ simpel: Die Russen sind mehr gereist und konnten sich so mit Badezimmereinrichtungen in Top-Hotels und Restaurants vertraut machen. Dadurch setzte sich in Russland mehr und mehr ein eher minimalistischer und schlichter Stil durch. Aber dieser Trend gilt nach wie vor eher für die jüngere Generation. Viele ältere Russen setzten nach wie vor auf „klassische“ Badezimmereinrichtungen.
Grundsätzlich sind hierzulande noch immer außergewöhnliche Oberflächen, Farben und Formen nachgefragt. Was den Anspruch an Service und Qualität angeht, so sind die russischen Konsumenten deutlich fordernder als z. B. die deutschen. Das Label „Made in Germany“ ist in Russland Anspruch und Versprechen zugleich.
In Russland gibt es einen relativ großen Renovierungsnachholbedarf, der sich auch auf Basiseinrichtungen wie Küche und Bad konzentriert. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die zukünftige Marktentwicklung ein?
Unseren Informationen nach stagniert der Markt für Sanitäreinrichtungen in Russland derzeit ein wenig. Zwar gab es im vergangenen Jahr ein leichtes Wachstum, aber dieses bewegte sich im Bereich von 0,2 bis 0,5 Prozent. Tendenziell ist ein größeres Wachstum zukünftig eher in den niedrigeren Preissegmenten zu erwarten. Auch als Duravit müssen wir uns diesem Trend anpassen und tun dies auch. Um unsere Produkte im russischen Markt weiterzuentwickeln, stellen wir in Kürze eine neue Produktserie vor, die unsere Marke erschwinglicher machen und verstärkt junge Menschen und jungen Familien ansprechen soll.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.