Nach jahrelangen Gesprächen haben die Außenminister von Iran und China in Teheran eine strategische Partnerschaft mit einer Laufzeit von 25 Jahren in Politik, Sicherheit und Wirtschaft unterzeichnet. Der wichtigste Teil des Abkommens – das keine kommerzielle Vereinbarung ist, sondern eher einen Fahrplan darstellt – dürfte zweifellos die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder sein.
Einer der wichtigsten Pfeiler der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Iran und China wird der Energiesektor sein. Der Iran ist weltweit der viertgrößte Ölproduzent und der zweitgrößte Gasproduzent, und China ist der größte Energieverbraucher. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch die Marktposition des Iran als Ölexporteur wegen der US-Sekundärsanktionen stark verschlechtert.
Wichtigste Säule der Zusammenarbeit: der Energiesektor Trotz dieser Sanktionen hat China im Gegensatz zu Europa die Ölimporte aus dem Iran nie vollständig gestoppt, allerdings stark reduziert. Aber selbst mit gelegentlich reduzierten Ölimporten war Peking Teherans Rettungsanker, um die Ölsanktionen zu umgehen. Dies war entscheidend, als sich die iranische Ölproduktion im Jahr 2020 auf nur noch zwei Millionen Barrel pro Tag halbierte. Im vergangenen Jahr importierte China durchschnittlich 306.000 bpd Rohöl aus dem Iran. Mit der Überwindung der Pandemie in China wächst nun auch die Nachfrage nach Öl. Die chinesischen Importe von iranischem Öl haben im März ein Niveau von 856.000 bpd erreicht, ein Anstieg von 129 Prozent gegenüber Februar.
China wird von iranischem Öl dank seiner niedrigen Kosten angezogen, die oft zwischen drei und fünf US-Dollar unter dem Brent-Benchmark liegen. Schon früher war das Land im Nahen Osten präsent. Jetzt engagiert sich China dort zunehmend und bemüht sich auch um eine kontinuierliche Energieversorgung in der Region. Mit dem nun unterzeichneten Abkommen verbinden beide Seiten bestimmte Absichten: China erhofft sich den langfristig vergünstigten Zugang zu den iranischen Energieressourcen, und der Iran verspricht sich einen langfristigen Zugang zum größten Energiemarkt, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Zusammenarbeit im Nichtöl-Sektor: Logistik, Infrastruktur und Automobilbau Auch die Zusammenarbeit außerhalb des Energiesektors war stets von Bedeutung für die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder. In den letzten zwei Jahrzehnten beteiligten sich chinesische Unternehmen am Ausbau von Infrastrukturen, und auch künftig werden Logistik- und Infrastrukturprojekte einen Großteil der Zusammenarbeit zwischen Peking und Teheran ausmachen. Zu nennen ist hier insbesondere das Megaprojekt Belt and Road Initiative, der Nord-Süd-Korridor und die geostrategisch wichtigen Makran-Küsten.
Der wichtigste Industriezweig für die künftige Zusammenarbeit im Nichtölsektor wird voraussichtlich die Automobilindustrie sein. Die Kooperationen in der Autobranche zwischen China und Iran liegen schon zwei Jahrzehnte zurück. Chinesische Autohersteller haben zum ersten Mal die große Lücke besetzt, die europäische und japanische Autohersteller nach der ersten Sanktionsrunde hinterlassen hatten.
Nach dem Atomabkommen im Jahr 2016 kehrten einige Automobilunternehmen in den Iran zurück. Aber nach dem einseitigen Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) verließen diese Unternehmen, darunter Volkswagen, Renault und Peugeot-Citroen, erneut den iranischen Markt; sogar größere chinesische Produzenten wie Brilliance und Geely, die umfangreiche finanzielle Beziehungen zu den USA und Europa unterhalten, stellten die Zusammenarbeit mit ihren Partnern im Iran ein. Kleinere chinesische Automobilhersteller sind jedoch noch immer auf dem iranischen Markt präsent und montieren dort in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern verschiedene Modelle.
Technologietransfer, gemeinsame Produktion, Know-how-Transfer für die Entwicklung von Plattformen und den Bau von Industriestätten für Kraftfahrzeuge und Zulieferindustrien sind die drei Hauptpfeiler der künftigen Zusammenarbeit. Wenn diese Ziele erreicht werden, wird sich die iranische Autoindustrie, die heute schon eine Produktionskapazität von 1,5 Millionen Pkw hat, stark verändern.
Direkte Investments sind Schlüsselaspekt Der Rückgang der Investitionen stellt eine der gravierendsten Krisen der iranischen Wirtschaft dar, die ohnehin schon unter Stagnation und chronischer Inflation leidet. Nun erhofft sich Iran durch diese strategische Partnerschaft mehr Direktinvestitionen aus China. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Hoffnung erfüllt. Bei der Zahl von 400 Milliarden US-Dollar chinesischer Investitionen in den nächsten 25 Jahren, die in zahlreichen Medienberichten auftaucht, handelt es sich nur um Gerüchte, ein derartiges Investitionsvolumen wird in keinem der offiziellen Dokumente erwähnt. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es bisher keine einzige große chinesische Infrastrukturinvestition im Iran gegeben hat, erscheint diese Summe als sehr unrealistisch.
Teheran hatte sich immer Direktinvestitionen von westlichen Unternehmen erhofft, insbesondere nach dem Atomabkommen von 2016. Diese Chance wurde aber mit dem einseitigen Ausstieg der USA aus der Vereinbarung und dem Rückzug der europäischen Unternehmen aus Angst vor den US-Sekundärsanktionen verpasst. Infolgedessen hat sich der Iran immer mehr nach Osten gedreht.
China wichtigster Handelspartner In den vergangenen zehn Jahren hat China Europa als den größten Exporteur in den Iran abgelöst. Zwar ist das Handelsvolumen des Irans mit seinem wichtigsten Handelspartner im Jahr 2020 um 35 Prozent zurückgegangen, es belief sich aber trotzdem – Ölimporte nicht eingerechnet – auf umgerechnet 12,6 Milliarden Euro. Das ist ungefähr dreimal so viel wie der gesamte Außenhandel der 27 EU-Staaten mit dem Iran (4,5 Mrd. Euro). 2018 betrug das gesamte chinesisch-iranische Außenhandelsvolumen noch 35 Milliarden US-Dollar.
Dennoch bleibt die EU ein wichtiger Handelspartner für den Iran, vor allem wenn man bedenkt, dass mehr als ein Drittel der Exporte in den Iran aus Kapitalgütern und Halbfabrikaten besteht, insbesondere aus Maschinen, die für die iranische Industrie entscheidend sind.
Warum China? Für den Iran ist es ein Novum. Das Land am Persischen Golf hatte bisher keinen strategischen Partner. Die Volksrepublik China unterhält aber mit mehr als 70 Ländern strategische Beziehungen. Bilatelare Strategieabkommen sind ein übliches Instrument in der chinesischen Außenpolitik. Selbst westliche Länder wie Japan, Südkorea, Australien, Singapur und Neuseeland haben sich erstmals mit China verbündet und im November 2020 mit dem RCEP-Abkommen die wirtschaftsstärkste Freihandelszone der Welt geschaffen. Und auch die EU hat Ende des vergangenen Jahres die Verhandlungen mit China für das Investitionsabkommen (CAI) abgeschlossen.
Es bleibt abzuwarten, wie Iran und China das jetzt unterzeichnete Abkommen umsetzen. Noch sind keine Details veröffentlicht. Tatsache ist aber, dass Iran in einer Zeit, in der seine und sogar Chinas eigene Rivalen strategische Beziehungen zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht in Asien aufbauen, die „Karawane nicht verpassen“ will – so wie es ein persisches Sprichwort treffend beschreibt.
Amir Alizadeh
Amir Alizadeh, ehemaliger stellv. Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer und Chefredakteur des Außenwirtschaftsmagazins IranContact, ist Mitglied der Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens Maleki Corporate Group in Frankfurt am Main.
Die Karawane nicht verpassen
Nach jahrelangen Gesprächen haben die Außenminister von Iran und China in Teheran eine strategische Partnerschaft mit einer Laufzeit von 25 Jahren in Politik, Sicherheit und Wirtschaft unterzeichnet. Der wichtigste Teil des Abkommens – das keine kommerzielle Vereinbarung ist, sondern eher einen Fahrplan darstellt – dürfte zweifellos die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder sein.
Einer der wichtigsten Pfeiler der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Iran und China wird der Energiesektor sein. Der Iran ist weltweit der viertgrößte Ölproduzent und der zweitgrößte Gasproduzent, und China ist der größte Energieverbraucher. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch die Marktposition des Iran als Ölexporteur wegen der US-Sekundärsanktionen stark verschlechtert.
Wichtigste Säule der Zusammenarbeit: der Energiesektor
Trotz dieser Sanktionen hat China im Gegensatz zu Europa die Ölimporte aus dem Iran nie vollständig gestoppt, allerdings stark reduziert. Aber selbst mit gelegentlich reduzierten Ölimporten war Peking Teherans Rettungsanker, um die Ölsanktionen zu umgehen. Dies war entscheidend, als sich die iranische Ölproduktion im Jahr 2020 auf nur noch zwei Millionen Barrel pro Tag halbierte. Im vergangenen Jahr importierte China durchschnittlich 306.000 bpd Rohöl aus dem Iran. Mit der Überwindung der Pandemie in China wächst nun auch die Nachfrage nach Öl. Die chinesischen Importe von iranischem Öl haben im März ein Niveau von 856.000 bpd erreicht, ein Anstieg von 129 Prozent gegenüber Februar.
China wird von iranischem Öl dank seiner niedrigen Kosten angezogen, die oft zwischen drei und fünf US-Dollar unter dem Brent-Benchmark liegen. Schon früher war das Land im Nahen Osten präsent. Jetzt engagiert sich China dort zunehmend und bemüht sich auch um eine kontinuierliche Energieversorgung in der Region. Mit dem nun unterzeichneten Abkommen verbinden beide Seiten bestimmte Absichten: China erhofft sich den langfristig vergünstigten Zugang zu den iranischen Energieressourcen, und der Iran verspricht sich einen langfristigen Zugang zum größten Energiemarkt, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Zusammenarbeit im Nichtöl-Sektor: Logistik, Infrastruktur und Automobilbau
Auch die Zusammenarbeit außerhalb des Energiesektors war stets von Bedeutung für die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder. In den letzten zwei Jahrzehnten beteiligten sich chinesische Unternehmen am Ausbau von Infrastrukturen, und auch künftig werden Logistik- und Infrastrukturprojekte einen Großteil der Zusammenarbeit zwischen Peking und Teheran ausmachen. Zu nennen ist hier insbesondere das Megaprojekt Belt and Road Initiative, der Nord-Süd-Korridor und die geostrategisch wichtigen Makran-Küsten.
Der wichtigste Industriezweig für die künftige Zusammenarbeit im Nichtölsektor wird voraussichtlich die Automobilindustrie sein. Die Kooperationen in der Autobranche zwischen China und Iran liegen schon zwei Jahrzehnte zurück. Chinesische Autohersteller haben zum ersten Mal die große Lücke besetzt, die europäische und japanische Autohersteller nach der ersten Sanktionsrunde hinterlassen hatten.
Nach dem Atomabkommen im Jahr 2016 kehrten einige Automobilunternehmen in den Iran zurück. Aber nach dem einseitigen Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) verließen diese Unternehmen, darunter Volkswagen, Renault und Peugeot-Citroen, erneut den iranischen Markt; sogar größere chinesische Produzenten wie Brilliance und Geely, die umfangreiche finanzielle Beziehungen zu den USA und Europa unterhalten, stellten die Zusammenarbeit mit ihren Partnern im Iran ein. Kleinere chinesische Automobilhersteller sind jedoch noch immer auf dem iranischen Markt präsent und montieren dort in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern verschiedene Modelle.
Technologietransfer, gemeinsame Produktion, Know-how-Transfer für die Entwicklung von Plattformen und den Bau von Industriestätten für Kraftfahrzeuge und Zulieferindustrien sind die drei Hauptpfeiler der künftigen Zusammenarbeit. Wenn diese Ziele erreicht werden, wird sich die iranische Autoindustrie, die heute schon eine Produktionskapazität von 1,5 Millionen Pkw hat, stark verändern.
Direkte Investments sind Schlüsselaspekt
Der Rückgang der Investitionen stellt eine der gravierendsten Krisen der iranischen Wirtschaft dar, die ohnehin schon unter Stagnation und chronischer Inflation leidet. Nun erhofft sich Iran durch diese strategische Partnerschaft mehr Direktinvestitionen aus China. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Hoffnung erfüllt. Bei der Zahl von 400 Milliarden US-Dollar chinesischer Investitionen in den nächsten 25 Jahren, die in zahlreichen Medienberichten auftaucht, handelt es sich nur um Gerüchte, ein derartiges Investitionsvolumen wird in keinem der offiziellen Dokumente erwähnt. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es bisher keine einzige große chinesische Infrastrukturinvestition im Iran gegeben hat, erscheint diese Summe als sehr unrealistisch.
Teheran hatte sich immer Direktinvestitionen von westlichen Unternehmen erhofft, insbesondere nach dem Atomabkommen von 2016. Diese Chance wurde aber mit dem einseitigen Ausstieg der USA aus der Vereinbarung und dem Rückzug der europäischen Unternehmen aus Angst vor den US-Sekundärsanktionen verpasst. Infolgedessen hat sich der Iran immer mehr nach Osten gedreht.
China wichtigster Handelspartner
In den vergangenen zehn Jahren hat China Europa als den größten Exporteur in den Iran abgelöst. Zwar ist das Handelsvolumen des Irans mit seinem wichtigsten Handelspartner im Jahr 2020 um 35 Prozent zurückgegangen, es belief sich aber trotzdem – Ölimporte nicht eingerechnet – auf umgerechnet 12,6 Milliarden Euro. Das ist ungefähr dreimal so viel wie der gesamte Außenhandel der 27 EU-Staaten mit dem Iran (4,5 Mrd. Euro). 2018 betrug das gesamte chinesisch-iranische Außenhandelsvolumen noch 35 Milliarden US-Dollar.
Dennoch bleibt die EU ein wichtiger Handelspartner für den Iran, vor allem wenn man bedenkt, dass mehr als ein Drittel der Exporte in den Iran aus Kapitalgütern und Halbfabrikaten besteht, insbesondere aus Maschinen, die für die iranische Industrie entscheidend sind.
Warum China?
Für den Iran ist es ein Novum. Das Land am Persischen Golf hatte bisher keinen strategischen Partner. Die Volksrepublik China unterhält aber mit mehr als 70 Ländern strategische Beziehungen. Bilatelare Strategieabkommen sind ein übliches Instrument in der chinesischen Außenpolitik. Selbst westliche Länder wie Japan, Südkorea, Australien, Singapur und Neuseeland haben sich erstmals mit China verbündet und im November 2020 mit dem RCEP-Abkommen die wirtschaftsstärkste Freihandelszone der Welt geschaffen. Und auch die EU hat Ende des vergangenen Jahres die Verhandlungen mit China für das Investitionsabkommen (CAI) abgeschlossen.
Es bleibt abzuwarten, wie Iran und China das jetzt unterzeichnete Abkommen umsetzen. Noch sind keine Details veröffentlicht. Tatsache ist aber, dass Iran in einer Zeit, in der seine und sogar Chinas eigene Rivalen strategische Beziehungen zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht in Asien aufbauen, die „Karawane nicht verpassen“ will – so wie es ein persisches Sprichwort treffend beschreibt.
Amir Alizadeh
Amir Alizadeh, ehemaliger stellv. Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer und Chefredakteur des Außenwirtschaftsmagazins IranContact, ist Mitglied der Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens Maleki Corporate Group in Frankfurt am Main.
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