Frank Busse ist Associate Partner bei der HPC Hamburg Port Consulting GmbH und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Hafenlogistik und Eisenbahntransport. Mit uns spricht er über die neuesten Entwicklungen in der Kaspischen Region, die wachsende Bedeutung der One Belt, One Road Initiative und Bottlenecks auf der Strecke China – Europa.
Herr Busse, Sie sind Partner einer Unternehmensberatung mit langjähriger Erfahrung im weltweiten Hafen- und Transportsektor. Was halten Sie von der chinesischen One Belt, One Road Initiative?
Es ist bekannt, dass die Initiative von vielen Experten kritisch gesehen wird. Ich bin allerdings der Meinung, dass One Belt, One Road nicht ausschließlich chinesischen Interessen dient, sondern auch gut für Europa und alle Länder dazwischen ist. Es ist nicht ausschließlich eine Verbindung zwischen Europa und China. Für mich stehen der Netzwerkgedanke der Initiative im Vordergrund sowie die Potenziale, die sich für die Anrainerstaaten entwickeln können.
Sie halten die Initiative also für ein Erfolgsmodell?
Die Zahlen sprechen zumindest für das Projekt: One Belt, One Road konnte gigantische Wachstumsraten bis 50 Prozent im Jahr 2020 verzeichnen. Mittlerweile werden auf der Neuen Seidenstraße jährlich über 500.000 TEU transportiert.
Ich denke, wir müssen weg von dem Gedankenmodell, dass das Projekt den Schiffsverkehr oder andere Handelsrouten überflüssig machen könnte. Denn das wird so nicht passieren. Rein technisch ist es nicht möglich, die zig Millionen Container aus dem Seeverkehr auf die Schiene zu verlagern. Stattdessen sollte man sie als eine weitere Opportunität betrachten. Ob diese langfristig vom Markt angenommen wird oder nicht, müssen wir abwarten. Die Voraussetzungen sind auf jeden Fall gegeben.
Wie schätzen Sie persönlich die weitere Entwicklung der One Belt, One Road Initiative ein?
One Belt, One Road hat sich positiv entwickelt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dies so weitergeht. Sie wird sich auf lange Sicht positiv entwickeln, wenn alle Länder zwischen China und Europa in das Projekt eingebunden werden. Das ist ganz wichtig.
Derzeit subventioniert die chinesische Regierung den Containertransport auf der Schiene zwischen China und Europa. Bis diese Subventionen für die Überlandtransporte eingestellt werden, haben sich bis dahin schon so viele Supply Chains und andere Strukturen etabliert, sodass staatliche Unterstützungsmaßnahmen nicht mehr notwendig sind.
Welche Schritte sind dazu erforderlich?
Das wichtigste ist eine entsprechende Infrastruktur – Schienenverbindungen und Terminals. Einfach ausgedrückt: Wo es kein Umschlag- und Transportangebot gibt, wird auch keine Nachfrage entstehen. Dies setzt natürlich einen Investor voraus – privat oder staatlich –, der an das Projekt glaubt und bereit ist bestimmte Risiken zu tragen. Mit zusätzlichen Terminals können weitere Regionen angeschlossen und Ladeeinheiten „unterwegs“ hinzu geladen werden. Vor allem bei der Entwicklung von Terminals entlang der Korridore kann HPC Kernkompetenzen einbringen.
Lassen Sie uns hier etwas tiefer einsteigen und über solche Infrastrukturprojekte in Russland und der kaspischen Region sprechen. Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein konkretes Beispiel ist ein Hafenprojekt in der russischen Stadt Astrachan – CASPY Port. Der Standort ist logistisch gesehen nahezu ideal: Astrachan liegt am Kaspischen Meer, hat eine Anbindung an One Belt, One Road und außerdem Zugang zu einem weiteren Transportweg, dem INSTC International North-South Transport Corridor. Die ersten Waren werden dort 2023 umgeschlagen und das große Terminal geht 2025 ans Netz. Aber auch an anderen Standorten am Kaspischen Meer wird investiert, u. a. erweitern die Häfen in Baku und Türkmenbaşy kontinuierlich ihre Kapazitäten.
Führen diese Investitionen nicht zu einer verschärften Konkurrenzsituation?
Natürlich herrscht in der Region starke Konkurrenz. Je dichter die Häfen beieinanderliegen, desto größer ist der Konkurrenzgedanke. Man muss hier aber auch sehen, dass die einzelnen Häfen unterschiedliche Industrien bedienen. Astrachan ist auf Containerumschlag, bestimmte Massengüter und General Cargo spezialisiert, Lagan dagegen bedient überwiegend die russische Ölindustrie. Berücksichtigt man die komparativen Vorteile, haben einzelnen Häfen sogar die Möglichkeit, gesamtheitlich zu planen, langfristige Entscheidungen zu treffen und das Logistiksystem aufeinander abzustimmen. Das betrifft nicht nur den Neubau von Terminals, sondern auch den Bau von Schiffen, von denen in der Region nur wenige verfügbar sind – dies gilt vor allem für den sich entwickelnden Containerverkehr.
Viele Logistiker berichten von Schwierigkeiten beim Warentransport von Asien nach Europa. An einigen Stellen kommt es zu teils erheblichen Bottlenecks. Können Sie das bestätigen?
Sie sprechen wahrscheinlich auf den Schienenfrachtverkehr an. Die Herausforderung liegt hier in der unterschiedlichen Infrastruktur. Ein klassisches Beispiel ist die Spurbreite, die sich in China, Russland und Europa jeweils voneinander unterscheidet. Allein der Spurwechsel an den Grenzübergängen kostet die Spediteure ein bis zwei Tage. Bei einer Laufzeit von rund 15 Tagen für die Strecke von China nach Europa, sind diese zwei Tage mehr als zehn Prozent der Transportzeit.
Zwar sind die Logistikunternehmen mittlerweile davon weggekommen, komplette Radgruppen zu tauschen, sie laden die Container einfach auf neue Züge um. Aber auch das kostet Zeit. Ein Beispiel ist der Umschlagplatz Dosty an der kasachisch-chinesischen Grenze, wo aktuell lediglich neun Züge täglich abgefertigt werden können – während zum Vergleich von/nach Hamburg mehr als 30 Züge pro Tag unterwegs sind. Das ist noch zu wenig und zeigt das Optimierungspotenzial auf. Ein ähnliches Beispiel ist der Grenzübergang Małaszewicze an der polnisch-belarussischen Grenze, wo es zu Wartezeiten zwischen sechs Stunden bis zu zwei Tagen kommt.
Wie geht der Markt mit solchen Schwierigkeiten um?
Mittlerweile gibt es Ideen, die Container auf dem Seeweg aus China in den russischen Hafen Wladiwostok zu fahren, die Fracht dort auf einen Zug zu laden und sie ohne Gleiswechsel bis nach Sankt Petersburg zu transportieren. Dort könnte die Ware wieder auf Schiffe geladen und weiter nach Westeuropa gebracht werden. An solchen Gedankenspielen sieht man gut, dass sich ein Markt bei Bedarf selbst Wege schafft, Waren noch schneller und billiger von A nach B zu bringen.
Wird sich ein konkreter Transportweg in Zukunft stärker gegenüber den anderen durchsetzen?
Die aktuelle Verteilung auf unterschiedliche Verkehrswege basiert im Grunde auf einer Ko-Modalität, wonach es für alle Waren einen optimal geeigneten Verkehrsträger gibt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für den Handel zwischen Asien und Europa die Seeschifffahrt immer eine Hauptrolle spielen wird. Die Schiffe verfügen einfach über eine immense Transportkapazität. Hinzu kommt der Vorteil, dass die Wasserstraße per se als Infrastruktur da ist und nicht erst aufgebaut werden muss. Jedoch ist auch klar, dass in den nächsten Jahren Lücken in der Schieneninfrastruktur geschlossen werden und so weitere Potenziale entlang der Korridore zwischen Europa und China erschlossen werden können.
Was bei der Seeschifffahrt zu einem zusätzlichen Driver werden kann, ist der Ausbau des Nördlichen Seewegs oberhalb von Russland, der die Lieferzeiten deutlich beschleunigen könnte. Grob gesagt, wäre man damit auf dem Seeweg von China nach Europa bis zu doppelt so schnell unterwegs.
Zoll, Logistik und Zertifizierung: „Angebot schafft Nachfrage“
Frank Busse ist Associate Partner bei der HPC Hamburg Port Consulting GmbH und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Hafenlogistik und Eisenbahntransport. Mit uns spricht er über die neuesten Entwicklungen in der Kaspischen Region, die wachsende Bedeutung der One Belt, One Road Initiative und Bottlenecks auf der Strecke China – Europa.
Herr Busse, Sie sind Partner einer Unternehmensberatung mit langjähriger Erfahrung im weltweiten Hafen- und Transportsektor. Was halten Sie von der chinesischen One Belt, One Road Initiative?
Es ist bekannt, dass die Initiative von vielen Experten kritisch gesehen wird. Ich bin allerdings der Meinung, dass One Belt, One Road nicht ausschließlich chinesischen Interessen dient, sondern auch gut für Europa und alle Länder dazwischen ist. Es ist nicht ausschließlich eine Verbindung zwischen Europa und China. Für mich stehen der Netzwerkgedanke der Initiative im Vordergrund sowie die Potenziale, die sich für die Anrainerstaaten entwickeln können.
Sie halten die Initiative also für ein Erfolgsmodell?
Die Zahlen sprechen zumindest für das Projekt: One Belt, One Road konnte gigantische Wachstumsraten bis 50 Prozent im Jahr 2020 verzeichnen. Mittlerweile werden auf der Neuen Seidenstraße jährlich über 500.000 TEU transportiert.
Ich denke, wir müssen weg von dem Gedankenmodell, dass das Projekt den Schiffsverkehr oder andere Handelsrouten überflüssig machen könnte. Denn das wird so nicht passieren. Rein technisch ist es nicht möglich, die zig Millionen Container aus dem Seeverkehr auf die Schiene zu verlagern. Stattdessen sollte man sie als eine weitere Opportunität betrachten. Ob diese langfristig vom Markt angenommen wird oder nicht, müssen wir abwarten. Die Voraussetzungen sind auf jeden Fall gegeben.
Wie schätzen Sie persönlich die weitere Entwicklung der One Belt, One Road Initiative ein?
One Belt, One Road hat sich positiv entwickelt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dies so weitergeht. Sie wird sich auf lange Sicht positiv entwickeln, wenn alle Länder zwischen China und Europa in das Projekt eingebunden werden. Das ist ganz wichtig.
Derzeit subventioniert die chinesische Regierung den Containertransport auf der Schiene zwischen China und Europa. Bis diese Subventionen für die Überlandtransporte eingestellt werden, haben sich bis dahin schon so viele Supply Chains und andere Strukturen etabliert, sodass staatliche Unterstützungsmaßnahmen nicht mehr notwendig sind.
Welche Schritte sind dazu erforderlich?
Das wichtigste ist eine entsprechende Infrastruktur – Schienenverbindungen und Terminals. Einfach ausgedrückt: Wo es kein Umschlag- und Transportangebot gibt, wird auch keine Nachfrage entstehen. Dies setzt natürlich einen Investor voraus – privat oder staatlich –, der an das Projekt glaubt und bereit ist bestimmte Risiken zu tragen. Mit zusätzlichen Terminals können weitere Regionen angeschlossen und Ladeeinheiten „unterwegs“ hinzu geladen werden. Vor allem bei der Entwicklung von Terminals entlang der Korridore kann HPC Kernkompetenzen einbringen.
Lassen Sie uns hier etwas tiefer einsteigen und über solche Infrastrukturprojekte in Russland und der kaspischen Region sprechen. Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein konkretes Beispiel ist ein Hafenprojekt in der russischen Stadt Astrachan – CASPY Port. Der Standort ist logistisch gesehen nahezu ideal: Astrachan liegt am Kaspischen Meer, hat eine Anbindung an One Belt, One Road und außerdem Zugang zu einem weiteren Transportweg, dem INSTC International North-South Transport Corridor. Die ersten Waren werden dort 2023 umgeschlagen und das große Terminal geht 2025 ans Netz. Aber auch an anderen Standorten am Kaspischen Meer wird investiert, u. a. erweitern die Häfen in Baku und Türkmenbaşy kontinuierlich ihre Kapazitäten.
Führen diese Investitionen nicht zu einer verschärften Konkurrenzsituation?
Natürlich herrscht in der Region starke Konkurrenz. Je dichter die Häfen beieinanderliegen, desto größer ist der Konkurrenzgedanke. Man muss hier aber auch sehen, dass die einzelnen Häfen unterschiedliche Industrien bedienen. Astrachan ist auf Containerumschlag, bestimmte Massengüter und General Cargo spezialisiert, Lagan dagegen bedient überwiegend die russische Ölindustrie. Berücksichtigt man die komparativen Vorteile, haben einzelnen Häfen sogar die Möglichkeit, gesamtheitlich zu planen, langfristige Entscheidungen zu treffen und das Logistiksystem aufeinander abzustimmen. Das betrifft nicht nur den Neubau von Terminals, sondern auch den Bau von Schiffen, von denen in der Region nur wenige verfügbar sind – dies gilt vor allem für den sich entwickelnden Containerverkehr.
Viele Logistiker berichten von Schwierigkeiten beim Warentransport von Asien nach Europa. An einigen Stellen kommt es zu teils erheblichen Bottlenecks. Können Sie das bestätigen?
Sie sprechen wahrscheinlich auf den Schienenfrachtverkehr an. Die Herausforderung liegt hier in der unterschiedlichen Infrastruktur. Ein klassisches Beispiel ist die Spurbreite, die sich in China, Russland und Europa jeweils voneinander unterscheidet. Allein der Spurwechsel an den Grenzübergängen kostet die Spediteure ein bis zwei Tage. Bei einer Laufzeit von rund 15 Tagen für die Strecke von China nach Europa, sind diese zwei Tage mehr als zehn Prozent der Transportzeit.
Zwar sind die Logistikunternehmen mittlerweile davon weggekommen, komplette Radgruppen zu tauschen, sie laden die Container einfach auf neue Züge um. Aber auch das kostet Zeit. Ein Beispiel ist der Umschlagplatz Dosty an der kasachisch-chinesischen Grenze, wo aktuell lediglich neun Züge täglich abgefertigt werden können – während zum Vergleich von/nach Hamburg mehr als 30 Züge pro Tag unterwegs sind. Das ist noch zu wenig und zeigt das Optimierungspotenzial auf. Ein ähnliches Beispiel ist der Grenzübergang Małaszewicze an der polnisch-belarussischen Grenze, wo es zu Wartezeiten zwischen sechs Stunden bis zu zwei Tagen kommt.
Wie geht der Markt mit solchen Schwierigkeiten um?
Mittlerweile gibt es Ideen, die Container auf dem Seeweg aus China in den russischen Hafen Wladiwostok zu fahren, die Fracht dort auf einen Zug zu laden und sie ohne Gleiswechsel bis nach Sankt Petersburg zu transportieren. Dort könnte die Ware wieder auf Schiffe geladen und weiter nach Westeuropa gebracht werden. An solchen Gedankenspielen sieht man gut, dass sich ein Markt bei Bedarf selbst Wege schafft, Waren noch schneller und billiger von A nach B zu bringen.
Wird sich ein konkreter Transportweg in Zukunft stärker gegenüber den anderen durchsetzen?
Die aktuelle Verteilung auf unterschiedliche Verkehrswege basiert im Grunde auf einer Ko-Modalität, wonach es für alle Waren einen optimal geeigneten Verkehrsträger gibt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für den Handel zwischen Asien und Europa die Seeschifffahrt immer eine Hauptrolle spielen wird. Die Schiffe verfügen einfach über eine immense Transportkapazität. Hinzu kommt der Vorteil, dass die Wasserstraße per se als Infrastruktur da ist und nicht erst aufgebaut werden muss. Jedoch ist auch klar, dass in den nächsten Jahren Lücken in der Schieneninfrastruktur geschlossen werden und so weitere Potenziale entlang der Korridore zwischen Europa und China erschlossen werden können.
Was bei der Seeschifffahrt zu einem zusätzlichen Driver werden kann, ist der Ausbau des Nördlichen Seewegs oberhalb von Russland, der die Lieferzeiten deutlich beschleunigen könnte. Grob gesagt, wäre man damit auf dem Seeweg von China nach Europa bis zu doppelt so schnell unterwegs.