Der Automobilmarkt ist auch hierzulande in ständiger Bewegung und folgt dem Auf und Ab der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir fragen Igor Korovkin, Executive Director der Association of Russian Automakers, wie er die aktuelle Lage dieser Schlüsselindustrie einschätzt und welche Prognosen er wagen würde.
Wie würden Sie die aktuelle Situation der russischen Automobilindustrie beschreiben – in Bezug auf Produktion und Absatz?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sowohl die Automobilproduktion als auch die Verkäufe im laufenden Jahr im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 in allen Kategorien wachsen werden. So erwarten wir etwa im Pkw-Segment einen Anstieg der Produktion von 17 bis 18 Prozent. Ähnliche Zahlen werden von den Analysten auch für die sogenannten leichten Nutzfahrzeuge und Lkw genannt. Dagegen wird es im Bereich der Busproduktion aller Wahrscheinlichkeit nach zu keinen nennenswerten Zuwächsen kommen – wir rechnen sogar mit einem Rückgang des Marktes im Umfang von bis zu zehn Prozent.
Was die Verkäufe in den genannten Segmenten angeht, sind wir etwas zurückhaltender, aber auch hier sind Zuwächse von bis zu zehn Prozent möglich.
Wie stark wird der gesamte Produktionsprozess vor dem Hintergrund des temporären, allgemeinen Mangels an Teilen beeinträchtigt?
Praktisch alle Fabriken wurden dazu gezwungen, Maßnahmen zur Stabilisierung der Produktion zu ergreifen, weil die Versorgung mit Automobilteilen tatsächlich sehr stark gestört war und teilweise noch ist. In erster Linie betrifft dies elektronische Bauteile. So sah sich etwa Russlands größter Automobilhersteller AVTOVAZ gezwungen, die Produktion zeitweise sogar komplett einzustellen.
Die Politik reagierte darauf mit einer Verschiebung bestimmter Auflagen. So hatte die Eurasische Wirtschaftsunion zum Beispiel die verpflichtende Nachrüstung von Pkw mit einem Notfallrufsystem vom zweiten Halbjahr 2020 auf das erste Halbjahr 2021 verschoben.
Welche einheimischen und ausländischen Marken werden in Russland zukünftig besonders nachgefragt sein und warum?
Tatsächlich ist der russische Automobilmarkt bereits weitestgehend konsolidiert und wird von etablierten Herstellern sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland unter sich aufgeteilt. Diese Automarken werden ihre Präsenz in Russland weiter beibehalten. Neu hinzustoßen könnten allenfalls chinesische Hersteller, sofern sie ihre Produktion in Russland, Belarus und Kasachstan lokalisieren.
Welche Entwicklungen sind in den kommenden Jahren in Russland zu erwarten? Welche Antriebsarten könnten die Vormachtstellung übernehmen – Benzin, Diesel, Hybrid, Elektro, Wasserstoff?
Wir gehen davon aus, dass Benzin und Diesel zumindest für die kommenden zehn bis 15 Jahre die nachgefragtesten Kraftstoffe bleiben werden. Gleichzeitig könnte die Verwendung von Erdgas und vor allem von Flüssiggas zunehmen, wobei die Höhe des Wachstums primär vom Ausbau des Gastankstellennetzes abhängen wird. Hinzu kommen Fahrzeuge mit Elektro- und Wasserstoffantrieb – aber auch hier hängt vieles davon ab, ob der Staat in den nächsten ein bis zwei Jahren Fördermaßnahmen sowohl für die Käufer von Elektroautos als auch für die Hersteller von Tankstellen und Wasserstoffproduzenten ergreifen wird.
Welches sind die wichtigsten Exportmärkte für in Russland hergestellte Pkw?
Die wichtigsten Exportmärkte für russische Pkw bleiben traditionell die Mitgliedsstaaten der EAWU sowie die GUS. Wir erwarten zudem, dass auch ausländische Hersteller, die eine Fahrzeugproduktion in Russland lokalisiert haben, neben dem einheimischen Markt zunehmend mehr in die EAWU und GUS exportieren werden.
Welche Rolle könnte das Auto Ihrer Meinung nach zukünftig als Teil des Gesamtmobilitätskonzepts in Russland spielen?
Mobilität ist für die Russen extrem wichtig, weshalb auch die Anzahl der Autos pro 1.000 Einwohner weiter zunehmen wird. Heute liegt diese Zahl für das gesamte Land bei etwa 320 Fahrzeugen. In der Region Primorje im äußersten Osten Russlands liegen diese Zahlen sogar bei bis zu 500 Fahrzeugen.
Angesichts des russischen Lebensstils, der wöchentliche, wenn nicht sogar tägliche Fahrten ins Grüne vorsieht, wird sich der Aufwärtstrend des Individualverkehrs fortsetzen. Gleichzeitig werden die öffentlichen Verkehrssysteme in den großen Städten, insbesondere in den Millionenstädten, weiter ausgebaut. Ein Beispiel dafür ist die Hauptstadt Moskau, wo die Mobilität der Bevölkerung weitgehend durch öffentliche Verkehrsmittel gewährleistet ist. Dies wird auch die Umweltsituation in den Städten deutlich verbessern.
Igor Korovkin Executive Director, Association of Russian Automakers
Interview: „Der russische Automobilmarkt wird weiter wachsen“
Der Automobilmarkt ist auch hierzulande in ständiger Bewegung und folgt dem Auf und Ab der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir fragen Igor Korovkin, Executive Director der Association of Russian Automakers, wie er die aktuelle Lage dieser Schlüsselindustrie einschätzt und welche Prognosen er wagen würde.
Wie würden Sie die aktuelle Situation der russischen Automobilindustrie beschreiben – in Bezug auf Produktion und Absatz?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sowohl die Automobilproduktion als auch die Verkäufe im laufenden Jahr im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 in allen Kategorien wachsen werden. So erwarten wir etwa im Pkw-Segment einen Anstieg der Produktion von 17 bis 18 Prozent. Ähnliche Zahlen werden von den Analysten auch für die sogenannten leichten Nutzfahrzeuge und Lkw genannt. Dagegen wird es im Bereich der Busproduktion aller Wahrscheinlichkeit nach zu keinen nennenswerten Zuwächsen kommen – wir rechnen sogar mit einem Rückgang des Marktes im Umfang von bis zu zehn Prozent.
Was die Verkäufe in den genannten Segmenten angeht, sind wir etwas zurückhaltender, aber auch hier sind Zuwächse von bis zu zehn Prozent möglich.
Wie stark wird der gesamte Produktionsprozess vor dem Hintergrund des temporären, allgemeinen Mangels an Teilen beeinträchtigt?
Praktisch alle Fabriken wurden dazu gezwungen, Maßnahmen zur Stabilisierung der Produktion zu ergreifen, weil die Versorgung mit Automobilteilen tatsächlich sehr stark gestört war und teilweise noch ist. In erster Linie betrifft dies elektronische Bauteile. So sah sich etwa Russlands größter Automobilhersteller AVTOVAZ gezwungen, die Produktion zeitweise sogar komplett einzustellen.
Die Politik reagierte darauf mit einer Verschiebung bestimmter Auflagen. So hatte die Eurasische Wirtschaftsunion zum Beispiel die verpflichtende Nachrüstung von Pkw mit einem Notfallrufsystem vom zweiten Halbjahr 2020 auf das erste Halbjahr 2021 verschoben.
Welche einheimischen und ausländischen Marken werden in Russland zukünftig besonders nachgefragt sein und warum?
Tatsächlich ist der russische Automobilmarkt bereits weitestgehend konsolidiert und wird von etablierten Herstellern sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland unter sich aufgeteilt. Diese Automarken werden ihre Präsenz in Russland weiter beibehalten. Neu hinzustoßen könnten allenfalls chinesische Hersteller, sofern sie ihre Produktion in Russland, Belarus und Kasachstan lokalisieren.
Welche Entwicklungen sind in den kommenden Jahren in Russland zu erwarten? Welche Antriebsarten könnten die Vormachtstellung übernehmen – Benzin, Diesel, Hybrid, Elektro, Wasserstoff?
Wir gehen davon aus, dass Benzin und Diesel zumindest für die kommenden zehn bis 15 Jahre die nachgefragtesten Kraftstoffe bleiben werden. Gleichzeitig könnte die Verwendung von Erdgas und vor allem von Flüssiggas zunehmen, wobei die Höhe des Wachstums primär vom Ausbau des Gastankstellennetzes abhängen wird. Hinzu kommen Fahrzeuge mit Elektro- und Wasserstoffantrieb – aber auch hier hängt vieles davon ab, ob der Staat in den nächsten ein bis zwei Jahren Fördermaßnahmen sowohl für die Käufer von Elektroautos als auch für die Hersteller von Tankstellen und Wasserstoffproduzenten ergreifen wird.
Welches sind die wichtigsten Exportmärkte für in Russland hergestellte Pkw?
Die wichtigsten Exportmärkte für russische Pkw bleiben traditionell die Mitgliedsstaaten der EAWU sowie die GUS. Wir erwarten zudem, dass auch ausländische Hersteller, die eine Fahrzeugproduktion in Russland lokalisiert haben, neben dem einheimischen Markt zunehmend mehr in die EAWU und GUS exportieren werden.
Welche Rolle könnte das Auto Ihrer Meinung nach zukünftig als Teil des Gesamtmobilitätskonzepts in Russland spielen?
Mobilität ist für die Russen extrem wichtig, weshalb auch die Anzahl der Autos pro 1.000 Einwohner weiter zunehmen wird. Heute liegt diese Zahl für das gesamte Land bei etwa 320 Fahrzeugen. In der Region Primorje im äußersten Osten Russlands liegen diese Zahlen sogar bei bis zu 500 Fahrzeugen.
Angesichts des russischen Lebensstils, der wöchentliche, wenn nicht sogar tägliche Fahrten ins Grüne vorsieht, wird sich der Aufwärtstrend des Individualverkehrs fortsetzen. Gleichzeitig werden die öffentlichen Verkehrssysteme in den großen Städten, insbesondere in den Millionenstädten, weiter ausgebaut. Ein Beispiel dafür ist die Hauptstadt Moskau, wo die Mobilität der Bevölkerung weitgehend durch öffentliche Verkehrsmittel gewährleistet ist. Dies wird auch die Umweltsituation in den Städten deutlich verbessern.
Igor Korovkin
Executive Director, Association of Russian Automakers
Die Fragen stellte Frank Ebbecke.