Die Handelsströme zwischen Russland und China haben im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent deutlich zugenommen – vergleichbare Werte sind auch bis Ende 2021 zu erwarten.
Der russische Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin hat Ende September angekündigt, dass das gesamte russisch-chinesische Handelsvolumen 2021 ein historisches Maximum erreichen kann. Es stellt sich die berechtigte Frage: Ist diese Handelsstatistik lediglich Ausdruck einer kurzfristigen Erholung von der Corona-Krise oder vielmehr Zeichen des Aufbaus einer strategischen Allianz, die neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch politische und militärische Bereiche umfassen könnte?
Betrachtet man die Statistik der Handelsbilanzen beider Länder im Laufe des letzten Jahrzehnts, so kann diese Entwicklung durchaus als Teil eines sich langfristig abzeichnenden Trends einer chinesischen Expansion im russischen Außenhandel gesehen werden. So hat China etwa seine Stellung als wichtigster Handelspartner Russlands bereits 2010 zuungunsten Deutschlands ausgebaut, und ein noch rapiderer Anstieg chinesischer Exporte nach Russland wurde u. a. von dem unmittelbar vor der Corona-Krise stattgefundenen Handelskrieg zwischen China und den USA begünstigt.
Wenn man aber die Statistik der russischen Exporte nach China betrachtet, so wird deutlich, dass der Aufwärtstrend bisher nicht überbewertet werden sollte. So blieben etwa die hauptsächlich aus Energielieferungen bestehenden chinesischen Importe aus Russland anteilsmäßig auf einem recht niedrigen Niveau und erreichten zuletzt trotz eines Aufwärtstrends lediglich 3,3 Prozent des gesamten chinesischen Importvolumens. Damit errang Russland nur die neunthöchste Position in der Liste der chinesischen Importpartner und blieb dabei unter anderem hinter mehreren ASEAN-Mitgliedsländern wie Vietnam oder Malaysia zurück. Dabei erfolgte die längst fällige Diversifizierung der russischen Ausfuhrströme sehr schleppend, was durch eine Reihe von bestehenden und sich zum Teil noch verschärfenden institutionellen und strukturellen Engpässen in der russischen Wirtschaft verursacht wurde.
Eine Reihe von 2021 gemeinsam lancierten Projekten zeigt aber, dass dank der politischen Zusammenarbeit beider Länder auf Regierungsniveau einige dieser Herausforderungen zunehmend überwunden werden können. So wurden in den vergangenen Monaten in China nach einem erzwungenen Verzicht auf US-Importe Einfuhrbeschränkungen für bestimmte Produktgruppen der russischen Landwirtschaft gestrichen. Gleichzeitig wurden mehrere gemeinsame Investitionsprojekte zum Ausbau der Infrastruktur und im Automobilbau umgesetzt. Schließlich wurde von den Wirtschaftsministerien beider Länder eine „Roadmap“ zwecks Steigerung des gemeinsamen Handelsvolumens auf 200 Billionen Dollar, d. h. einer Verdoppelung bis 2024, verabschiedet, die beim nächsten Treffen beider Regierungschefs unterzeichnet werden soll.
Zwar wird es für Russland immer noch unverzichtbar sein, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit seinen westlichen Partnern aufrechtzuerhalten, doch die sich immer stärker abzeichnende Verschlechterung der politischen Beziehungen Russlands mit dem Westen verschärft das Risiko einer immer stärkeren wirtschaftlichen Abhängigkeit Russlands von seinem immer mächtigeren östlichen Partner.
Insgesamt zeigt sich, dass die zunehmende russisch-chinesische Annäherung im Außenhandel überwiegend als Folge einer weiteren Vertiefung der politischen und militärischen Zusammenarbeit und damit einer weiteren Verschärfung der ernsthaften politischen Meinungsverschiedenheiten mit dem Westen zu sehen ist. In dieser Situation kann die Außenpolitik der künftigen deutschen Regierung eine Schlüsselrolle spielen, die zu einer Verwertung von Chancen einer wieder engeren Kooperation mit Russland in Zukunft beitragen kann.
Ilja Neustadt, Dr. oec. publ., Associate Professor an der Präsidenten-Akademie RANEPA in Moskau (Russian Academy for National Economy and Public Administration)
Kommentar: Stetig steigendes Handelsvolumen mit China – Zeichen einer strategischen Annäherung?
Die Handelsströme zwischen Russland und China haben im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent deutlich zugenommen – vergleichbare Werte sind auch bis Ende 2021 zu erwarten.
Der russische Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin hat Ende September angekündigt, dass das gesamte russisch-chinesische Handelsvolumen 2021 ein historisches Maximum erreichen kann. Es stellt sich die berechtigte Frage: Ist diese Handelsstatistik lediglich Ausdruck einer kurzfristigen Erholung von der Corona-Krise oder vielmehr Zeichen des Aufbaus einer strategischen Allianz, die neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch politische und militärische Bereiche umfassen könnte?
Betrachtet man die Statistik der Handelsbilanzen beider Länder im Laufe des letzten Jahrzehnts, so kann diese Entwicklung durchaus als Teil eines sich langfristig abzeichnenden Trends einer chinesischen Expansion im russischen Außenhandel gesehen werden. So hat China etwa seine Stellung als wichtigster Handelspartner Russlands bereits 2010 zuungunsten Deutschlands ausgebaut, und ein noch rapiderer Anstieg chinesischer Exporte nach Russland wurde u. a. von dem unmittelbar vor der Corona-Krise stattgefundenen Handelskrieg zwischen China und den USA begünstigt.
Wenn man aber die Statistik der russischen Exporte nach China betrachtet, so wird deutlich, dass der Aufwärtstrend bisher nicht überbewertet werden sollte. So blieben etwa die hauptsächlich aus Energielieferungen bestehenden chinesischen Importe aus Russland anteilsmäßig auf einem recht niedrigen Niveau und erreichten zuletzt trotz eines Aufwärtstrends lediglich 3,3 Prozent des gesamten chinesischen Importvolumens. Damit errang Russland nur die neunthöchste Position in der Liste der chinesischen Importpartner und blieb dabei unter anderem hinter mehreren ASEAN-Mitgliedsländern wie Vietnam oder Malaysia zurück. Dabei erfolgte die längst fällige Diversifizierung der russischen Ausfuhrströme sehr schleppend, was durch eine Reihe von bestehenden und sich zum Teil noch verschärfenden institutionellen und strukturellen Engpässen in der russischen Wirtschaft verursacht wurde.
Eine Reihe von 2021 gemeinsam lancierten Projekten zeigt aber, dass dank der politischen Zusammenarbeit beider Länder auf Regierungsniveau einige dieser Herausforderungen zunehmend überwunden werden können. So wurden in den vergangenen Monaten in China nach einem erzwungenen Verzicht auf US-Importe Einfuhrbeschränkungen für bestimmte Produktgruppen der russischen Landwirtschaft gestrichen. Gleichzeitig wurden mehrere gemeinsame Investitionsprojekte zum Ausbau der Infrastruktur und im Automobilbau umgesetzt. Schließlich wurde von den Wirtschaftsministerien beider Länder eine „Roadmap“ zwecks Steigerung des gemeinsamen Handelsvolumens auf 200 Billionen Dollar, d. h. einer Verdoppelung bis 2024, verabschiedet, die beim nächsten Treffen beider Regierungschefs unterzeichnet werden soll.
Zwar wird es für Russland immer noch unverzichtbar sein, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit seinen westlichen Partnern aufrechtzuerhalten, doch die sich immer stärker abzeichnende Verschlechterung der politischen Beziehungen Russlands mit dem Westen verschärft das Risiko einer immer stärkeren wirtschaftlichen Abhängigkeit Russlands von seinem immer mächtigeren östlichen Partner.
Insgesamt zeigt sich, dass die zunehmende russisch-chinesische Annäherung im Außenhandel überwiegend als Folge einer weiteren Vertiefung der politischen und militärischen Zusammenarbeit und damit einer weiteren Verschärfung der ernsthaften politischen Meinungsverschiedenheiten mit dem Westen zu sehen ist. In dieser Situation kann die Außenpolitik der künftigen deutschen Regierung eine Schlüsselrolle spielen, die zu einer Verwertung von Chancen einer wieder engeren Kooperation mit Russland in Zukunft beitragen kann.
Ilja Neustadt, Dr. oec. publ., Associate Professor an der Präsidenten-Akademie RANEPA in Moskau (Russian Academy for National Economy and Public Administration)