Michael Germershausen, Managing Partner Russia and CIS beim internationalen Personaldienstleister Antal, berichtet über seine Sicht auf die jüngsten Ereignisse in Kasachstan und die geschäftlichen Zukunftsperspektiven in der Region.
Herr Germershausen, neben Russland, der Ukraine und Usbekistan betreibt Antal u. a. auch eine Niederlassung in Kasachstan. Wie haben Sie und Ihre Mitarbeiter die Unruhen dort erlebt?
Wie die meisten anderen auch, hätte ich nicht damit gerechnet, dass die Unruhen ein solches Ausmaß annehmen. Dennoch kommt dies alles nicht von ungefähr: Schon lange konnte man in Kasachstan die krassen Unterschiede zwischen der ärmeren Bevölkerung auf der einen Seite und der Mittelschicht sowie den Superreichen auf der anderen Seite deutlich beobachten. Nach wie vor leben die Menschen außerhalb von Almaty und Nur-Sultan relativ ärmlich, wodurch sich über die Jahre unheimlich viel Frust angestaut hat. Insofern war die angekündigte Steigerung der Gaspreise in meinen Augen nur das Zünglein an der Waage.
Also alles in allem ein legitimes Aufbegehren des Volkes?
Ja und nein. Meiner Einschätzung nach waren die Unruhen dieses Mal von Gewalttätigen unterwandert, denen sich nach und nach einige zunächst friedlich protestierende Menschen angeschlossen hatten. Das ist schon ein Unterschied zu den üblichen Protestbewegungen in Kasachstan, die alle paar Jahre an die Oberfläche dringen. Schon nach kurzer Zeit hatte sich gezeigt, dass diese gewalttätigen Gruppen relativ gut organisiert und in der Lage waren, zumindest zeitweise einige strategische Einrichtungen in Almaty und anderen Städten unter ihre Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig haben mir Ärzte aus Almaty berichtet, dass in ihren Krankenhäusern Kämpfer versorgt wurden, die weder der russischen noch kasachischen Sprache mächtig waren. In der Bevölkerung wird deshalb natürlich wild spekuliert, dass diese Personen aus den Nachbarstaaten oder sogar aus Syrien, dem Iran oder Afghanistan eingereist sind. Rückblickend wird es natürlich schwer zu verifizieren, wer tatsächlich die Verantwortung für die Unruhen trägt.
Waren Sie oder Ihre Mitarbeiter persönlich betroffen?
Zum Glück nicht. Allerdings habe ich die vergangenen Tage schon als recht dramatisch erlebt. Meine Mitarbeiter konnten sich rund eine Woche lang nicht auf die Straße trauen und waren durch die Netzabschaltung vollkommen von der Außenwelt isoliert. Darüber hinaus kam es vielerorts zu Plünderungen mit immensen wirtschaftlichen Schäden. Ich hoffe, dass die kasachische Regierung nun den Aufschrei der Bevölkerung aber auch den der kasachischen Geschäftswelt deutlich vernommen hat und in Zukunft intensiver an einer Verbesserung der Verhältnisse arbeiten wird.
War eine Fortführung der Geschäftstätigkeit während der Unruhen überhaupt möglich?
An sich kamen die Unruhen, wenn man das so sagen kann, zu einem halbwegs günstigen Zeitpunkt, da sich in der ersten Januarwoche viele Mitarbeiter und Kunden noch im Urlaub befanden. Aber natürlich kam es auch zu größeren Problemen, zum Beispiel weil uns Kunden aufgrund der gekappten Telekommunikationsleitungen einfach nicht erreichen konnten. Auch wurden einige unserer Mitarbeiter aufgrund der Übernahme des Flughafens Almaty durch die Protestierenden an der Ausreise gehindert und konnten so keine Termine wahrnehmen. Was unser Kerngeschäft betrifft, hat von den rund 15 durch uns vermittelten Kandidaten, die im Januar eine neue Stelle in Kasachstan antreten sollten, zum Glück nur ein einziger kurzfristig abgesagt.
Ab wann ging es wieder aufwärts?
Nachdem ab dem 3. Januar die Internetverbindung sehr stark eingeschränkt war, hat sich die Lage seit dem 10. Januar wieder etwas stabilisiert. Tatsächlich geht ein Großteil unserer Kunden und Kandidaten laut Umfragen mittlerweile davon aus, dass wir bis Ende Januar wieder in den normalen Office-Betrieb übergehen können. Aktuell habe ich unsere Mitarbeiter aber dennoch angewiesen, nur in Ausnahmefällen ins Büro zu kommen, da in Almaty in der Nacht immer noch eine Sperrstunde gilt.
Grundsätzlich herrscht im Land nach wie vor eine gewisse Unruhe, die sich natürlich auch auf das allgemeine Wirtschaftsklima negativ auswirkt. Jedoch sind die ersten Signale, die vom Präsidenten und der neuen Regierung ausgehen, durchaus positiv.
Könnten Sie dies etwas konkretisieren?
Es liegen konkrete Anfragen der kasachischen Behörden an die internationalen Wirtschaftsverbände vor, wie das Geschäftsklima verbessert werden könnte, um eine Art Neustart in der Wirtschaftspolitik zu ermöglichen. Die Unruhen kann man deshalb auch als eine Art Weckruf für die Politik sehen, endlich ordentlich Geld in die Hand zu nehmen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu unterstützen. In diesem Zusammenhang könnte etwa ein umfassendes Infrastrukturprogramm eine Möglichkeit darstellen, um an einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation für die breite Masse der Bevölkerung zu arbeiten. Eine Bedingung, dass sich die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation tatsächlich verbessert, ist dabei aber sicherlich, dass sich die Vergeltungs- bzw. Aufklärungsmaßnahmen der Staatsmacht nur gegen die wirklichen Gewalttäter und nicht auch gegen friedliche Demonstranten richten.
Genau wie Russland ist Kasachstan ein Land, das in den vergangenen Jahren durch verschiedene Krisen geprägt war. Wie schätzen Sie die Geschäftsklimaentwicklung in der Region allgemein ein?
Insgesamt finde ich die Entwicklung der letzten Jahre relativ traurig. Man sieht, wie der russische bzw. GUS-Markt für größere internationale Firmen zunehmend bedeutungsloser wird. Während viele Unternehmen Russland vor rund zehn Jahren noch als einen strategischen Top 5-Markt bezeichnet hatten, ist das Land insbesondere durch die Abwertung des Rubels nicht mehr so attraktiv. Auch die geplanten verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen werden sicherlich nicht zur höheren Attraktivität Russlands beitragen. Wieso durch eine solche Regelung negativ auf europäische und internationale Firmen eingewirkt wird, ist mir tatsächlich schleierhaft. Setzen sich doch insbesondere die in Russland tätigen internationalen Unternehmen für tiefgreifende wirtschaftliche Beziehungen und einen Dialog ein, allen bestehenden politischen Spannungen zum Trotz.
Was Kasachstan angelangt, so hängt das Land hinsichtlich der allgemeinen Geschäftslage am Tropf Russlands, weshalb sich die Entwicklung des Geschäftsklimas dort nicht wesentlich unterscheidet. Dynamischer ist dabei schon die wirtschaftliche Entwicklung in Usbekistan. Wenn wir unsere aktuellen Budgetplanungen wie vorgesehen umsetzen, werden wir schon im nächsten Jahr in Taschkent mehr Mitarbeiter als in Kasachstan beschäftigen.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.
Interview: Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?
Michael Germershausen, Managing Partner Russia and CIS beim internationalen Personaldienstleister Antal, berichtet über seine Sicht auf die jüngsten Ereignisse in Kasachstan und die geschäftlichen Zukunftsperspektiven in der Region.
Herr Germershausen, neben Russland, der Ukraine und Usbekistan betreibt Antal u. a. auch eine Niederlassung in Kasachstan. Wie haben Sie und Ihre Mitarbeiter die Unruhen dort erlebt?
Wie die meisten anderen auch, hätte ich nicht damit gerechnet, dass die Unruhen ein solches Ausmaß annehmen. Dennoch kommt dies alles nicht von ungefähr: Schon lange konnte man in Kasachstan die krassen Unterschiede zwischen der ärmeren Bevölkerung auf der einen Seite und der Mittelschicht sowie den Superreichen auf der anderen Seite deutlich beobachten. Nach wie vor leben die Menschen außerhalb von Almaty und Nur-Sultan relativ ärmlich, wodurch sich über die Jahre unheimlich viel Frust angestaut hat. Insofern war die angekündigte Steigerung der Gaspreise in meinen Augen nur das Zünglein an der Waage.
Also alles in allem ein legitimes Aufbegehren des Volkes?
Ja und nein. Meiner Einschätzung nach waren die Unruhen dieses Mal von Gewalttätigen unterwandert, denen sich nach und nach einige zunächst friedlich protestierende Menschen angeschlossen hatten. Das ist schon ein Unterschied zu den üblichen Protestbewegungen in Kasachstan, die alle paar Jahre an die Oberfläche dringen. Schon nach kurzer Zeit hatte sich gezeigt, dass diese gewalttätigen Gruppen relativ gut organisiert und in der Lage waren, zumindest zeitweise einige strategische Einrichtungen in Almaty und anderen Städten unter ihre Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig haben mir Ärzte aus Almaty berichtet, dass in ihren Krankenhäusern Kämpfer versorgt wurden, die weder der russischen noch kasachischen Sprache mächtig waren. In der Bevölkerung wird deshalb natürlich wild spekuliert, dass diese Personen aus den Nachbarstaaten oder sogar aus Syrien, dem Iran oder Afghanistan eingereist sind. Rückblickend wird es natürlich schwer zu verifizieren, wer tatsächlich die Verantwortung für die Unruhen trägt.
Waren Sie oder Ihre Mitarbeiter persönlich betroffen?
Zum Glück nicht. Allerdings habe ich die vergangenen Tage schon als recht dramatisch erlebt. Meine Mitarbeiter konnten sich rund eine Woche lang nicht auf die Straße trauen und waren durch die Netzabschaltung vollkommen von der Außenwelt isoliert. Darüber hinaus kam es vielerorts zu Plünderungen mit immensen wirtschaftlichen Schäden. Ich hoffe, dass die kasachische Regierung nun den Aufschrei der Bevölkerung aber auch den der kasachischen Geschäftswelt deutlich vernommen hat und in Zukunft intensiver an einer Verbesserung der Verhältnisse arbeiten wird.
War eine Fortführung der Geschäftstätigkeit während der Unruhen überhaupt möglich?
An sich kamen die Unruhen, wenn man das so sagen kann, zu einem halbwegs günstigen Zeitpunkt, da sich in der ersten Januarwoche viele Mitarbeiter und Kunden noch im Urlaub befanden. Aber natürlich kam es auch zu größeren Problemen, zum Beispiel weil uns Kunden aufgrund der gekappten Telekommunikationsleitungen einfach nicht erreichen konnten. Auch wurden einige unserer Mitarbeiter aufgrund der Übernahme des Flughafens Almaty durch die Protestierenden an der Ausreise gehindert und konnten so keine Termine wahrnehmen. Was unser Kerngeschäft betrifft, hat von den rund 15 durch uns vermittelten Kandidaten, die im Januar eine neue Stelle in Kasachstan antreten sollten, zum Glück nur ein einziger kurzfristig abgesagt.
Ab wann ging es wieder aufwärts?
Nachdem ab dem 3. Januar die Internetverbindung sehr stark eingeschränkt war, hat sich die Lage seit dem 10. Januar wieder etwas stabilisiert. Tatsächlich geht ein Großteil unserer Kunden und Kandidaten laut Umfragen mittlerweile davon aus, dass wir bis Ende Januar wieder in den normalen Office-Betrieb übergehen können. Aktuell habe ich unsere Mitarbeiter aber dennoch angewiesen, nur in Ausnahmefällen ins Büro zu kommen, da in Almaty in der Nacht immer noch eine Sperrstunde gilt.
Grundsätzlich herrscht im Land nach wie vor eine gewisse Unruhe, die sich natürlich auch auf das allgemeine Wirtschaftsklima negativ auswirkt. Jedoch sind die ersten Signale, die vom Präsidenten und der neuen Regierung ausgehen, durchaus positiv.
Könnten Sie dies etwas konkretisieren?
Es liegen konkrete Anfragen der kasachischen Behörden an die internationalen Wirtschaftsverbände vor, wie das Geschäftsklima verbessert werden könnte, um eine Art Neustart in der Wirtschaftspolitik zu ermöglichen. Die Unruhen kann man deshalb auch als eine Art Weckruf für die Politik sehen, endlich ordentlich Geld in die Hand zu nehmen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu unterstützen. In diesem Zusammenhang könnte etwa ein umfassendes Infrastrukturprogramm eine Möglichkeit darstellen, um an einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation für die breite Masse der Bevölkerung zu arbeiten. Eine Bedingung, dass sich die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation tatsächlich verbessert, ist dabei aber sicherlich, dass sich die Vergeltungs- bzw. Aufklärungsmaßnahmen der Staatsmacht nur gegen die wirklichen Gewalttäter und nicht auch gegen friedliche Demonstranten richten.
Genau wie Russland ist Kasachstan ein Land, das in den vergangenen Jahren durch verschiedene Krisen geprägt war. Wie schätzen Sie die Geschäftsklimaentwicklung in der Region allgemein ein?
Insgesamt finde ich die Entwicklung der letzten Jahre relativ traurig. Man sieht, wie der russische bzw. GUS-Markt für größere internationale Firmen zunehmend bedeutungsloser wird. Während viele Unternehmen Russland vor rund zehn Jahren noch als einen strategischen Top 5-Markt bezeichnet hatten, ist das Land insbesondere durch die Abwertung des Rubels nicht mehr so attraktiv. Auch die geplanten verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen werden sicherlich nicht zur höheren Attraktivität Russlands beitragen. Wieso durch eine solche Regelung negativ auf europäische und internationale Firmen eingewirkt wird, ist mir tatsächlich schleierhaft. Setzen sich doch insbesondere die in Russland tätigen internationalen Unternehmen für tiefgreifende wirtschaftliche Beziehungen und einen Dialog ein, allen bestehenden politischen Spannungen zum Trotz.
Was Kasachstan angelangt, so hängt das Land hinsichtlich der allgemeinen Geschäftslage am Tropf Russlands, weshalb sich die Entwicklung des Geschäftsklimas dort nicht wesentlich unterscheidet. Dynamischer ist dabei schon die wirtschaftliche Entwicklung in Usbekistan. Wenn wir unsere aktuellen Budgetplanungen wie vorgesehen umsetzen, werden wir schon im nächsten Jahr in Taschkent mehr Mitarbeiter als in Kasachstan beschäftigen.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.