Claudius Schwartz ist Technischer Direktionsleiter von STRABAG in Russland. Das österreichische Unternehmen ist eines der größten Bauunternehmen Europas und neben den Kernmärkten Österreich und Deutschland in zahlreichen ost- und südosteuropäischen Ländern in der Bauindustrie tätig. Im Interview spricht er u. a. über das Zukunfts- und Entwicklungspotenzial in Russland.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihr Unternehmen, Ihre Branche und insbesondere Ihre eigene Geschäftslage ausgewirkt?
2020 hat sich die Bauindustrie während einer globalen Wirtschaftskrise vergleichsweise robust gezeigt. Die Baustellen konnten in beinahe allen unseren Kernmärkten weiterlaufen und die Bauleistung blieb auf einem gewohnten Niveau. Einzige Ausnahme in Europa: Österreich.
Macht sich die aktuell angespannte globale Logistiklage in Bezug auf die Lieferung von Einzelteilen auch in der Baubranche bemerkbar – vgl. Autoindustrie?
Seit 2021 gibt es für einige wichtige Baumaterialien wie Kunststoffe, Holz und Baustahl in der Tat Lieferkettenprobleme. Die Corona-Pandemie ist dafür ein Grund, aber nicht der einzige. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass öffentliche Infrastrukturprogramme die globale Nachfrage extrem verstärkt haben. Mittlerweile sehen wir bei den Mengen bereits eine Entspannung, das hohe Preisniveau bleibt allerdings bestehen.
Was sind aktuelle Trends im Immobilienmarkt in Russland, in Moskau, aber auch anderen Städten des Landes? Stellen Sie neben Moskau und Sankt Petersburg auch anderswo einen Bauboom fest?
Im Wohnungsbau sehen wir derzeit einen anhaltenden Boom. Die Möglichkeiten sind groß, wobei wir derzeit nur in Moskau Wohnungsbau betreiben. Wie es in anderen Regionen konkret im Wohnungsbau aussieht, wissen wir daher nicht aus erster Hand. Büroimmobilien sind aus unserer Sicht derzeit weniger interessant, die Aktivitäten sind rückläufig oder stagnieren auf niedrigerem Niveau. Wir sehen derzeit ein Überangebot von verfügbaren Flächen am Markt. Sehr interessant ist, dass in Russland viel in der primären Industrie (Urproduktion) investiert wird. Dort sind wir auch seit Jahren aktiv und haben diverse industrielle Großprojekte realisiert. Hervorzuheben ist, dass STRABAG sich seit 2020 auch mit der eigenen Immobilienentwicklung in Russland engagiert. Erste Projekte liegen bereits auf dem Tisch.
Welche Herausforderungen stellen sich für Ihr Unternehmen aktuell im Hinblick auf Personal, Rohstoffe und sonstige Faktoren?
Auch wenn uns 2021 kurzfristige Lieferkettenprobleme bei Baumaterial getroffen hat, liegt der Fokus tatsächlich auf der Ressource Personal. Das ist ein Problem, das unsere Branche sehr langfristig beschäftigt. Wir adressieren den Fachkräftemangel auf zwei Wegen: Einerseits bilden wir im Konzern Fachkräfte aus, auch durch Kooperation mit den Universitäten, andererseits implementieren wir neue Technologien, um Bauwerke effizienter zu errichten, etwa den 3D-Betondruck.
Welches Zukunfts- und Entwicklungspotenzial sehen Sie für STRABAG in Russland?
Der Schwerpunkt der Aktivitäten in Russland liegt auf dem Wohn- und dem Industriebau. Im Wohnbau dominiert das starke Nachfragevolumen von etwa 15 bis 20 marktbeherrschenden Immobilienentwicklern. STRABAG bleibt der Strategie treu, den dadurch entstehenden Preiswettbewerb durch Partnering-Modelle und die frühe Einbindung in die Planungsphase abzumildern. Die diesbezüglichen Akquisitionsbemühungen konzentrieren sich auf Moskau. Der Industriebau wird im gesamten europäischen Teil Russlands angeboten. Investitionen in vielen Branchen führten dort nach Jahren der Stagnation zu einer Nachfragebelebung. Die auch in Russland steile Preisentwicklung leistet der Akzeptanz von Preisgleitklauseln Vorschub. Der Einstieg in den Sektor von öffentlichen Bauaufträgen wird derzeit strategisch untersucht und überlegt. Das Volumen ist interessant, allerdings gibt es einige Hürden, die genommen werden müssen. Des Weiteren wollen wir uns dem Themen Bauen im Bestand widmen.
Generell möchten wir uns unseren Kunden als Partner für Gesamtlösungen anbieten, bei der von der Genehmigungsplanung über alle anderen Planungsphasen hinweg bis zur schlüsselfertigen Ausführung des Projektes alle Leistungen angesiedelt sind. STRABAG kann da einen echten Mehrwert bieten, vor allem in Kombination mit unserer 30-jährigen Markterfahrung in Russland.
Wie steht es um Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit bei Bauvorhaben in Russland?
Der Klimawandel und seine unübersehbaren Folgen werden auch in Russland zunehmend Thema. Daher erwarten wir auch Auswirkungen auf die technischen Anforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Energieeffektivität und ressourcenschonendes Bauen. Wobei man auch sehen muss, dass die Entwicklung hier erst am Anfang steht. Im Vergleich zu Europa, wo Nachhaltigkeit und Energieeffektivität durch umfangreiche technische Regelwerke bereits im Tagesgeschäft angekommen sind, passiert hier noch wenig. Aber das wird sich ändern, da sind wir sicher.
Können Sie auch als ausländisches Unternehmen von den zahlreichen staatlichen Fördermaßnahmen für Bauvorhaben profitieren?
Wir profitieren nur indirekt, indem der Staat die Bauwirtschaft durch Förderungen ankurbelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir als Generalunternehmer bei unseren Aktivitäten in Russland direkt vom Staat gefördert werden. Als europäischer Konzern in Russland begrüßen wir alle Maßnahmen auf politischer Ebene, die darauf abzielen, das Geschäft in und mit Russland zu fördern durch eine entsprechende positive Gestaltung der Rahmenbedingungen.
Das Interview erschien erstmal in der Ausgabe 6-2021 des Wirtschaftsmagazins OstContact. Hier bestellen.
Interview: „Im Wohnungsbau sehen wir einen anhaltenden Boom“
Claudius Schwartz ist Technischer Direktionsleiter von STRABAG in Russland. Das österreichische Unternehmen ist eines der größten Bauunternehmen Europas und neben den Kernmärkten Österreich und Deutschland in zahlreichen ost- und südosteuropäischen Ländern in der Bauindustrie tätig. Im Interview spricht er u. a. über das Zukunfts- und Entwicklungspotenzial in Russland.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihr Unternehmen, Ihre Branche und insbesondere Ihre eigene Geschäftslage ausgewirkt?
2020 hat sich die Bauindustrie während einer globalen Wirtschaftskrise vergleichsweise robust gezeigt. Die Baustellen konnten in beinahe allen unseren Kernmärkten weiterlaufen und die Bauleistung blieb auf einem gewohnten Niveau. Einzige Ausnahme in Europa: Österreich.
Macht sich die aktuell angespannte globale Logistiklage in Bezug auf die Lieferung von Einzelteilen auch in der Baubranche bemerkbar – vgl. Autoindustrie?
Seit 2021 gibt es für einige wichtige Baumaterialien wie Kunststoffe, Holz und Baustahl in der Tat Lieferkettenprobleme. Die Corona-Pandemie ist dafür ein Grund, aber nicht der einzige. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass öffentliche Infrastrukturprogramme die globale Nachfrage extrem verstärkt haben. Mittlerweile sehen wir bei den Mengen bereits eine Entspannung, das hohe Preisniveau bleibt allerdings bestehen.
Was sind aktuelle Trends im Immobilienmarkt in Russland, in Moskau, aber auch anderen Städten des Landes? Stellen Sie neben Moskau und Sankt Petersburg auch anderswo einen Bauboom fest?
Im Wohnungsbau sehen wir derzeit einen anhaltenden Boom. Die Möglichkeiten sind groß, wobei wir derzeit nur in Moskau Wohnungsbau betreiben. Wie es in anderen Regionen konkret im Wohnungsbau aussieht, wissen wir daher nicht aus erster Hand. Büroimmobilien sind aus unserer Sicht derzeit weniger interessant, die Aktivitäten sind rückläufig oder stagnieren auf niedrigerem Niveau. Wir sehen derzeit ein Überangebot von verfügbaren Flächen am Markt. Sehr interessant ist, dass in Russland viel in der primären Industrie (Urproduktion) investiert wird. Dort sind wir auch seit Jahren aktiv und haben diverse industrielle Großprojekte realisiert. Hervorzuheben ist, dass STRABAG sich seit 2020 auch mit der eigenen Immobilienentwicklung in Russland engagiert. Erste Projekte liegen bereits auf dem Tisch.
Welche Herausforderungen stellen sich für Ihr Unternehmen aktuell im Hinblick auf Personal, Rohstoffe und sonstige Faktoren?
Auch wenn uns 2021 kurzfristige Lieferkettenprobleme bei Baumaterial getroffen hat, liegt der Fokus tatsächlich auf der Ressource Personal. Das ist ein Problem, das unsere Branche sehr langfristig beschäftigt. Wir adressieren den Fachkräftemangel auf zwei Wegen: Einerseits bilden wir im Konzern Fachkräfte aus, auch durch Kooperation mit den Universitäten, andererseits implementieren wir neue Technologien, um Bauwerke effizienter zu errichten, etwa den 3D-Betondruck.
Welches Zukunfts- und Entwicklungspotenzial sehen Sie für STRABAG in Russland?
Der Schwerpunkt der Aktivitäten in Russland liegt auf dem Wohn- und dem Industriebau. Im Wohnbau dominiert das starke Nachfragevolumen von etwa 15 bis 20 marktbeherrschenden Immobilienentwicklern. STRABAG bleibt der Strategie treu, den dadurch entstehenden Preiswettbewerb durch Partnering-Modelle und die frühe Einbindung in die Planungsphase abzumildern. Die diesbezüglichen Akquisitionsbemühungen konzentrieren sich auf Moskau. Der Industriebau wird im gesamten europäischen Teil Russlands angeboten. Investitionen in vielen Branchen führten dort nach Jahren der Stagnation zu einer Nachfragebelebung. Die auch in Russland steile Preisentwicklung leistet der Akzeptanz von Preisgleitklauseln Vorschub. Der Einstieg in den Sektor von öffentlichen Bauaufträgen wird derzeit strategisch untersucht und überlegt. Das Volumen ist interessant, allerdings gibt es einige Hürden, die genommen werden müssen. Des Weiteren wollen wir uns dem Themen Bauen im Bestand widmen.
Generell möchten wir uns unseren Kunden als Partner für Gesamtlösungen anbieten, bei der von der Genehmigungsplanung über alle anderen Planungsphasen hinweg bis zur schlüsselfertigen Ausführung des Projektes alle Leistungen angesiedelt sind. STRABAG kann da einen echten Mehrwert bieten, vor allem in Kombination mit unserer 30-jährigen Markterfahrung in Russland.
Wie steht es um Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit bei Bauvorhaben in Russland?
Der Klimawandel und seine unübersehbaren Folgen werden auch in Russland zunehmend Thema. Daher erwarten wir auch Auswirkungen auf die technischen Anforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Energieeffektivität und ressourcenschonendes Bauen. Wobei man auch sehen muss, dass die Entwicklung hier erst am Anfang steht. Im Vergleich zu Europa, wo Nachhaltigkeit und Energieeffektivität durch umfangreiche technische Regelwerke bereits im Tagesgeschäft angekommen sind, passiert hier noch wenig. Aber das wird sich ändern, da sind wir sicher.
Können Sie auch als ausländisches Unternehmen von den zahlreichen staatlichen Fördermaßnahmen für Bauvorhaben profitieren?
Wir profitieren nur indirekt, indem der Staat die Bauwirtschaft durch Förderungen ankurbelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir als Generalunternehmer bei unseren Aktivitäten in Russland direkt vom Staat gefördert werden. Als europäischer Konzern in Russland begrüßen wir alle Maßnahmen auf politischer Ebene, die darauf abzielen, das Geschäft in und mit Russland zu fördern durch eine entsprechende positive Gestaltung der Rahmenbedingungen.
Das Interview erschien erstmal in der Ausgabe 6-2021 des Wirtschaftsmagazins OstContact. Hier bestellen.