NEW DELHI (Dow Jones)–Es gibt viele Gründe für einen optimistischen Indien-Ausblick. Die Bevölkerungszahl des Landes hat im letzten Jahr die Chinas übertroffen. Mehr als die Hälfte der Inder ist unter 25 Jahre alt. Und bei den derzeitigen Wachstumsraten könnte das Land in weniger als einem Jahrzehnt zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen, nachdem es vor kurzem Großbritannien von Platz 5 verdrängt hat. Der indische Aktienmarkt verzeichnet nun seit acht Jahren in Folge Kursgewinne. Die sich verschlechternden Handelsbeziehungen zwischen dem Westen und Beijing sind für New Delhi nur von Vorteil. Doch die Entwicklung des Subkontinents dürfte jedoch ganz anders aussehen – und schwieriger sein – als die Chinas.
Gebunden an Erziehung und Pflege Zwar gibt es theoretisch reichlich Arbeitskräfte, doch eine Reihe von Hindernissen erschwert die Vermittlung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Das macht es für Haushalte und Unternehmen gleichermaßen schwer, die Ersparnisse aufzubauen, die für die Art von Investitions-Boom benötigt werden, wie Taiwan und Südkorea es erlebt haben. Ein weiteres Problem sind die nach wie vor hohen Handelsbeschränkungen, mit denen Indien nicht die neue „Werkbank der Welt“ werden kann. Im Gegensatz zu China sind in Indien protektionistische Maßnahmen, die dem Volk gefallen, Teil der Gleichung. Nach Angaben der WTO hatte Indien im Jahr 2022 mit einem durchschnittlichen Meistbegünstigungssatz von 18,1% die höchsten Einfuhrzölle weltweit. Im Vergleich dazu lag China bei 7,5%, die Europäische Union bei 5,1% und die USA bei 3,3%. Derartige Einfuhrbeschränkungen können für Hersteller, die auf die Einfuhr von Komponenten für die Montage und den Export ihrer Produkte angewiesen sind, hinderlich sein. Indien hat in den letzten Jahren stark in die Infrastruktur investiert, und das brüchige Verkehrsnetz des Landes hat sich verbessert. So hat sich die Durchschnittsgeschwindigkeit von Güterzügen in den letzten zwei Jahren um über 50% erhöht, und die Wartezeiten in den Häfen sind laut Macquarie seit 2015 um 80% gesunken. Um dieses Niveau des Infrastrukturausbaus aufrechtzuerhalten, sind höhere Steuereinnahmen, geringere Subventionen oder eine wesentlich stärkere Beteiligung des Privatsektors erforderlich.
Zu wenig FDI Aus diesem Grund muss Indien alles tun, um ausländischen Direktinvestitionen den Weg zu ebnen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Dessen Anteil am BIP liegt seit Jahren unter 15%, die Regierung hat sich ein Ziel von 25% gesetzt. Allerdings gingen die FDI nach dem Rekordjahr 2020 in den Jahren 2022 und 2023 zurück. Das liegt zum einen am Zusammenbruch der globalen Tech-Blase, was Indien stark getroffen hat, und der allgemeine Rückzug der globalen Risikokapitalfinanzierung. Besonders die schrumpfenden Investitionen in die PC-Produktion auf dem Subkontinent besorgniserregend, denn das Land braucht diese arbeitsintensiven Montagearbeitsplätze dringend. Elektronikriesen wie Foxconn lassen Gelder fließen, haben aber unter anderem mit unflexiblen Arbeitsgesetzen zu kämpfen. Zumindest im Moment bleibt Indien eine hauptsächlich konsum- und dienstleistungsorientierte Wirtschaft. Solange es nicht in der Lage ist, die ausländischen Direktinvestitionen im verarbeitenden Gewerbe wirklich anzukurbeln, wird es schwer sein, mit den asiatischen Tigern und Drachen mitzuhalten.
AsienInsider: Nicht das neue China
NEW DELHI (Dow Jones)–Es gibt viele Gründe für einen optimistischen Indien-Ausblick. Die Bevölkerungszahl des Landes hat im letzten Jahr die Chinas übertroffen. Mehr als die Hälfte der Inder ist unter 25 Jahre alt. Und bei den derzeitigen Wachstumsraten könnte das Land in weniger als einem Jahrzehnt zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen, nachdem es vor kurzem Großbritannien von Platz 5 verdrängt hat. Der indische Aktienmarkt verzeichnet nun seit acht Jahren in Folge Kursgewinne. Die sich verschlechternden Handelsbeziehungen zwischen dem Westen und Beijing sind für New Delhi nur von Vorteil. Doch die Entwicklung des Subkontinents dürfte jedoch ganz anders aussehen – und schwieriger sein – als die Chinas.
Gebunden an Erziehung und Pflege
Zwar gibt es theoretisch reichlich Arbeitskräfte, doch eine Reihe von Hindernissen erschwert die Vermittlung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Das macht es für Haushalte und Unternehmen gleichermaßen schwer, die Ersparnisse aufzubauen, die für die Art von Investitions-Boom benötigt werden, wie Taiwan und Südkorea es erlebt haben. Ein weiteres Problem sind die nach wie vor hohen Handelsbeschränkungen, mit denen Indien nicht die neue „Werkbank der Welt“ werden kann.
Im Gegensatz zu China sind in Indien protektionistische Maßnahmen, die dem Volk gefallen, Teil der Gleichung. Nach Angaben der WTO hatte Indien im Jahr 2022 mit einem durchschnittlichen Meistbegünstigungssatz von 18,1% die höchsten Einfuhrzölle weltweit. Im Vergleich dazu lag China bei 7,5%, die Europäische Union bei 5,1% und die USA bei 3,3%. Derartige Einfuhrbeschränkungen können für Hersteller, die auf die Einfuhr von Komponenten für die Montage und den Export ihrer Produkte angewiesen sind, hinderlich sein.
Indien hat in den letzten Jahren stark in die Infrastruktur investiert, und das brüchige Verkehrsnetz des Landes hat sich verbessert. So hat sich die Durchschnittsgeschwindigkeit von Güterzügen in den letzten zwei Jahren um über 50% erhöht, und die Wartezeiten in den Häfen sind laut Macquarie seit 2015 um 80% gesunken. Um dieses Niveau des Infrastrukturausbaus aufrechtzuerhalten, sind höhere Steuereinnahmen, geringere Subventionen oder eine wesentlich stärkere Beteiligung des Privatsektors erforderlich.
Zu wenig FDI
Aus diesem Grund muss Indien alles tun, um ausländischen Direktinvestitionen den Weg zu ebnen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe.
Dessen Anteil am BIP liegt seit Jahren unter 15%, die Regierung hat sich ein Ziel von 25% gesetzt. Allerdings gingen die FDI nach dem Rekordjahr 2020 in den Jahren 2022 und 2023 zurück. Das liegt zum einen am Zusammenbruch der globalen Tech-Blase, was Indien stark getroffen hat, und der allgemeine Rückzug der globalen Risikokapitalfinanzierung. Besonders die schrumpfenden Investitionen in die PC-Produktion auf dem Subkontinent besorgniserregend, denn das Land braucht diese arbeitsintensiven Montagearbeitsplätze dringend. Elektronikriesen wie Foxconn lassen Gelder fließen, haben aber unter anderem mit unflexiblen Arbeitsgesetzen zu kämpfen.
Zumindest im Moment bleibt Indien eine hauptsächlich konsum- und dienstleistungsorientierte Wirtschaft. Solange es nicht in der Lage ist, die ausländischen Direktinvestitionen im verarbeitenden Gewerbe wirklich anzukurbeln, wird es schwer sein, mit den asiatischen Tigern und Drachen mitzuhalten.