Technische Compliance stellt einen nicht zu vernachlässigenden Kosten-, Qualitäts- und Terminfaktor beim Export von Maschinen und Anlagen nach Russland und die Eurasische Wirtschaftsunion dar.
Im Jahr 2019 berichteten MDR und ZDF über steigende Exporte nach Russland, und Germany Trade and Invest (GTAI) prognostizierte eine positive Entwicklung für das deutsche Maschinen- und Anlagenbaugeschäft in Russland, denn der Modernisierungsbedarf des Landes sei sehr hoch und dies eröffne deutschen Lieferanten gute Absatzmöglichkeiten. Trotz der Coronaflaute und immer noch bestehenden Sanktionen berichten auch einige Unternehmen von steigenden Anfragen aus dem größten Land der Welt und von einigen trotz der Weltkrise laufenden und gestarteten Projekten in der Region.
Standbeine der Projektabwicklung
Bei der Abwicklung solcher Projekte werden viele Faktoren berücksichtigt, doch ein für den Erfolg des Vorhabens ausschlaggebendes Thema wird seit Jahren vernachlässigt – das Thema der Technischen Compliance der herzustellenden, einzukaufenden und einzuführenden Güter.
Wirtschaftlichkeit und Effizienz stehen bei der Realisierung von internationalen Projekten immer im Fokus, und jede Entscheidung wird daran gemessen. Trotzdem berichten fast alle Projektverantwortlichen darüber, dass der Zeitverzug und Budgetüberschreitungen zu den hartnäckigen Schwachstellen bei der Projektabwicklung gehören und dass diese Probleme besonders deutlich bei der Realisierung von Vorhaben im Ausland werden. Projekte in Russland gelten für viele Unternehmen als sehr lukrativ, aber auch besonders komplex und riskant. Als Ursachen für den ständigen Zeitmangel in allen Phasen und Schritten sowie für die immer weiter ansteigenden Kosten während der Projektierung, der Lieferung, der Montage und der Inbetriebnahme gelten „bürokratische Vorgänge“ bei Genehmigungsverfahren, verschleppende Verzollung, nicht vollständige oder fehlerhafte Lieferantendokumentation, aber auch unterschiedliches Verständnis bestimmter Sachverhalte und die nicht präzise genug definierte Aufgabenstellung im Vertrag und sonstige „undurchschaubare Prozesse“.
Die wahren Gründe für die oben beschriebenen Probleme finden sich jedoch in der Vernachlässigung der Thematik der Technischen Compliance und in mangelnden Kenntnissen der gesetzlichen und normativen Anforderungen des Ziellandes. Und in Bezug auf Russland sind das mindestens zwei Ebenen: die des Landes selbst und die der Eurasischen Wirtschaftsunion.
Es wird geplant, gekauft, gefertigt und geliefert. „Und dann steht man an der Grenze, es vergehen Tage, Wochen und Monate, die Ware bleibt im Zolllager hängen, und wenn sie dann doch zum Kunden ausgeliefert wird, kann diese nicht in Betrieb genommen werden, bis ‚irgendwelche Papiere‘ bereitgestellt werden“ – aus dem Bericht eines Projektmanagers zu Abwicklung eines Anlagenbauprojektes. Und dann beginnen Diskussionen mit dem Kunden, den Behörden, den Lieferanten und allen Beteiligten entlang der gesamten Lieferkette. In den meisten Fällen endet das mit dem Kauf neuer Komponenten, der Organisation externer Abnahmen und Prüfungen, der Erstellung der Dokumentation, der Durchführung von Berechnungen, der Anpassung der Unterlagen etc. So laufen die Zeit und die Kosten allen Beteiligten davon.
Verbesserungspotenzial durch Technische Compliance
Dem lässt sich durch eine geschickte und umfassende Technische-Compliance-Strategie entgegenwirken. Die Identifikation und Umsetzung der relevanten Vorschriften beginnen für jedes international agierende Unternehmen nicht bei der Lieferung der Ausrüstungen oder beim Bau einer Fabrik, sondern mindestens vor der Unterzeichnung des Vertrages und am besten bereits mit der Schulung des Vertriebspersonals.
Selbst ähnliche Maschinen oder Anlagen können unterschiedliche Anforderungen aufweisen, die durch diverse Faktoren beeinflussbar sind: geografische Lage mit unterschiedlichen klimatischen oder geologischen Bedingungen, Gegebenheiten vor Ort – der Bau auf der „grünen Wiese“ oder der Einbau in einen bestehenden Komplex mit vorhandener Infrastruktur, Brand- und Explosionsschutzanforderungen, Hygienevorschriften oder umwelttechnische Aspekte.
Anforderungen beachten
Die Herstellung und der Einkauf einzelner Güter sind entsprechend den normativ-rechtlichen Anforderungen zu gestalten. Neben der Qualität der eigentlichen Produkte (Maschinen, Apparate, Armaturen, Rohrleitungen, Messgeräte usw.) ist die Qualität der zu liefernden Dokumentation ein nicht zu unterschätzendes Kriterium für die rechtzeitige Abwicklung des Gesamtprojektes. Nicht nur die Art der zu liefernden Dokumente (u. a. Risikoanalysen, Festigkeitsberechnungen, technische Pässe), sondern auch deren Gestaltung ist für den Erfolg entscheidend. In dieser Phase erfolgen auch die Zulassungen der einzelnen Ausrüstungen – in Form von Zertifizierungen oder Deklarierungen entsprechend den jeweiligen technischen Reglements. Dabei ist zu beachten, dass bei einigen Zertifizierungsschemata eine in der EAWU akkreditierte Prüforganisation zur Abnahme der Ausrüstung rechtzeitig zu bestellen ist. Die langwierigen Registrierungsprozesse für die in überwachungspflichtigen Anlagen eingesetzte Messtechnik erfordern eine durchdachte Einkaufsstrategie aller Beteiligten und Kommunikation mit allen relevanten Parteien. Im Zuge der Reformierung der technischen Regulierung in Russland wurden öffentlich zugängliche Register geschaffen, was zu deutlich mehr Transparenz des russischen Zulassungssystems beiträgt.
Welcher Weg führt zum Erfolg?
Die erfolgreiche Projektabwicklung ist möglich nur durch Beachtung relevanter Vorschriften und auf Grundlage einwandfreier Dokumentation, deren Umfang und Inhalt abhängig vom Industriebereich und der Art des Produktes variiert. Diese Dokumente sind zu identifizieren, zu beschaffen, den betreffenden Parteien entlang der gesamten Lieferkette entsprechend zu vermitteln und deren Einhaltung zu überwachen. Außerdem erfordert ein effizientes Projektmanagement die Koordination aller Zulassungs-, Zertifizierungs-, Genehmigungs-, Registrierungs- und Abnahmeprozesse sowie die Kommunikation zwischen zahlreichen Parteien – sowohl interner als auch externer Stakeholder. Dies gilt nicht nur für Projekte in Russland, sondern auch in der EAWU oder in der Ukraine, sowie in vielen anderen Ländern der Welt.
Technische Compliance ist ein interdisziplinäres Feld und betrifft alle Organisationseinheiten und Strukturen in einem Unternehmen: alle Gewerke von Maschinen- über Apparate- bis Mess- und Elektrotechnik und alle Abteilungen. Die Personal- Vertriebs-, Rechts-, Versandabteilung sowie ein gutes Qualitäts- und Projektmanagement sorgen dafür, dass die Menschen qualifiziert, alle Kosten und Termine berücksichtigt sowie die Verträge korrekt formuliert sind und zu liefernde Produkte entsprechend den Anforderungen hergestellt, abgenommen, markiert, verpackt, versendet, verzollt und in Betrieb genommen werden können. Eine ganzheitliche Compliance-Strategie ermöglicht die erfolgreiche Abwicklung internationaler Projekte und trägt zur Effizienz der Unternehmensprozesse und der gesamten Organisation der Supply Chain bei.
Prof. Dr. rer. pol. Julia KrauseProfessorin für International Industrial Sourcing and Sales, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden
EAWU Insights: Internationales Projektmanagement in Russland und in der EAWU
Technische Compliance stellt einen nicht zu vernachlässigenden Kosten-, Qualitäts- und Terminfaktor beim Export von Maschinen und Anlagen nach Russland und die Eurasische Wirtschaftsunion dar.
Im Jahr 2019 berichteten MDR und ZDF über steigende Exporte nach Russland, und Germany Trade and Invest (GTAI) prognostizierte eine positive Entwicklung für das deutsche Maschinen- und Anlagenbaugeschäft in Russland, denn der Modernisierungsbedarf des Landes sei sehr hoch und dies eröffne deutschen Lieferanten gute Absatzmöglichkeiten. Trotz der Coronaflaute und immer noch bestehenden Sanktionen berichten auch einige Unternehmen von steigenden Anfragen aus dem größten Land der Welt und von einigen trotz der Weltkrise laufenden und gestarteten Projekten in der Region.
Standbeine der Projektabwicklung
Bei der Abwicklung solcher Projekte werden viele Faktoren berücksichtigt, doch ein für den Erfolg des Vorhabens ausschlaggebendes Thema wird seit Jahren vernachlässigt – das Thema der Technischen Compliance der herzustellenden, einzukaufenden und einzuführenden Güter.
Wirtschaftlichkeit und Effizienz stehen bei der Realisierung von internationalen Projekten immer im Fokus, und jede Entscheidung wird daran gemessen. Trotzdem berichten fast alle Projektverantwortlichen darüber, dass der Zeitverzug und Budgetüberschreitungen zu den hartnäckigen Schwachstellen bei der Projektabwicklung gehören und dass diese Probleme besonders deutlich bei der Realisierung von Vorhaben im Ausland werden. Projekte in Russland gelten für viele Unternehmen als sehr lukrativ, aber auch besonders komplex und riskant. Als Ursachen für den ständigen Zeitmangel in allen Phasen und Schritten sowie für die immer weiter ansteigenden Kosten während der Projektierung, der Lieferung, der Montage und der Inbetriebnahme gelten „bürokratische Vorgänge“ bei Genehmigungsverfahren, verschleppende Verzollung, nicht vollständige oder fehlerhafte Lieferantendokumentation, aber auch unterschiedliches Verständnis bestimmter Sachverhalte und die nicht präzise genug definierte Aufgabenstellung im Vertrag und sonstige „undurchschaubare Prozesse“.
Die wahren Gründe für die oben beschriebenen Probleme finden sich jedoch in der Vernachlässigung der Thematik der Technischen Compliance und in mangelnden Kenntnissen der gesetzlichen und normativen Anforderungen des Ziellandes. Und in Bezug auf Russland sind das mindestens zwei Ebenen: die des Landes selbst und die der Eurasischen Wirtschaftsunion.
Es wird geplant, gekauft, gefertigt und geliefert. „Und dann steht man an der Grenze, es vergehen Tage, Wochen und Monate, die Ware bleibt im Zolllager hängen, und wenn sie dann doch zum Kunden ausgeliefert wird, kann diese nicht in Betrieb genommen werden, bis ‚irgendwelche Papiere‘ bereitgestellt werden“ – aus dem Bericht eines Projektmanagers zu Abwicklung eines Anlagenbauprojektes. Und dann beginnen Diskussionen mit dem Kunden, den Behörden, den Lieferanten und allen Beteiligten entlang der gesamten Lieferkette. In den meisten Fällen endet das mit dem Kauf neuer Komponenten, der Organisation externer Abnahmen und Prüfungen, der Erstellung der Dokumentation, der Durchführung von Berechnungen, der Anpassung der Unterlagen etc. So laufen die Zeit und die Kosten allen Beteiligten davon.
Verbesserungspotenzial durch Technische Compliance
Dem lässt sich durch eine geschickte und umfassende Technische-Compliance-Strategie entgegenwirken. Die Identifikation und Umsetzung der relevanten Vorschriften beginnen für jedes international agierende Unternehmen nicht bei der Lieferung der Ausrüstungen oder beim Bau einer Fabrik, sondern mindestens vor der Unterzeichnung des Vertrages und am besten bereits mit der Schulung des Vertriebspersonals.
Selbst ähnliche Maschinen oder Anlagen können unterschiedliche Anforderungen aufweisen, die durch diverse Faktoren beeinflussbar sind: geografische Lage mit unterschiedlichen klimatischen oder geologischen Bedingungen, Gegebenheiten vor Ort – der Bau auf der „grünen Wiese“ oder der Einbau in einen bestehenden Komplex mit vorhandener Infrastruktur, Brand- und Explosionsschutzanforderungen, Hygienevorschriften oder umwelttechnische Aspekte.
Anforderungen beachten
Die Herstellung und der Einkauf einzelner Güter sind entsprechend den normativ-rechtlichen Anforderungen zu gestalten. Neben der Qualität der eigentlichen Produkte (Maschinen, Apparate, Armaturen, Rohrleitungen, Messgeräte usw.) ist die Qualität der zu liefernden Dokumentation ein nicht zu unterschätzendes Kriterium für die rechtzeitige Abwicklung des Gesamtprojektes. Nicht nur die Art der zu liefernden Dokumente (u. a. Risikoanalysen, Festigkeitsberechnungen, technische Pässe), sondern auch deren Gestaltung ist für den Erfolg entscheidend. In dieser Phase erfolgen auch die Zulassungen der einzelnen Ausrüstungen – in Form von Zertifizierungen oder Deklarierungen entsprechend den jeweiligen technischen Reglements. Dabei ist zu beachten, dass bei einigen Zertifizierungsschemata eine in der EAWU akkreditierte Prüforganisation zur Abnahme der Ausrüstung rechtzeitig zu bestellen ist. Die langwierigen Registrierungsprozesse für die in überwachungspflichtigen Anlagen eingesetzte Messtechnik erfordern eine durchdachte Einkaufsstrategie aller Beteiligten und Kommunikation mit allen relevanten Parteien. Im Zuge der Reformierung der technischen Regulierung in Russland wurden öffentlich zugängliche Register geschaffen, was zu deutlich mehr Transparenz des russischen Zulassungssystems beiträgt.
Welcher Weg führt zum Erfolg?
Die erfolgreiche Projektabwicklung ist möglich nur durch Beachtung relevanter Vorschriften und auf Grundlage einwandfreier Dokumentation, deren Umfang und Inhalt abhängig vom Industriebereich und der Art des Produktes variiert. Diese Dokumente sind zu identifizieren, zu beschaffen, den betreffenden Parteien entlang der gesamten Lieferkette entsprechend zu vermitteln und deren Einhaltung zu überwachen. Außerdem erfordert ein effizientes Projektmanagement die Koordination aller Zulassungs-, Zertifizierungs-, Genehmigungs-, Registrierungs- und Abnahmeprozesse sowie die Kommunikation zwischen zahlreichen Parteien – sowohl interner als auch externer Stakeholder. Dies gilt nicht nur für Projekte in Russland, sondern auch in der EAWU oder in der Ukraine, sowie in vielen anderen Ländern der Welt.
Technische Compliance ist ein interdisziplinäres Feld und betrifft alle Organisationseinheiten und Strukturen in einem Unternehmen: alle Gewerke von Maschinen- über Apparate- bis Mess- und Elektrotechnik und alle Abteilungen. Die Personal- Vertriebs-, Rechts-, Versandabteilung sowie ein gutes Qualitäts- und Projektmanagement sorgen dafür, dass die Menschen qualifiziert, alle Kosten und Termine berücksichtigt sowie die Verträge korrekt formuliert sind und zu liefernde Produkte entsprechend den Anforderungen hergestellt, abgenommen, markiert, verpackt, versendet, verzollt und in Betrieb genommen werden können. Eine ganzheitliche Compliance-Strategie ermöglicht die erfolgreiche Abwicklung internationaler Projekte und trägt zur Effizienz der Unternehmensprozesse und der gesamten Organisation der Supply Chain bei.
Prof. Dr. rer. pol. Julia KrauseProfessorin für International Industrial Sourcing and Sales, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden