Im Interview mit RusslandInsider spricht Jens Palmen, Russland-Chef von Schattdecor, über die spannende Firmengeschichte des oberbayerischen Weltmarktführers, die zunehmende Konkurrenz und das Leben in der russischen Provinz.
Herr Palmen, das Unternehmen, welches Sie repräsentieren, hat eine bemerkenswerte Geschichte in einem ganz spezifischen Produktbereich – bitte erzählen Sie uns die Entstehungsgeschichte des Unternehmens.
Schattdecor produziert Oberflächen für die Beschichtung von Holzplatten und die Herstellung von Schichtstoffmaterialien für die Möbelindustrie, Fußböden, Wandpaneele – alles rund um die Innen- und seit Kurzem auch die Außengestaltung von Räumen. Die Geschichte von Schattdecor begann im Jahr 1985, als Walter Schatt seine Unternehmensanteile am damals größten Dekortiefdrucker an die restlichen Gesellschafter verkaufte und in der Nähe von Rosenheim ein eigenes Druckunternehmen gründete. Seine Vision war von Anfang an ein neues Qualitätsdenken sowie ein ganzheitliches Lösungs- und Umweltbewusstsein. Mit einer Handvoll Kollegen aus dem bisherigen Unternehmen druckte Herr Schatt am 26. April 1985 in einer kleinen gemieteten Industriehalle im oberbayerischen Stephanskirchen die erste Rolle Dekorpapier. Vier Jahre später zogen sie nach Thansau, wo wir unsere Firmenzentrale gebaut hatten, und im Jahr 1993 wurde schließlich das erste Joint-Venture-Unternehmen von Schattdecor im Ausland (Polen) gegründet.
Heute produzieren etwa 2.800 Schattdecor-Mitarbeiter aus 27 Nationen 2,4 Milliarden Quadratmeter Dekoroberflächen jährlich. Damit sind wir Weltmarktführer und einer der vielen deutschen mittelständischen „Hidden Champions“. Man findet unsere Dekore überall auf der Welt in Flughäfen, Shops und Freizeitlocations, in Büros, Wohnungen, Caravans und im öffentlichen Raum.
Wie hat das Unternehmen den russischen Markt für sich entdeckt und was hat Sie veranlasst, in Russland eine Produktionsstätte zu errichten?
Der russische Markt wurde Ende der 1990er-Jahre zunächst von unseren polnischen Kollegen bearbeitet. Im Januar 2000 hat Schattdecor dann die Moskauer Repräsentanz eines unserer Papierlieferanten übernommen, die bis dahin auch unser Dekorpapier in Russland vertrieben hat. Dadurch gab es auch Kontakte zum damals größten russischen Möbelhersteller, dem MK Schatura. Der Inhaber hatte entschieden, sich auf sein Kerngeschäft, das Herstellen von Möbeln, zu konzentrieren und bot uns an, die Bereiche Druck und Imprägnierung zu übernehmen. Nach einem persönlichen Treffen vor Ort zwischen Herrn Schatt und dem Inhaber des Kombinats wurde der Deal per Handschlag besiegelt. Zum 01.10.2000 hat Schattdecor die entsprechenden Produktionsanlagen sowie das Personal übernommen und als erster in unserer Branche das Abenteuer Russland gestartet.
Herr Schatt hat schnell das unglaubliche Potenzial Russlands erkannt und vorhergesehen, dass hier ein großes Wachstum stattfinden wird. Schließlich entwickelte sich die russische Wirtschaft seit Ende der 1990er-Jahre stetig und es gab einen riesigen Nachholbedarf an neuen Wohnungen und somit auch an neuen Möbeln, Türen, Laminatfußboden und Küchen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Heute betreiben wir in Russland zwei Standorte in Tschechow und Tjumen und beliefern mit 315 Mitarbeitern den Markt in Russland und den GUS-Staaten, vermehrt auch in andere Weltregionen.
Wo liegen Ihre Hauptkundenbereiche? Privatkundengeschäft oder industriell?
Wir arbeiten ausschließlich im B2B-Bereich, also mit Industriekunden. Der Endkunde, also der Käufer von Möbeln, Türen, Küchen oder Laminatfußböden hat keine Ahnung, dass in dem Produkt, das er gerade gekauft hat, eventuell auch ein Produkt von einem „Hidden Champion“ steckt, nämlich von Schattdecor. Er kennt uns einfach nicht. Dabei sind wir in unserer Branche Marktführer und weltbekannt.
Gibt es auf diesem spezifischen Gebiet überhaupt Konkurrenz für Sie? In Russland und weltweit?
Wie überall gibt es auch bei uns Konkurrenz – sowohl weltweit als auch in Russland. Und diese nimmt stetig zu, was mehrere Gründe hat. Zum einen sind viele Großkunden integriert, d. h. sie imprägnieren z. B. selbst und drucken teilweise auch. Hier ist u. a. das Thema Digitaldruck zu nennen, das es für einige Kunden und Bereiche einfacher macht, in das Druckgeschäft einzusteigen, als es beim klassischen Tiefdruck der Fall wäre. Zum anderen findet auf der Kundenseite eine stetige Konzentration statt, sodass teilweise die klassischen „alten“ Kunden wegfallen. Daher müssen wir uns immer wieder neu erfinden und schneller und besser als die Konkurrenz sein.
Welche Zukunftspläne haben Sie betreffend Produktentwicklung und -angebot?
Konkrete Angaben hierzu kann ich Ihnen nicht machen, aber wir sind immer auf der Suche nach Produkten, die unser Sortiment erweitern und abrunden können. Getreu unserem Motto „One Source. Unlimited Solutions.“ haben wir uns in den vergangenen Jahren aus einem reinen Druckunternehmen zu Oberflächenspezialisten mit einem breiten Sortiment entwickelt. Hierzu gehört auch die weitere Vertiefung der Fertigungsstufe, also die Herstellung von Rohstoffen für unsere Produktion. So stellen wir heute bereits in einem Joint Venture in China Papier her und in der Schweiz die Farben. Wir machen die Pigmentpasten selbst ebenso wie Lacke, Additive und Harze.
Da die Märkte immer gesättigter sind, versuchen wir durch solche Maßnahmen, die Kosten zu senken oder durch neue Produkte mehr Umsatz zu generieren. Dazu sind alle unsere Standorte ständig im Austausch mit ihren Kunden, Lieferanten und Schwesterunternehmen.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wohnen Sie mit Ihrer Familie direkt vor Ort? Und wenn ja, wie fühlen Sie sich in der russischen Provinz?
Wir leben mit meiner russischen Frau und unseren zwei Kindern sowohl im „Deutschen Dorf“ in Moskau als auch auf der Datscha in Werksnähe bei Tschechow. Meine Kinder kennen es nicht anders und ich bin lang genug hier, als dass es mich belasten würde. Ich habe tolle russische Kollegen und Geschäftskontakte und gemeinsam mit der Familie haben wir viele Freunde und Nachbarn. Hinzu kommt die russische Familie meiner Frau.
Die Lebensqualität weicht zwar von Deutschland ab, allerdings kann man es sich in Russland trotz vieler Widrigkeiten sehr gutgehen lassen. Die russische Gastfreundschaft ist kein Mythos, sondern existiert wirklich, auch wenn das vor dem geopolitischen Hintergrund aktuell keiner mehr wahrhaben möchte.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.
Interview: „Wir haben das Potenzial Russlands schnell erkannt“
Im Interview mit RusslandInsider spricht Jens Palmen, Russland-Chef von Schattdecor, über die spannende Firmengeschichte des oberbayerischen Weltmarktführers, die zunehmende Konkurrenz und das Leben in der russischen Provinz.
Herr Palmen, das Unternehmen, welches Sie repräsentieren, hat eine bemerkenswerte Geschichte in einem ganz spezifischen Produktbereich – bitte erzählen Sie uns die Entstehungsgeschichte des Unternehmens.
Schattdecor produziert Oberflächen für die Beschichtung von Holzplatten und die Herstellung von Schichtstoffmaterialien für die Möbelindustrie, Fußböden, Wandpaneele – alles rund um die Innen- und seit Kurzem auch die Außengestaltung von Räumen. Die Geschichte von Schattdecor begann im Jahr 1985, als Walter Schatt seine Unternehmensanteile am damals größten Dekortiefdrucker an die restlichen Gesellschafter verkaufte und in der Nähe von Rosenheim ein eigenes Druckunternehmen gründete. Seine Vision war von Anfang an ein neues Qualitätsdenken sowie ein ganzheitliches Lösungs- und Umweltbewusstsein. Mit einer Handvoll Kollegen aus dem bisherigen Unternehmen druckte Herr Schatt am 26. April 1985 in einer kleinen gemieteten Industriehalle im oberbayerischen Stephanskirchen die erste Rolle Dekorpapier. Vier Jahre später zogen sie nach Thansau, wo wir unsere Firmenzentrale gebaut hatten, und im Jahr 1993 wurde schließlich das erste Joint-Venture-Unternehmen von Schattdecor im Ausland (Polen) gegründet.
Heute produzieren etwa 2.800 Schattdecor-Mitarbeiter aus 27 Nationen 2,4 Milliarden Quadratmeter Dekoroberflächen jährlich. Damit sind wir Weltmarktführer und einer der vielen deutschen mittelständischen „Hidden Champions“. Man findet unsere Dekore überall auf der Welt in Flughäfen, Shops und Freizeitlocations, in Büros, Wohnungen, Caravans und im öffentlichen Raum.
Wie hat das Unternehmen den russischen Markt für sich entdeckt und was hat Sie veranlasst, in Russland eine Produktionsstätte zu errichten?
Der russische Markt wurde Ende der 1990er-Jahre zunächst von unseren polnischen Kollegen bearbeitet. Im Januar 2000 hat Schattdecor dann die Moskauer Repräsentanz eines unserer Papierlieferanten übernommen, die bis dahin auch unser Dekorpapier in Russland vertrieben hat. Dadurch gab es auch Kontakte zum damals größten russischen Möbelhersteller, dem MK Schatura. Der Inhaber hatte entschieden, sich auf sein Kerngeschäft, das Herstellen von Möbeln, zu konzentrieren und bot uns an, die Bereiche Druck und Imprägnierung zu übernehmen. Nach einem persönlichen Treffen vor Ort zwischen Herrn Schatt und dem Inhaber des Kombinats wurde der Deal per Handschlag besiegelt. Zum 01.10.2000 hat Schattdecor die entsprechenden Produktionsanlagen sowie das Personal übernommen und als erster in unserer Branche das Abenteuer Russland gestartet.
Herr Schatt hat schnell das unglaubliche Potenzial Russlands erkannt und vorhergesehen, dass hier ein großes Wachstum stattfinden wird. Schließlich entwickelte sich die russische Wirtschaft seit Ende der 1990er-Jahre stetig und es gab einen riesigen Nachholbedarf an neuen Wohnungen und somit auch an neuen Möbeln, Türen, Laminatfußboden und Küchen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Heute betreiben wir in Russland zwei Standorte in Tschechow und Tjumen und beliefern mit 315 Mitarbeitern den Markt in Russland und den GUS-Staaten, vermehrt auch in andere Weltregionen.
Wo liegen Ihre Hauptkundenbereiche? Privatkundengeschäft oder industriell?
Wir arbeiten ausschließlich im B2B-Bereich, also mit Industriekunden. Der Endkunde, also der Käufer von Möbeln, Türen, Küchen oder Laminatfußböden hat keine Ahnung, dass in dem Produkt, das er gerade gekauft hat, eventuell auch ein Produkt von einem „Hidden Champion“ steckt, nämlich von Schattdecor. Er kennt uns einfach nicht. Dabei sind wir in unserer Branche Marktführer und weltbekannt.
Gibt es auf diesem spezifischen Gebiet überhaupt Konkurrenz für Sie? In Russland und weltweit?
Wie überall gibt es auch bei uns Konkurrenz – sowohl weltweit als auch in Russland. Und diese nimmt stetig zu, was mehrere Gründe hat. Zum einen sind viele Großkunden integriert, d. h. sie imprägnieren z. B. selbst und drucken teilweise auch. Hier ist u. a. das Thema Digitaldruck zu nennen, das es für einige Kunden und Bereiche einfacher macht, in das Druckgeschäft einzusteigen, als es beim klassischen Tiefdruck der Fall wäre. Zum anderen findet auf der Kundenseite eine stetige Konzentration statt, sodass teilweise die klassischen „alten“ Kunden wegfallen. Daher müssen wir uns immer wieder neu erfinden und schneller und besser als die Konkurrenz sein.
Welche Zukunftspläne haben Sie betreffend Produktentwicklung und -angebot?
Konkrete Angaben hierzu kann ich Ihnen nicht machen, aber wir sind immer auf der Suche nach Produkten, die unser Sortiment erweitern und abrunden können. Getreu unserem Motto „One Source. Unlimited Solutions.“ haben wir uns in den vergangenen Jahren aus einem reinen Druckunternehmen zu Oberflächenspezialisten mit einem breiten Sortiment entwickelt. Hierzu gehört auch die weitere Vertiefung der Fertigungsstufe, also die Herstellung von Rohstoffen für unsere Produktion. So stellen wir heute bereits in einem Joint Venture in China Papier her und in der Schweiz die Farben. Wir machen die Pigmentpasten selbst ebenso wie Lacke, Additive und Harze.
Da die Märkte immer gesättigter sind, versuchen wir durch solche Maßnahmen, die Kosten zu senken oder durch neue Produkte mehr Umsatz zu generieren. Dazu sind alle unsere Standorte ständig im Austausch mit ihren Kunden, Lieferanten und Schwesterunternehmen.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wohnen Sie mit Ihrer Familie direkt vor Ort? Und wenn ja, wie fühlen Sie sich in der russischen Provinz?
Wir leben mit meiner russischen Frau und unseren zwei Kindern sowohl im „Deutschen Dorf“ in Moskau als auch auf der Datscha in Werksnähe bei Tschechow. Meine Kinder kennen es nicht anders und ich bin lang genug hier, als dass es mich belasten würde. Ich habe tolle russische Kollegen und Geschäftskontakte und gemeinsam mit der Familie haben wir viele Freunde und Nachbarn. Hinzu kommt die russische Familie meiner Frau.
Die Lebensqualität weicht zwar von Deutschland ab, allerdings kann man es sich in Russland trotz vieler Widrigkeiten sehr gutgehen lassen. Die russische Gastfreundschaft ist kein Mythos, sondern existiert wirklich, auch wenn das vor dem geopolitischen Hintergrund aktuell keiner mehr wahrhaben möchte.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling.