WARSCHAU (Mirko Kaupat)–Die regierende Partei PiS von Ex-Premier Jarosław Kaczyński und dem amtierenden Regierungschef Mateusz Morawiecki ist mit großer Wahrscheinlichkeit als stärkste Partei aus dem polnischen Parlamentswahlen hervorgegangen, wird aber wohl nicht erneut die Regierung bilden können. Den Ergebnissen der Wahltagsbefragungen (Exit Poll), zusammen mit den aktuell einfließenden Resultaten der Stimmauszählung zufolge kommt die PiS zwar auf etwa 36 Prozent der Stimmen, würde aber dennoch über sieben Prozentpunkte gegenüber der vorherigen Wahl im Jahr 2019 einbüßen. Auf dem zweiten Rang landet diesmal, wie auch vor vier Jahren, die gemäßigt-liberale Bürgerplattform unter dem ehemaligen Premier Donald Tusk, die auf 31 Prozent kommen dürfte. Dank dem starken Abschneiden der beiden weiteren Parteien der so genannten „demokratischen Opposition“, dem zentral-liberalen „Dritten Weg“ und der „Linken“, käme eine mögliche Koalitionsregierung dieser drei Mitte-Links-Gruppierungen nach derzeitigem Stand auf 53 Prozent. Nur noch eine weitere Partei wird den Sprung ins Parlament schaffen: Die rechtsnationalistische Partei „Konfederacja“, die aber mit sechs bis sieben Prozent ein enttäuschendes Resultat einfuhr. Kaczyńskis PiS könnte nach allgemeiner Einschätzung nur mit der „Konfederacja“ koalieren, was aber nicht zu einer Mehrheit reichen würde. Nach aktuellen Projektionen kommt die „demokratische Opposition“ auf 248 der 460 Sitze im Sejm, der ersten Kammer des polnischen Parlaments. Die absolute Mehrheit liegt bei 231 Sitzen. Ein Sitz wird auf die in Schlesien beheimatete deutsche Minderheit entfallen, deren Vertreter traditionsgemäß meist die aktuelle Regierungsmehrheit unterstützen. Vertreter der Opposition feierten bereits am späten Abend den historischen Sieg nach acht Jahren PiS-Herrschaft, der trotz vieler Hürden zustande kam. Auch in Berlin, Brüssel und weiteren Hauptstädten Europas war Erleichterung über das offenbare Ende der aktuellen Regierung zu vernehmen, die nach Ansicht der meisten Beobachter intensiv versucht hat, Medien, Justiz und Wirtschaft unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Erfolg der Opposition wurde möglich dank einer beispiellosen Mobilisierung am Wahltag. In Polen gibt es ein Briefwahlwahlrecht nur unter besonderen Umständen, etwa für Menschen mit Behinderungen. Ansonsten muss jeder im Wahllokal erscheinen. An vielen Orten bildeten sich Schlangen mit Wartezeiten von oft ein bis zwei Stunden. In einzelnen Fällen warteten die Menschen noch auf ihre Stimmabgabe zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale um 21 Uhr. Mit über 70 Prozent wurde deutlich ein neuer Rekord bei der Wahlbeteiligung seit der Entstehung des demokratischen Polen im Jahr 1989 aufgestellt. Menschen im ländlichen Gebiet, im Alter von über 60 Jahren und weniger Gebildete wählten mit großem Abstand die PiS, während die Opposition umso stärker abschneidet, je städtischer, gebildeter und jünger die Wählerschaft wird. Präsident Andrzej Duda, der noch fast zwei Jahre im Amt sein wird, hat nun die Aufgabe, eine Person mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen. Es ist derzeit noch unklar, ob Duda, der selbst aus der PiS stammt, zunächst versuchen wird, die Opposition an der Regierungsbildung zu hindern. Es wird erwartet, dass eine von der jetzigen Opposition gebildete Regierung zunächst die umstrittenen Justizreformen zurücknimmt, damit die Beziehungen zur EU bereinigt und die Milliarden Euro an Strukturhilfen für Polen, die von Brüssel eingefroren wurden, freischaltet. Auch die Beziehungen zu Deutschland dürften wieder auf ein partnerschaftliches Niveau zurückgeführt werden. Mittelfristig könnte eine Euro-Einführung in Polen angestrebt werden, die staatlichen Konzerne wie der Mineralöl-Riese Orlen sollen entpolitisiert und die Verstaatlichung von immer mehr Unternehmen gebremst werden.
OID+: Opposition gewinnt offenbar Richtungswahl
WARSCHAU (Mirko Kaupat)–Die regierende Partei PiS von Ex-Premier Jarosław Kaczyński und dem amtierenden Regierungschef Mateusz Morawiecki ist mit großer Wahrscheinlichkeit als stärkste Partei aus dem polnischen Parlamentswahlen hervorgegangen, wird aber wohl nicht erneut die Regierung bilden können. Den Ergebnissen der Wahltagsbefragungen (Exit Poll), zusammen mit den aktuell einfließenden Resultaten der Stimmauszählung zufolge kommt die PiS zwar auf etwa 36 Prozent der Stimmen, würde aber dennoch über sieben Prozentpunkte gegenüber der vorherigen Wahl im Jahr 2019 einbüßen. Auf dem zweiten Rang landet diesmal, wie auch vor vier Jahren, die gemäßigt-liberale Bürgerplattform unter dem ehemaligen Premier Donald Tusk, die auf 31 Prozent kommen dürfte. Dank dem starken Abschneiden der beiden weiteren Parteien der so genannten „demokratischen Opposition“, dem zentral-liberalen „Dritten Weg“ und der „Linken“, käme eine mögliche Koalitionsregierung dieser drei Mitte-Links-Gruppierungen nach derzeitigem Stand auf 53 Prozent. Nur noch eine weitere Partei wird den Sprung ins Parlament schaffen: Die rechtsnationalistische Partei „Konfederacja“, die aber mit sechs bis sieben Prozent ein enttäuschendes Resultat einfuhr. Kaczyńskis PiS könnte nach allgemeiner Einschätzung nur mit der „Konfederacja“ koalieren, was aber nicht zu einer Mehrheit reichen würde. Nach aktuellen Projektionen kommt die „demokratische Opposition“ auf 248 der 460 Sitze im Sejm, der ersten Kammer des polnischen Parlaments. Die absolute Mehrheit liegt bei 231 Sitzen. Ein Sitz wird auf die in Schlesien beheimatete deutsche Minderheit entfallen, deren Vertreter traditionsgemäß meist die aktuelle Regierungsmehrheit unterstützen.
Vertreter der Opposition feierten bereits am späten Abend den historischen Sieg nach acht Jahren PiS-Herrschaft, der trotz vieler Hürden zustande kam. Auch in Berlin, Brüssel und weiteren Hauptstädten Europas war Erleichterung über das offenbare Ende der aktuellen Regierung zu vernehmen, die nach Ansicht der meisten Beobachter intensiv versucht hat, Medien, Justiz und Wirtschaft unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Erfolg der Opposition wurde möglich dank einer beispiellosen Mobilisierung am Wahltag. In Polen gibt es ein Briefwahlwahlrecht nur unter besonderen Umständen, etwa für Menschen mit Behinderungen. Ansonsten muss jeder im Wahllokal erscheinen. An vielen Orten bildeten sich Schlangen mit Wartezeiten von oft ein bis zwei Stunden. In einzelnen Fällen warteten die Menschen noch auf ihre Stimmabgabe zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale um 21 Uhr. Mit über 70 Prozent wurde deutlich ein neuer Rekord bei der Wahlbeteiligung seit der Entstehung des demokratischen Polen im Jahr 1989 aufgestellt.
Menschen im ländlichen Gebiet, im Alter von über 60 Jahren und weniger Gebildete wählten mit großem Abstand die PiS, während die Opposition umso stärker abschneidet, je städtischer, gebildeter und jünger die Wählerschaft wird.
Präsident Andrzej Duda, der noch fast zwei Jahre im Amt sein wird, hat nun die Aufgabe, eine Person mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen. Es ist derzeit noch unklar, ob Duda, der selbst aus der PiS stammt, zunächst versuchen wird, die Opposition an der Regierungsbildung zu hindern.
Es wird erwartet, dass eine von der jetzigen Opposition gebildete Regierung zunächst die umstrittenen Justizreformen zurücknimmt, damit die Beziehungen zur EU bereinigt und die Milliarden Euro an Strukturhilfen für Polen, die von Brüssel eingefroren wurden, freischaltet. Auch die Beziehungen zu Deutschland dürften wieder auf ein partnerschaftliches Niveau zurückgeführt werden. Mittelfristig könnte eine Euro-Einführung in Polen angestrebt werden, die staatlichen Konzerne wie der Mineralöl-Riese Orlen sollen entpolitisiert und die Verstaatlichung von immer mehr Unternehmen gebremst werden.