Der belarussische Unternehmer Alexander Murawjow mit Wohnsitz und Holding in Österreich war lange Zeit formal einer der größten österreichischen Investoren in Belarus. 2015 brachte ihn der KGB von Belarus für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis und Österreich leistete in einem fragwürdigen Verfahren Rechtshilfe. Im Gespräch mit der „APA“ erhebt Murawjow nun schwere Vorwürfe.
Unter anderem wirft der Geschäftsmann dem Regime von Alexander Lukaschenko Misshandlung vor: „Sie haben mich im KGB-Keller gefoltert“, sagte er der „APA“. Bevor die Niederschlagung der Demokratiebewegung 2020 zu einer Neubewertung des Regimes von Aleksander Lukaschenko führte, hatten sich die Beziehungen zwischen Minsk und Wien lange prächtig entwickelt: Nach einer Zwischenlösung war 2016 eine vollwertige Botschaft in Minsk eröffnet worden, 2019 war Lukaschenko bei einem Staatsbesuch von den Spitzen der Republik und der Wirtschaft in Wien hofiert worden: Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach damals von Österreich und Belarus als „befreundeten Nationen“, lobte Lukaschenkos „erheblichen Beitrag“ bei einer Annäherung an die EU und übte nur sachte Kritik in Menschenrechtsfragen. Keine Rede war von jener fragwürdigen Causa gewesen, die 2017 de facto zur Zwangsverstaatlichung des belarussischen Aktienbesitzes einer österreichischen Holding geführt hatte. „Meine Menschenrechte sind in Belarus grob verletzt worden“, erklärte Alexander Murawjow im ersten Interview seit seiner Freilassung, das er der „APA“ gab – beteiligt waren auch „Belsat TV“ und das „Belarusian Investigative Center“. Abgesehen von Schlägen im KGB-Untersuchungsgefängnis schilderte er Todesdrohungen. „Sie sagten mir, dass ich schon nicht mehr lebe und meine Kinder mein Grab nicht einmal finden würden“, schilderte er. Das sei ein ernsthafter Druck gewesen, berichtete der Unternehmer, der jedoch ein Geständnis verweigerte. Auch habe Lukaschenko noch vor seiner rechtskräftigen Verurteilung 2017 öffentlich gesagt habe, er habe ihm mit Gefängnis gedroht, klagte er aus seinem temporären Exil in Dubai. Dorthin war er am Tag nach seiner Freilassung Ende 2022 geflohen. Seit Anfang der Nullerjahre war der seit studierte Sportwissenschaftler in Österreich tätig gewesen, lebte dort und hatte teils gemeinsam mit Partnern über ein Firmengeflecht in Wien Beteiligungen in Belarus erworben: 2002 kaufte die mit Murawjow verbundene ATEC Handelsgesellschaft 65% einer Glasfabrik im Dorf Jelisowo. Wirtschaftliche Erfolge brachten ihm 2006 eine Anerkennungsmedaille von Lukaschenko ein. Im Jahr danach konnte die ATEC Holding GmbH vom Staat 99,72% der Aktien des traditionsreichen Minsker Motor- und Fahrradherstellers Motowelo erwerben, die 2013 an die ATEC Investment GmbH gingen. Trotz des zeitweiligen Wohlwollens von höchster Stelle und auch obwohl manche Partner später im engen Umfeld Lukaschenkos tätig wurden, bestreitet er, je ein Strohmann des Regimes gewesen zu sein. „Seit ich 22 Jahre alt bin, hat nie irgendwer hinter mir gestanden“, sagte der 1966 geborene und seit 1988 unternehmerisch tätige Murawjow. 2015 setzten die belarussischen Behörden diesen Aktivitäten ein jähes Ende: Nachdem er laut eigener Darstellung abgelehnt hatte, die Motowelo-Aktien im Besitz der ATEC Investment GmbH dem Staat zu schenken, steckte ihn KGB am 1. Juni 2015 in ein berüchtigtes Minsker Gefängnis. Er sollte dort in Summe mehr als drei Jahre verbringen. Der Geheimdienst fungierte als Ermittlungsbehörde und warf ihm neben Steuerdelikten vor, Investitionspläne bei Motowelo nicht eingehalten zu haben. Murawjow erachtete die Vorwürfe als fabriziert. Dennoch wurde er 2017 zu insgesamt elf Jahren Haft mit Vermögensverfall verurteilt. „Das Strafmaß steht in keinem Verhältnis zu den im Urteil beschrieben Verfehlungen. Auch resultiert aus der Beschreibung keine Gewissheit, dass es überhaupt ein Verbrechen gab“, erklärte Jurist Michail Kiriljuk dem Belarusian Investigative Center. Denn in Westeuropa oder den USA wäre das lediglich Gegenstand für zivilrechtliche Auseinandersetzungen, kommentierte der Mitstreiter des Oppositionellen Pawel Latuschka. In Österreich wurde dem KGB damals jedoch bereitwillig Rechtshilfe geleistet: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ordnete mit gerichtlicher Genehmigung eine Hausdurchsuchung in Murawjows Villa in Oberwaltersdorf an, aktiv wurde auch die Staatsanwaltschaft Wien. Sie konnte das Ersuchen aus Minsk jedoch aufgrund des Rechtsmittels einer Bank nicht sofort umsetzen. Gestoppt wurde diese Unterstützung für den KGB schließlich im November 2016 durch den österreichischen Obersten Gerichtshof (OGH), der die Beschlüsse der Staatsanwaltschaften als „nicht im Einklang mit dem Gesetz“ beurteilte. Nicht erörtert vom OGH wurde ein Trick des Geheimdienstes, der für sein Rechtshilfeersuchen gegen Murawjow einen Vorwurf von Untreue konstruierte. Letzterer sollte später nicht einmal in Minsk vor Gericht halten. Untätig blieben hingegen die zuständigen Ministerien in Österreich: Im Außenministerium erklärte man auf „APA“-Anfrage, nichts über jenen Brief zu wissen, in dem im September 2018 ein Vertrauter Murawjows die damalige Außenministerin Karin Kneissl um Hilfe ersuchte. Auch eine nachweisliche Kontaktaufnahme mit der Botschaft in Minsk im Mai 2020 führte zu nichts: Das Außenministerium übermittelte auch keine Informationen an das Wirtschaftsministerium, in dessen Zuständigkeit ein bilaterales Abkommen zum Schutz für Investitionen fällt. Dieser Vertrag verbietet Belarus Maßnahmen gegen österreichische Investoren, die einer Enteignung gleichkommen würden, so sie nicht in einem rechtmäßigen Verfahren gesetzt würden. Im Urteil hatte das Gericht in Minsk 2017 nicht nur Murawjows Privatvermögen für verfallen erklärt, sondern es enteignete auch Aktien, die nicht ihm, sondern einer mit ihm in Verbindung stehenden österreichischen Holding gehört hatten. Beobachter in Belarus hatten diese Vorgangsweise seinerzeit deutlich kritisiert. Eine maßgebliche Rolle, dass der Belarusse auch sein gesamtes Vermögen in Österreich verlieren sollte, spielte schließlich eine lettische Bank: Wenige Wochen nach der Verhaftung bemühte sie sich im Zusammenhang mit ausbleibenden Kreditrückzahlungen vor einem Rigaer Schiedsgericht erfolgreich um einen Vollstreckungstitel. Die Rietumu Banka hatte dabei angegeben, dass die Parteien über das Verfahren korrekt informiert worden seien. Dies sei im KGB-Gefängnis nicht möglich gewesen, bestritt Murawjow diese Darstellung und machte der Bank Vorwürfe. Auf APA-Anfrage verweigerte die Bank Informationen zum konkreten Fall und verwies auf das Bankgeheimnis. „Die bewusste Verbreitung von Falschinformationen wird ihrerseits zivil- und strafrechtlich geahndet“, informierte eine Sprecherin der Bank.
OID+: Einst in Österreich tätiger Geschäftsmann erhebt Foltervorwürfe
Der belarussische Unternehmer Alexander Murawjow mit Wohnsitz und Holding in Österreich war lange Zeit formal einer der größten österreichischen Investoren in Belarus. 2015 brachte ihn der KGB von Belarus für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis und Österreich leistete in einem fragwürdigen Verfahren Rechtshilfe. Im Gespräch mit der „APA“ erhebt Murawjow nun schwere Vorwürfe.
Unter anderem wirft der Geschäftsmann dem Regime von Alexander Lukaschenko Misshandlung vor: „Sie haben mich im KGB-Keller gefoltert“, sagte er der „APA“. Bevor die Niederschlagung der Demokratiebewegung 2020 zu einer Neubewertung des Regimes von Aleksander Lukaschenko führte, hatten sich die Beziehungen zwischen Minsk und Wien lange prächtig entwickelt: Nach einer Zwischenlösung war 2016 eine vollwertige Botschaft in Minsk eröffnet worden, 2019 war Lukaschenko bei einem Staatsbesuch von den Spitzen der Republik und der Wirtschaft in Wien hofiert worden: Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach damals von Österreich und Belarus als „befreundeten Nationen“, lobte Lukaschenkos „erheblichen Beitrag“ bei einer Annäherung an die EU und übte nur sachte Kritik in Menschenrechtsfragen. Keine Rede war von jener fragwürdigen Causa gewesen, die 2017 de facto zur Zwangsverstaatlichung des belarussischen Aktienbesitzes einer österreichischen Holding geführt hatte.
„Meine Menschenrechte sind in Belarus grob verletzt worden“, erklärte Alexander Murawjow im ersten Interview seit seiner Freilassung, das er der „APA“ gab – beteiligt waren auch „Belsat TV“ und das „Belarusian Investigative Center“. Abgesehen von Schlägen im KGB-Untersuchungsgefängnis schilderte er Todesdrohungen. „Sie sagten mir, dass ich schon nicht mehr lebe und meine Kinder mein Grab nicht einmal finden würden“, schilderte er. Das sei ein ernsthafter Druck gewesen, berichtete der Unternehmer, der jedoch ein Geständnis verweigerte. Auch habe Lukaschenko noch vor seiner rechtskräftigen Verurteilung 2017 öffentlich gesagt habe, er habe ihm mit Gefängnis gedroht, klagte er aus seinem temporären Exil in Dubai. Dorthin war er am Tag nach seiner Freilassung Ende 2022 geflohen.
Seit Anfang der Nullerjahre war der seit studierte Sportwissenschaftler in Österreich tätig gewesen, lebte dort und hatte teils gemeinsam mit Partnern über ein Firmengeflecht in Wien Beteiligungen in Belarus erworben: 2002 kaufte die mit Murawjow verbundene ATEC Handelsgesellschaft 65% einer Glasfabrik im Dorf Jelisowo. Wirtschaftliche Erfolge brachten ihm 2006 eine Anerkennungsmedaille von Lukaschenko ein.
Im Jahr danach konnte die ATEC Holding GmbH vom Staat 99,72% der Aktien des traditionsreichen Minsker Motor- und Fahrradherstellers Motowelo erwerben, die 2013 an die ATEC Investment GmbH gingen. Trotz des zeitweiligen Wohlwollens von höchster Stelle und auch obwohl manche Partner später im engen Umfeld Lukaschenkos tätig wurden, bestreitet er, je ein Strohmann des Regimes gewesen zu sein. „Seit ich 22 Jahre alt bin, hat nie irgendwer hinter mir gestanden“, sagte der 1966 geborene und seit 1988 unternehmerisch tätige Murawjow.
2015 setzten die belarussischen Behörden diesen Aktivitäten ein jähes Ende: Nachdem er laut eigener Darstellung abgelehnt hatte, die Motowelo-Aktien im Besitz der ATEC Investment GmbH dem Staat zu schenken, steckte ihn KGB am 1. Juni 2015 in ein berüchtigtes Minsker Gefängnis. Er sollte dort in Summe mehr als drei Jahre verbringen. Der Geheimdienst fungierte als Ermittlungsbehörde und warf ihm neben Steuerdelikten vor, Investitionspläne bei Motowelo nicht eingehalten zu haben. Murawjow erachtete die Vorwürfe als fabriziert. Dennoch wurde er 2017 zu insgesamt elf Jahren Haft mit Vermögensverfall verurteilt.
„Das Strafmaß steht in keinem Verhältnis zu den im Urteil beschrieben Verfehlungen. Auch resultiert aus der Beschreibung keine Gewissheit, dass es überhaupt ein Verbrechen gab“, erklärte Jurist Michail Kiriljuk dem Belarusian Investigative Center. Denn in Westeuropa oder den USA wäre das lediglich Gegenstand für zivilrechtliche Auseinandersetzungen, kommentierte der Mitstreiter des Oppositionellen Pawel Latuschka.
In Österreich wurde dem KGB damals jedoch bereitwillig Rechtshilfe geleistet: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ordnete mit gerichtlicher Genehmigung eine Hausdurchsuchung in Murawjows Villa in Oberwaltersdorf an, aktiv wurde auch die Staatsanwaltschaft Wien. Sie konnte das Ersuchen aus Minsk jedoch aufgrund des Rechtsmittels einer Bank nicht sofort umsetzen. Gestoppt wurde diese Unterstützung für den KGB schließlich im November 2016 durch den österreichischen Obersten Gerichtshof (OGH), der die Beschlüsse der Staatsanwaltschaften als „nicht im Einklang mit dem Gesetz“ beurteilte. Nicht erörtert vom OGH wurde ein Trick des Geheimdienstes, der für sein Rechtshilfeersuchen gegen Murawjow einen Vorwurf von Untreue konstruierte. Letzterer sollte später nicht einmal in Minsk vor Gericht halten.
Untätig blieben hingegen die zuständigen Ministerien in Österreich: Im Außenministerium erklärte man auf „APA“-Anfrage, nichts über jenen Brief zu wissen, in dem im September 2018 ein Vertrauter Murawjows die damalige Außenministerin Karin Kneissl um Hilfe ersuchte. Auch eine nachweisliche Kontaktaufnahme mit der Botschaft in Minsk im Mai 2020 führte zu nichts: Das Außenministerium übermittelte auch keine Informationen an das Wirtschaftsministerium, in dessen Zuständigkeit ein bilaterales Abkommen zum Schutz für Investitionen fällt. Dieser Vertrag verbietet Belarus Maßnahmen gegen österreichische Investoren, die einer Enteignung gleichkommen würden, so sie nicht in einem rechtmäßigen Verfahren gesetzt würden. Im Urteil hatte das Gericht in Minsk 2017 nicht nur Murawjows Privatvermögen für verfallen erklärt, sondern es enteignete auch Aktien, die nicht ihm, sondern einer mit ihm in Verbindung stehenden österreichischen Holding gehört hatten. Beobachter in Belarus hatten diese Vorgangsweise seinerzeit deutlich kritisiert.
Eine maßgebliche Rolle, dass der Belarusse auch sein gesamtes Vermögen in Österreich verlieren sollte, spielte schließlich eine lettische Bank: Wenige Wochen nach der Verhaftung bemühte sie sich im Zusammenhang mit ausbleibenden Kreditrückzahlungen vor einem Rigaer Schiedsgericht erfolgreich um einen Vollstreckungstitel. Die Rietumu Banka hatte dabei angegeben, dass die Parteien über das Verfahren korrekt informiert worden seien. Dies sei im KGB-Gefängnis nicht möglich gewesen, bestritt Murawjow diese Darstellung und machte der Bank Vorwürfe. Auf APA-Anfrage verweigerte die Bank Informationen zum konkreten Fall und verwies auf das Bankgeheimnis. „Die bewusste Verbreitung von Falschinformationen wird ihrerseits zivil- und strafrechtlich geahndet“, informierte eine Sprecherin der Bank.